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Jahrbuch - Ostfriesische Landschaft

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nicht. Mag es immerhin zu den Zeiten des Ambrosius (f 397)<br />

so gewesen sein, dass jene Gesänge, die das ganze Volk in<br />

freudigem Unisono angestimmt haben soll, auch wirklich<br />

Kirchenlieder waren, im Laufe der Zeit muss dieser Gesang<br />

doch so ausgeartet sein, dass Gregor I. (f 604) sich zu einer<br />

gründlichen Reform desselben genötigt sah; aber bei der Reformarbeit<br />

fiel er in das andere Extrem, dem Volke überhaupt<br />

den Gesang in der Kirche zu verbieten und ihn ausschliesslich<br />

einem Sängerchor zuzuweisen. So blieb es bis zur Reformationszeit<br />

und darüber hinaus. Nur darf man das Kind nicht mit<br />

dem Bade ausschütten und leugnen, dass das deutsche Volk<br />

vor der Reformation überhaupt geistliche Lieder gesungen<br />

habe. Es hatte solche Lieder, die oft viel Schönes, Inniges<br />

und tief Empfundenes enthielten, wie ein Blick in Wackernagels<br />

Kirchenlied und Hofmanns von Fallersleben „Geschichte<br />

des deutschen Kirchenliedes vor 1524" uns solches bestätigt.<br />

Aber alle diese Lieder hatten keinen Platz im Gottesdienste,<br />

in dem nur der gregorianische Choral als Gesang der<br />

Priester am Altare oder als Chorgesang einer ausgebildeten<br />

Sängerschar im Cantus firmus resp. im Figuralgesang zugelassen<br />

war, noch dazu in einer dem gemeinen Mann unverständlichen<br />

Sprache. So schön auch manche lateinische<br />

Hymnen sind, das Charakteristische des Kirchenliedes, lebendige<br />

Zeugnisse des Glaubens aus dem Herzen des Volkes hervorsprudelnd,<br />

waren sie nicht. Auch das, was Melanchthon in<br />

der Apologie zur Augsburgischen Konfession, Artikel 24, sagt,<br />

dass an etlichen Orten mehr, an andern weniger, immer<br />

aber etwas deutsch in der Kirche gesungen sei, beweist noch<br />

nichts für den Kirchengesang des Volkes. Eben um dieses<br />

zufrieden zu stellen, wurde ihm an einzelnen Festtagen gestattet,<br />

eine einzige Strophe eines deutschen Liedes zu singen,<br />

z. B.: Gelobet seistu Jesu Christ, Christ ist erstanden, Nun<br />

bitten wir den heiligen Geist etc. Sonst war das Volk im<br />

Gottesdienste nur passiver Zuhörer und musste sich mit kurzen<br />

Responsorien, Kyrie, Alleluja, begnügen. Wo aber die Kirchenbehörde<br />

nicht mitzusprechen hatte, ausserhalb der 4 Wände der<br />

Kirche, da fehlte es dem Volke nicht an Gelegenheit zu singen,<br />

und solche Gelegenheiten boten sich ihm bei Bittgängen, Wallfahrten,<br />

Heiligenfesten, Flursegen etc. reichlich dar.<br />

<strong>Jahrbuch</strong> der Gesellsch. f. b. K. u. vater!. Altertümer zu Emden, Bd. XVII. 11

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