Selbstkonzept, Kausalattributionen und Leistungsangst - Institut für ...
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Günter Faber<br />
valide erweist (Hoge & Coladarci, 1989; Schrader, 1998), stellt sich deren Urteilsgüte im<br />
Hinblick auf leistungs- bzw. prüfungsbezogene Schülerängste immer wieder als ausnehmend<br />
niedrig dar – insofern ein beträchtlicher Anteil von Schülern mit beträchtlicher Anteil<br />
von Schülern mit einschlägigen Problemen unerkannt bleibt (Argulewicz & Miller, 1985;<br />
Finkbeiner & Isele; Helmke, 1981; Helmke & Fend, 1982; Nickel & Schlüter, 1970; Rost<br />
& Haferkamp, 1979; Sarason, Davidson, Lighthall, Waite & Ruebush, 1971; Walter, 1981).<br />
Dieser Mangel an Urteilsgenauigkeit dürfte indes nicht in erster Linie auf unzureichende<br />
Diagnosekompetenzen der Lehrkräfte zurückgehen, sondern vor allem in dem zu erfassenden<br />
Merkmal selbst begründet liegen. Denn leistungsängstliche Schülerreaktionen kommen<br />
wesentlich über kognitiv-motivationale Bewertungsprozesse <strong>und</strong> Erwartungsmuster zustande,<br />
die sich auf das Verhalten sehr unterschiedlich auswirken (Helmke, 1983). Das heißt<br />
umgekehrt auch, dass in einer bestimmten Situation auftretende Verhaltensweisen sich<br />
nicht ohne weiteres als Anzeichen eines individuell erhöhten Angstniveaus identifizieren<br />
lassen. So könnten leistungsängstliche Schülerreaktionen in unterschiedlichen Situationen<br />
von unterschiedlichen Beurteilern auch als Ausdruck von Fähigkeitsdefiziten, Anstrengungsmangel,<br />
Unkonzentriertheit oder Interesselosigkeit verstanden werden. Dadurch erklärt<br />
sich vielleicht auch der Umstand, dass Schülerängste in der Lehrereinschätzung schulischer<br />
Probleme nur ein untergeordneter Stellenwert zugesprochen wird (Bäuerlein, Berg<br />
& Strauch, 1988). Diese gr<strong>und</strong>sätzliche Schwierigkeit, von beobachtbarem Verhalten sicher<br />
auf einen intrapsychischen Zustand schließen zu können, überlässt dem Beurteiler zwangsläufig<br />
einen breiten Deutungsspielraum, der gerade in komplexen unterrichtlichen Interaktionen<br />
einschlägige Wahrnehmungs- bzw. Urteilsfehler begünstigt (Kleber, 1992; Lukesch,<br />
1998; Rheinberg, 1978).<br />
Die Untersuchung zur Erfassbarkeit leistungsbezogener Schülerängste durch das Lehrerurteil<br />
sind allerdings meistenteils auf der Basis schulfachübergreifender Merkmalsoperationalisierungen<br />
vorgenommen worden. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass fachspezifisch<br />
bestehende <strong>Leistungsangst</strong>ausprägungen (Faber, 1995b; Jacobs, 1982; Marsh, 1988) in den<br />
Einschätzungen der Lehrkräfte nicht angemessen abgebildet <strong>und</strong> dementsprechende intraindividuelle<br />
Unterschiede im Sinne psychologischer Durchschnittsbildungen egalisiert – die<br />
Beziehung zwischen Lehrerwahrnehmungen <strong>und</strong> Schülermerkmalen somit unterschätzt dargestellt<br />
worden sind. Insofern wäre zu erwarten, dass Angstreaktionen in einem umschriebenen<br />
Leistungsbereich, mithin gegenüber den Anforderungen eines bestimmten Unterrichtsfaches,<br />
genauer zu beurteilen sein sollten. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist einer eigenen Untersuchungsreihe<br />
unter anderem auch der Frage nachgegangen worden, inwieweit die fachlich<br />
zuständigen Lehrkräfte rechtschreibängstliche Gr<strong>und</strong>schulkinder über ihre alltäglichen Verhaltenseinschätzungen<br />
erkennen können. Die bisherigen Ergebnisse haben unterdessen klar<br />
belegt, dass trotz des situativ eingegrenzten Bezugsrahmens die von den Schülern rechtschreibspezifisch<br />
berichtete <strong>Leistungsangst</strong> durch das Lehrerurteil nicht zureichend verifiziert<br />
werden kann. Zudem zeigen sich die Lehrerwahrnehmungen implizit erheblich vom<br />
fachlichen Leistungsstand der Schüler beeinflusst (Faber, 1993d, 1994, 1995a).<br />
Demnach trägt eine Reduzierung situativer Komplexität durch die fachbezogene Spezifizierung<br />
des einzuschätzenden Verhaltens allein noch nicht zu einer Verbesserung der Urteilsgenauigkeit<br />
bei. Möglicherweise bedarf es hierzu noch einer Reduzierung struktureller<br />
Komplexität durch eine weitere Differenzierung des zu erfassenden Merkmals. Zieht man<br />
nämlich in Betracht, dass leistungsängstliche Schülerreaktionen sich subjektiv sowohl über<br />
kognitive Besorgtheits- als auch über affektiv-physiologische Aufgeregtheitszustände mani-<br />
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