Architektur + Naturstein 1 I 2008 - Vereinigung Österreichischer ...
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Architektur + Naturstein 1 I 2008 - Vereinigung Österreichischer ...
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ÖSTERREICH<br />
Villen heute I Leben mit <strong>Naturstein</strong><br />
Vorgerechnet I Bauen mit Stein lohnt<br />
<strong>Architektur</strong> + <strong>Naturstein</strong> 1 I <strong>2008</strong>
EDITORIAL<br />
Mit Stein<br />
wohnen<br />
NATURSTEIN SORGT FÜR EIN ANGENEHMES RAUMKLIMA! Neben<br />
dem rein dekorativen Charakter der Steine stehen zunehmend auch<br />
funktionale Aspekte im Vordergrund. <strong>Naturstein</strong> wird zum integralen<br />
Bestandteil der <strong>Architektur</strong>. <strong>Naturstein</strong>e sind Unikate. Die Auswahl an<br />
Farben und Strukturen wird durch die vielfältigen Möglichkeiten handwerklicher<br />
oder industrieller Oberflächenbearbeitungen nahezu unbegrenzt.<br />
Spaltrau, gestockt, scharriert, geschliffen oder poliert – jede<br />
Oberfläche hat ihren ganz eigenen Reiz und erfüllt ganz spezielle<br />
Funktionen.<br />
<strong>Naturstein</strong>e unterliegen – wie alle zur Gestaltung menschlicher Lebensräume<br />
eingesetzten Materialien – Modeströmungen. Die natürlichen<br />
Steine werden in raffinierten Verarbeitungsvarianten angeboten: mit<br />
abgesetzten Umrandungen, mit Oberflächen, die strukturiert oder reliefartig<br />
durch Friese oder Profilborde aufgelockert sind; in Form von <strong>Naturstein</strong>intarsien<br />
und mit Edelsteinapplikationen, in allen nur denkbaren<br />
Kombinationen und mit filigranen Gravuren. Heute sind vor allem »weiche«<br />
Steine und matte, geschliffene Oberflächen gefragt. Unifarbene,<br />
beige bis graue und schwarze Steine sind zurzeit die Trendmaterialien.<br />
Und: Jeder kann sich heute <strong>Naturstein</strong> leisten. Es werden am Markt<br />
heute Endprodukte angeboten, die durch zeitgemäße Produktions- und<br />
Vertriebsweisen auch für eine größere Verbraucherschicht akzeptabel<br />
sind: perfekt produzierte, leicht zu handhabende, verbraucherfreundliche,<br />
vielfältig einsetzbare Kleinserien.<br />
Dr. Anton Helbich-Poschacher<br />
Vorsitzender der <strong>Vereinigung</strong><br />
<strong>Österreichischer</strong> <strong>Naturstein</strong>werke<br />
3
INHALT<br />
Das Musée d’Art Modern in<br />
Luxemburg ist Ieoh Ming Peis<br />
drittes Projekt in Europa.<br />
Sein Entwurf verbindet den<br />
historischen Bestand mit<br />
zeitgenössischer <strong>Architektur</strong>.<br />
10 18<br />
Ein maßgeschneidertes Haus für<br />
den Ruhestand – diesen Wunsch<br />
erfüllte sich ein Ehepaar aus Vorarlberg<br />
mit einer Villa aus Rauchkristall.<br />
32<br />
Im thüringischen Sondershausen haben<br />
die Architekten Schettler & Wittenberg<br />
eine Villa entworfen, die den Eindruck<br />
vermittelt, natürlicher Bestandteil eines<br />
Großen und Ganzen zu sein.<br />
Trockenmauern prägen seit<br />
Jahrhunderten die europäische<br />
Kulturlandschaft. Seit der Naturgartenbewegung<br />
der späten<br />
1970er- und 1980er-Jahre sind<br />
sie ein wesentliches Element<br />
der Gartengestaltung<br />
50<br />
4 STEIN TIME 1 I 08
TRENDS<br />
HÄUSER<br />
