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Große Anfrage und Antwort des Senats

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Drucksache 19/6606 Bürgerschaft der Freien <strong>und</strong> Hansestadt Hamburg – 19. Wahlperiode<br />

2<br />

schieden. Das Ergebnis sind häufig schlechte Vergütungen <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen<br />

sowie erhebliche Defizite in den demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

in kirchlichen Betrieben.<br />

Der kirchliche Dienst erkennt das Koalitionsrecht der Beschäftigten zwar an,<br />

verlangt aber, dass die Loyalitätspflichten der Beschäftigten respektiert werden.<br />

Dadurch entstehen weitreichende Konflikte <strong>und</strong> zuweilen ein „wenig<br />

christlicher Umgang“ mit den Angestellten <strong>und</strong> ihren Interessenvertretungen.<br />

Beschäftigte von Kirchen, kirchlichen Einrichtungen <strong>und</strong> Wohlfahrtseinrichtungen<br />

fühlen sich aufgr<strong>und</strong> der Eigenart der Dienstverhältnisse oft wie<br />

Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen zweiter Klasse behandelt.<br />

Die Einschränkung der Arbeitnehmerrechte der in der Kirche <strong>und</strong> in kirchlichen<br />

Einrichtungen beschäftigten Menschen wird mit dem Selbstbestimmungsrecht<br />

der Kirche, welches aus dem Subsidiaritätsprinzip hervorgehen<br />

soll, begründet, wonach sich soziale Dienste in zivilgesellschaftlicher Selbstverwaltung<br />

organisieren.<br />

Dies ist unstrittig, solange hier transparente, demokratisch kontrollier- <strong>und</strong><br />

steuerbare Strukturen existieren.<br />

Den bei der Kirche <strong>und</strong> ihren Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Arbeitnehmern wird zunehmend erschwert, sich gemeinsam für angemessene<br />

Bezahlung <strong>und</strong> gute Arbeitsbedingungen einzusetzen, indem die<br />

Kirche sich darum bemüht, ein Streikverbot für ihre Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

herbeizuführen, die Mitarbeitervertretungen zum Schweigen über Tarifverhandlungen<br />

verpflichtet <strong>und</strong> versucht, die branchenüblichen Tarifverträge<br />

für soziale Dienste zu umgehen.<br />

Diese Dauerkonflikte finden auch in Hamburg ihren Niederschlag, wie bei<br />

den Warnstreikaktionen der Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter <strong>des</strong> Diakonie-<br />

Klinikums im März <strong>und</strong> Mai dieses Jahres geschehen. Dort versuchte die Arbeitgeberin,<br />

den Warnstreik per Einstweiliger Verfügung verbieten zu lassen.<br />

Das Hamburger Arbeitsgericht bewertete jedoch ausdrücklich das Streikrecht<br />

<strong>und</strong> die Koalitionsfreiheit der Beschäftigten aus Artikel 9 Absatz 3 <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />

höherrangig als das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, sodass<br />

die Arbeitgeberin ihren Antrag zurückziehen musste.<br />

Es besteht Anlass zur Sorge, dass kirchliche Arbeitgeberinnen <strong>und</strong> Arbeitgeber<br />

aufgr<strong>und</strong> der Privatisierung in den sozialen Diensten Wettbewerbsvorteile<br />

erlangen. Diese Kostenvorteile sind geeignet, den Wettbewerb zu verschärfen<br />

– zulasten der Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> <strong>des</strong> Versorgungsauftrages. Kirchliche<br />

Krankenhäuser, Senioren- <strong>und</strong> Pflegeheime werden meist vollständig<br />

aus Krankenkassenbeiträgen, Mitteln der Pflegekasse oder Steuermitteln finanziert.<br />

Kirchliche Kindertageseinrichtungen erhalten ebenfalls oft nur einen<br />

geringen Zuschuss der Kirche <strong>und</strong> finanzieren sich hauptsächlich über staatliche<br />

Zuwendungen. Auch die bei der Kirche selbst beschäftigten Geistlichen<br />

werden zu einem beträchtlichen Teil aus Staatsmitteln finanziert.<br />

Diese Wettbewerbsverzerrung wäre auch nach gängiger Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofes unzulässig, da sich alle Marktteilnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Marktteilnehmer an das EU-Wettbewerbsrecht zu halten haben, unabhängig<br />

davon, ob es sich um gemeinnützige Vereine oder kirchliche Einrichtungen<br />

handelt.<br />

Daher fragen wir den Senat:<br />

Die Kirchen <strong>und</strong> sonstigen Religionsgemeinschaften ordnen <strong>und</strong> verwalten ihre Angelegenheiten<br />

selbstständig <strong>und</strong> unterliegen keiner staatlichen Aufsicht (vergleiche Artikel<br />

140 GG i.V.m. Artikel 137 Absatz 3 WRV). Die von den <strong>Anfrage</strong>nden erbetenen

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