2009 s Kreissparkasse Heinsberg
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6 <strong>Kreissparkasse</strong> <strong>Heinsberg</strong><br />
7 Liesel Machat | Soziale Verantwortung<br />
Gelebte Verantwortung<br />
Liesel Machat zum Titelthema<br />
„Soziale Verantwortung“<br />
Ist der immer öfter geäußerte Vorwurf, in Deutschland<br />
nehme die soziale Kälte zu, wirklich berechtigt?<br />
Diese Frage ist, wenn überhaupt, schwer zu beantworten.<br />
Zu allen Zeiten befanden sich die Menschen<br />
in unterschiedlichen Lebenssituationen und Menschen<br />
in Notlagen waren auf andere angewiesen.<br />
Im Wesentlichen kam Hilfe in früheren Jahrhunderten<br />
nur von privater oder kirchlicher Seite.<br />
Heute bietet der moderne Staat eine umfassende soziale<br />
Sicherheit. In der Bundesrepublik Deutschland<br />
ist das Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankert<br />
und verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich<br />
der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte<br />
Sozialordnung zu sorgen. Die wesentlichen Lebensrisiken<br />
der Gesellschaft – sei es Arbeitslosigkeit, Krankheit,<br />
Pflegebedürftigkeit, Behinderung, Altersarmut –<br />
sind durch die Sozialgesetzgebung abgesichert.<br />
Gleichwohl erfordern sich ändernde gesellschaftliche<br />
Rahmenbedingungen eine ständige Weiterentwicklung<br />
der Gesetze. So erleben wir derzeit eine sehr kontrovers<br />
geführte Diskussion über eine Anpassung existenzsichernder<br />
Grundlagen. Zwar ist die Politik gefordert,<br />
wirksame Maßnahmen gegen die zunehmende<br />
Armut zu ergreifen, dabei muss aber jedem klar sein,<br />
dass die öffentliche Hand nicht alles leisten kann. Der<br />
Staat kann nicht die Eigenverantwortung des Einzelnen<br />
und das soziale Engagement von Bürgern, Institutionen<br />
und Unternehmen ersetzen. Je mehr soziale Verantwortung<br />
andere übernehmen, desto weniger sind<br />
staatliche Regulierungen notwendig und es bleibt<br />
mehr Gestaltungsspielraum für den Einzelnen.<br />
Neben den staatlichen Institutionen übernimmt<br />
eine Vielzahl von gesellschaftlichen Gruppen und<br />
Organisationen soziale Verantwortung und zeigt<br />
großes Engagement. Das sind vor allem die Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften sowie die Verbände<br />
der freien Wohlfahrtspflege, Selbsthilfeorganisationen<br />
und private Träger. Die Kommunen arbeiten<br />
eng mit diesen Organisationen zusammen, insbesondere<br />
in den Bereichen Kinderbetreuung, Jugendarbeit,<br />
Migrationsarbeit, Grundsicherung für Arbeitssuchende,<br />
Pflege und Teilhabeleistungen für behinderte<br />
Menschen. In der praktischen Arbeit hat sich<br />
diese Zusammenarbeit bewährt und weiterentwickelt.<br />
Gemeinsam wird auf gesellschaftliche Änderungen<br />
– wie die demographische Entwicklung oder<br />
das Zerfallen traditioneller stabiler Familienstrukturen<br />
– reagiert, um zeitgemäße, individuelle, bedarfsgerechte<br />
und differenzierte Angebote machen<br />
zu können.<br />
Daneben gewinnt bürgerschaftliches Engagement<br />
vor allem mit Blick auf die demographische Entwicklung<br />
immer mehr an Bedeutung. Ältere Menschen,<br />
die möglichst lange in ihren Wohnungen leben möchten,<br />
sind vielfach auf Unterstützung angewiesen.<br />
Unabhängig von professionellen Unterstützungsangeboten<br />
ist es unabdingbar, auf ein Netz privater<br />
Beziehungen in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis,<br />
in der Nachbarschaft und im Gemeinwesen<br />
bauen zu können. Dieses Netz zu schaffen,<br />
ist gemeinsame Aufgabe der öffentlichen Hand und<br />
der Gesellschaft. Die vom Kreis <strong>Heinsberg</strong> installierte<br />