MUSEEN<br />
PLÄTZE<br />
RESTAURIERUNG<br />
TECHNIK<br />
STANDARDS<br />
6<br />
8<br />
10<br />
14<br />
18<br />
22<br />
26<br />
32<br />
36<br />
40<br />
42<br />
46<br />
48<br />
52<br />
58<br />
Die aktuellen Seiten von STEIN TIME<br />
Wohnen mit <strong>Naturstein</strong><br />
Villa in Vorarlberg – Kristall & Rauch<br />
Villa in Klosterneuburg – filmreif wohnen<br />
Villa in Sondershausen – moderne Diplomatie<br />
Villa in Bonn – mit Anspruch<br />
Kellerei und Hotel Marqués de Riscal<br />
Musée d’Art Modern in Luxemburg<br />
Kunst- und Kulturzentrum in Sines<br />
Hauptplatz in Bad Tatzmannsdorf<br />
Ortsdurchfahrt in Eibiswald<br />
Pestsäule in Baden<br />
Glas versus <strong>Naturstein</strong> – nachgerechnet<br />
Trockenmauern<br />
VÖN intern<br />
Impressum<br />
Fotonachweis<br />
REDAKTION<br />
Willy Hafner, Melanie Schlegel,<br />
Ariane Suckfüll, Gabriele Waldmann,<br />
Richard Watzke;<br />
Scheyerner Weg 1 · D-80638 München<br />
Tel. +49 89/17 80 96 58<br />
Fax +49 89/17 16 59<br />
w.hafner@s-stein.com<br />
www.s-stein.com<br />
VERLAG<br />
Callwey Verlag<br />
Streitfeldstraße 35 · D-81673 München<br />
Tel. +49 89/43 60 05-0<br />
Fax +49 89/43 60 05-113<br />
www.callwey.de<br />
HERAUSGEBER<br />
<strong>Vereinigung</strong> <strong>Österreichischer</strong><br />
<strong>Naturstein</strong>werke<br />
Scharitzerstraße 5 · A-4020 Linz<br />
F r die Zukunft gestalten.<br />
5
TRENDS<br />
Vortragsreihe in Österreich<br />
Faszination <strong>Naturstein</strong><br />
Um HTL-Schüler, Architekten<br />
und Planer besser mit dem<br />
Werkstoff <strong>Naturstein</strong> vertraut<br />
zu machen, gibt es seit 2005<br />
die Präsentation »Faszination<br />
<strong>Naturstein</strong>« für alle Interessenten<br />
in Schule und Ausbildung<br />
als österreichweite Vortragsreihe.<br />
Ziel ist die Information zukünftiger<br />
Entscheider und Anwender<br />
von <strong>Naturstein</strong>. Im Vordergrund<br />
steht dabei die Begeisterung:<br />
Für die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
mit <strong>Naturstein</strong>,<br />
für seine einzigartige Farbvielfalt,<br />
seine optischen und tech-<br />
Der internationale Marble<br />
Architectural Award <strong>2008</strong> ist<br />
entschieden. Aus mehr als<br />
60 Einsendungen zeichnete<br />
die Jury Projekte in Australien,<br />
Mittel- und Südamerika und<br />
Südafrika aus. Diese Regionen<br />
waren <strong>2008</strong> als Schwerpunkt<br />
berücksichtigt worden. Der von<br />
der Internazionale Marmi e<br />
Macchine Carrara, kurz IMM,<br />
organisierte Wettbewerb setzt<br />
jedes Jahr einen neuen geografischen<br />
Schwerpunkt. Inzwischen<br />
ist die Veranstaltung bei<br />
Architekten und Designern, die<br />
herausragende Projekte mit<br />
<strong>Naturstein</strong> ausführen, anerkannt<br />
und gibt einen Überblick<br />
über Entwicklungen bei der<br />
Verwendung von <strong>Naturstein</strong> in<br />
den drei Kategorien Fassadengestaltung,<br />
Innendesign und<br />
Landschaftsarchitektur.<br />
Die Jury stellte fest, dass der<br />
Trend zur Verwendung von<br />
Marmor besonders beim Bau<br />
von Wohngebäuden, vor allem<br />
hochwertiger Villen, sehr groß<br />
ist. Auffallend dabei sei besonders<br />