Arbeitsgruppe „Älter werden im Kreis <strong>Heinsberg</strong>“<br />
hat entsprechende Handlungsempfehlungen erarbeitet,<br />
für die im Jahr 2008 der Gesundheitspreis<br />
des Landes NRW verliehen wurde.<br />
Im vorliegenden Bericht werden stellvertretend<br />
vier Initiativen/Einrichtungen vorgestellt, die in<br />
unterschiedlichen Bereichen engagiert sind.<br />
Teamgeist ist beim Bauwagenprojekt der evangelischen<br />
Kirchengemeinde Übach-Palenberg gefragt.<br />
Kinder und Jugendliche haben oft keine Chance, das<br />
gesellschaftliche Miteinander schon in der Familie zu<br />
erlernen. Mit Blick darauf hat die Kirchengemeinde<br />
ein freiwilliges niederschwelliges Angebot für Jugendliche<br />
und junge Erwachsene konzipiert. Die jungen<br />
Menschen konnten nach ihren Vorstellungen einen<br />
Bauwagen für ihre Freizeitzwecke herrichten. In der<br />
gemeinsamen Arbeit und den folgenden Aktivitäten<br />
erfahren sie, sich aufeinander zu verlassen und voneinander<br />
zu lernen.<br />
Nicht nur jungen Menschen sollen Perspektiven<br />
eröffnet werden, sondern auch für ältere Menschen<br />
sind entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />
Die sowohl körperlich als auch geistig „fitten“<br />
Senioren sind unverzichtbar, um die gesellschafts-<br />
und sozialpolitischen Herausforderungen der älter<br />
werdenden Gesellschaft zu meistern. Für die hilfebedürftigen<br />
alten Menschen stehen Gesundheitsfürsorge,<br />
Pflege und Dienstleistungen zur allgemeinen<br />
Lebensbewältigung im Vordergrund.<br />
Das in diesem Jahresbericht vorgestellte Alten- und<br />
Pflegeheim St. Josef in Waldenrath bietet den Bewohnern<br />
trotz zunehmendem Alter, trotz Krankheit und persönlicher<br />
Probleme ein Zuhause, in dem sie individuell<br />
betreut werden. Darüber hinaus übernimmt die Einrichtung,<br />
wie viele andere Unternehmen, soziale Verantwortung<br />
für ihr Personal und ermöglicht dadurch<br />
Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit<br />
ihrem Arbeitgeber und den ihnen gestellten Aufgaben.<br />
Die Interessengemeinschaft Ophoven hat in den vergangenen<br />
Jahren mit mehr als 3 Mio. Euro krebskranke<br />
Kinder und ihre Familien unterstützt.<br />
Das Engagement der Dorfgemeinschaft wirkt durch<br />
unterschiedlichste Aktionen weit über die Kreisgrenzen<br />
hinaus.<br />
Weite Kreise, sogar bis ins ferne Russland, zieht auch<br />
die Schülerband „Rur-Rock – Wir zusammen“. Sie verbindet<br />
über die Musik behinderte Schüler und Schülerinnen<br />
der Rurtal-Schule und nicht behinderte Schüler<br />
und Schülerinnen der Hauptschule Oberbruch und begeistert<br />
seit Jahren ein breites Publikum. Das Engagement<br />
der Lehrer geht weit über das hinaus, was Schule<br />
leisten muss. So sieht gelebte soziale Integration aus.<br />
Es ließen sich noch unzählige Beispiele sozialen Engagements<br />
nennen, im unmittelbaren sozialen Umfeld<br />
und darüber hinaus. Immer wieder zeigt sich auch eine<br />
enorme Hilfs- und Spendenbereitschaft bei Naturkatastrophen<br />
und anderen Notsituationen.<br />
Jeder muss letztlich für sich entscheiden, ob und<br />
wie neben den alltäglichen beruflichen und privaten<br />
Belastungen Raum für Belange anderer bleibt. Angesichts<br />
der zunehmenden sozialen Spannungen in<br />
Deutschland und weltweit kann nur appelliert werden,<br />
den hier genannten Beispielen zu folgen. Man<br />
hilft nicht nur anderen, sondern bereichert dadurch<br />
auch sein eigenes Leben.<br />
Liesel Machat<br />
ist Leitende Kreisverwaltungsdirektorin,<br />
verantwortlich für das Amt für Soziales<br />
und Senioren sowie für das Jugendamt<br />
beim Kreis <strong>Heinsberg</strong>