im Innenausbau die Kombination<br />
von regionalen <strong>Naturstein</strong>en<br />
mit dem Marmor aus<br />
den Apuanischen Alpen oder<br />
nischen Qualitäten sowie<br />
seine Tradition und<br />
Zukunft. Der Vortrag sensibilisiert<br />
für <strong>Naturstein</strong><br />
als dauerhaftes Zeugnis<br />
der Baukultur. Weiters<br />
stellt er die Materialvielfalt<br />
in Österreich dar und zeigt die<br />
moderne Gewinnung und Verarbeitung.<br />
Im Zentrum der Präsentation<br />
stehen zahlreiche Beispiele<br />
der verschiedensten Anwendungen<br />
im Innen- und Außenbereich,<br />
aber auch im Innenausbau,<br />
dem Garten- und<br />
Landschaftsbau sowie der<br />
Neue <strong>Architektur</strong> mit <strong>Naturstein</strong><br />
Marble Architectural Award <strong>2008</strong><br />
anderen europäischen Steinen.<br />
Diesen Trend könne man<br />
besonders in Südafrika, Argentinien,<br />
Brasilien und Mexiko<br />
feststellen, wo es eine große<br />
Vielfalt architektonischer Sprachen<br />
von asiatischem Minimalismus<br />
bis zu lokalen architektonischen<br />
Traditionen gebe.<br />
Der erste Preis für die Fassadengestaltung<br />
ging an die<br />
Casa de Meditacion von<br />
Gerard and Carlos Pascal in<br />
Mexico City. Bei dem 2006<br />
errichteten Gebäude wurde<br />
spansicher Grissal-Granit verwendet.<br />
In der Kategorie der Innenraumgestaltung<br />
vergab die<br />
Jury den ersten Preis ex-aequo<br />
an die Argentinier Atelman-<br />
Fourcade-Tapia für das<br />
Museum für Lateinamerikanische<br />
Kunst in Buenos Aires.<br />
Das andere siegreiche Projekt<br />
war die Casa del Puente in<br />
Sierra Amatepec, Mexiko, von<br />
der mexikanischen Architektengruppe<br />
Zd+a. Dort wurde mexikanischer<br />
Travertin mit italienischem<br />
Verde Saint Denise<br />
kombiniert.<br />
Besondere Erwähnung fand<br />
die Innenraumgestaltung der<br />
Der Vortrag »Faszination<br />
<strong>Naturstein</strong>« kann bei der<br />
VÖN angefordert werden.<br />
Denkmalpflege. Die großformatigen<br />
Abbildungen zeigen<br />
überwiegend österreichische<br />
Gewinner bei den<br />
Fassaden: Casa<br />
de Meditacion in<br />
Mexiko City.<br />
Projekte und Materialien<br />
und sind ergänzt durch<br />
Grafiken zur Steintechnik.<br />
Die Präsentation dauert<br />
rund 50 Minuten. Sie ist im<br />
Microsoft PowerPoint-Format<br />
für Windows und Apple-Rechner<br />
erstellt und zur Projektion<br />
über einen Beamer vorgesehen.<br />
Ein ausführliches Skript<br />
als PDF-Datei dient als Leitfaden.<br />
Der Vortrag kann bei der<br />
VÖN mit Referent angefordert<br />
werden.<br />
Nähere Informationen gibt es<br />
auf www.pronaturstein.at.<br />
Siegerprojekt bei der Landschaftsgestaltung: Northern<br />
Cape Legislature NLC im südafrikanischen Kimberly.<br />
CASA AV in Mexiko City durch<br />
BGP Arquitetura, bei der die<br />
mexikanischen Steine Recinto<br />
und Gris Chiluca mit griechischem<br />
Thassos Marmor kombiniert<br />
wurden.<br />
Gewinner bei der Kategorie<br />
Landschaftsgestaltung waren<br />
die Südafrikaner Luis da Silva<br />
und Kevin Johnston, die bei<br />
ihrer Gestaltung des Verwaltungsbaus<br />
der Northern Cape<br />
Legislature NLC in Kimberly<br />
verschiedene südafrikanische<br />
<strong>Naturstein</strong>e und Schiefer einsetzten.<br />
Die Preisverleihungen werden<br />
im Rahmen der CarraraMarmotec<br />
<strong>2008</strong> – vom 29. Mai bis<br />
1. Juni <strong>2008</strong> – durchgeführt;<br />
dabei werden die Preisträger<br />
ihr jeweiliges Konzept und die<br />
Gründe für die Materialwahl<br />
erläutern.<br />
www.maa.immcarrara.com<br />
6 STEIN TIME 1 I 08
Der Obelisk in Puch<br />
Transport als Event<br />
Ende Oktober 2007<br />
transportierten 17 Salzburger<br />
Steinmetzen einen<br />
über 4 m langen und<br />
1,7 t schweren Obelisken<br />
aus Marmor mit einem<br />
Holzschlitten von einer<br />
Steinmetzwerkstatt zu<br />
seinem Aufstellungsort<br />
an einem neu gestalteten<br />
Kreisverkehr zwischen<br />
Salzburg und Puch. Die<br />
Initiative für die spektakuläre<br />
Aktion stammt<br />
vom Steinmetzmeister<br />
Erich Schwab aus Puch.<br />
Obelisk und<br />
Sockel sind<br />
insgesamt<br />
6,4 m hoch.<br />
Erich Schwab (2. V.l.) und seine Helfer benötigten für die<br />
1,2 km lange Strecke einen Vormittag.<br />
zustande, schildert<br />
Erich Schwab.<br />
Nach seiner Aufstellung<br />
thront der Obelisk<br />
auf einem Sockel<br />
aus Untersberger<br />
Marmor. Auf der Vorderseite<br />
des Sockels<br />
ist eine Sonnenuhr<br />
angebracht, auf der<br />
Rückseite befinden<br />
sich ein Monatskalender<br />
mit einer beweglichen<br />
Weltkugel.<br />
Lichtstrahlen, die<br />
durch ein Loch im<br />
Zwei Jahre lang hatte der Sockel fallen, zeigen auf dem<br />
Steinmetzmeister<br />
Gruppenbild<br />
an einer<br />
mit Musik: Erich<br />
Monatskalender<br />
Schwab (2. V.l.)<br />
den<br />
und<br />
jeweiligen<br />
seine<br />
lebenden<br />
Helfer<br />
Krippe<br />
benötigten<br />
auf dem<br />
für die 1,2Monat km lange an. Strecke Die Kombination einen Vor-<br />
Adneter Weihnachtsmarkt mittag – von einschließlich Obelisk und Jausenpause. Sonnenuhr<br />
mitgewirkt und am Obelisken erinnert an die Bedeutung des<br />
aus Untersberger Marmor Obelisken im alten Ägypten.<br />
gearbeitet. Um den Transport Wie die Pyramide stellte er<br />
publikumswirksam zu inszenie- die steingewordenen Strahlen<br />
ren und an alte Handwerks- des Sonnengottes dar und war<br />
traditionen zu erinnern, kam die Verbindung zwischen dem<br />
die Idee mit dem Schlitten Irdischen und dem Göttlichen.<br />
WorldSkills<br />
Ein Österreicher in Japan<br />
Shizuoka ist eine Großstadt an<br />
der Südostküste Japans. Die<br />
Stadt ist nicht nur Geburtsort<br />
der amtierenden Miss Universe,<br />
sondern war Ende 2007<br />
auch Austragungsort der<br />
Berufs-WM WorldSkills. Bei der<br />
Endrunde erreichte der für<br />
Österreich angetretene Steinmetzmeister<br />
Philipp Neumann<br />
unter 48 Teilnehmern den vierten<br />
Platz. Ohne eine sehr<br />
negative Beurteilung des deutschen<br />
Wertungsrichters wäre<br />
dem 22-jährigen Steirer ein<br />
Podestplatz sicher gewesen,<br />
sind Neumann und seine<br />
Betreuer überzeugt.<br />
Philipp Neumann absolvierte<br />
seine Ausbildung an der Steinmetz-Fachschule<br />
Hallein – für<br />
ihn ein klarer Vorteil gegenüber<br />
der dualen Lehrausbildung.<br />
Nach der Berufs-WM<br />
legte Neumann die Meisterprüfung<br />
in Hallein ab und arbeitet<br />
seitdem im Steinmetzbetrieb<br />
von Norbert Kienesberger im<br />
oberösterreichischen<br />
Schlüßlberg. Begonnen hatte<br />
alles in der Steiermark mit der<br />
Bearbeitung von Grabsteinen.<br />
Auf der Suche nach einer<br />
abwechslungsreicheren Tätigkeit<br />
sei er zu Norbert Kienes-<br />
Philipp Neumann bei der Feinarbeit<br />
während der Endrunde in Japan.<br />
berger gelangt, schildert Neumann<br />
seinen Berufsweg. Auf<br />
die Berufs-WM trainierte er<br />
sechs Monate lang. Während<br />
der insgesamt 17-stündigen<br />
Abschlußprüfung in Japan<br />
waren drei Module zu bewältigen:<br />
Nach der Schablonenherstellung<br />
und einem Gravierstück<br />
musste ein mehrfach<br />
profiliertes Werkstück aus Carrara<br />
Marmor angefertigt werden.<br />
Während solche Arbeiten<br />
in der <strong>Naturstein</strong>industrie<br />
meist mit CNC-Maschinen ausgeführt<br />
werden, war als technisches<br />
Hilfsmittel während der<br />
Prüfung in Japan nur ein Presslufttmeissel<br />
zugelassen.
HÄUSER<br />
Wohnen mit<br />
<strong>Naturstein</strong><br />
VON WILLY HAFNER<br />
Mit Stein zu wohnen<br />
heißt, individuell zu leben.<br />
Den Raum erleben! Das private Leben, das<br />
Zusammensein mit Familie und Freunden<br />
wird immer mehr als Ausgleich zu den sich<br />
wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen<br />
gesehen. Die eigene Wohnung ist dabei ein ungestörtes<br />
Refugium und eine Begegnungsstätte<br />
gleichermaßen. Stein ist ein hochwertiges Material,<br />
das für jeden Geschmack etwas bietet. Steine unterliegen<br />
– wie alle zur Gestaltung von Lebensräumen<br />
eingesetzten Materialien – Modeströmungen.<br />
8 STEIN TIME 1 I 08
Zeitgemäß bearbeitete Oberflächen<br />
stehen für Begriffe<br />
wie Funktionalität, Sachlichkeit,<br />
Wohnlichkeit und<br />
Wertigkeit.<br />
Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten<br />
und Materialkombinationen<br />
ermöglichen Räume aus<br />
<strong>Naturstein</strong> mit ihrer ganz<br />
persönlichen Note.<br />
<strong>Naturstein</strong>e gibt es in (fast) allen<br />
Farben: von Schwarz bis Weiß;<br />
in Blau, Grün, Rot oder Gelb.<br />
9
HÄUSER<br />
Neubau Villa in Vorarlberg<br />
KRISTALL<br />
& RAUCH<br />
VON MELANIE SCHLEGEL<br />
Ein maßgeschneidertes Haus für den<br />
Ruhestand – diesen Wunsch erfüllte<br />
sich ein Ehepaar aus Vorarlberg<br />
nach einem arbeitsreichen Berufsleben<br />
mit einer Villa aus Rauchkristall.<br />
Intelligent, ökologisch und ökonomisch:<br />
Die Villa in Vorarlberg ist barrierefrei und<br />
komplett aus Krastaler Marmor, der im<br />
Volksmund Rauchkristall genannt wird,<br />
gebaut. Ein Ehepaar verbringt dort seinen<br />
wohlverdienten Ruhestand.<br />
DIE REGION VORARLBERG ist seit<br />
den 1960er-Jahren bekannt für ihre<br />
architektonischen Qualitäten. Das<br />
englische Design-Magazin »Wallpaper«<br />
bezeichnete sie sogar als den »architektonisch<br />
progressivsten Teil des<br />
Planeten« unter anderem mit der<br />
Begründung, dass dort die intelligentesten,<br />
ökonomisch und ökologisch<br />
vernünftigsten Gebäude weltweit hervorgebracht<br />
worden seien. Die Villa aus<br />
Rauchkristall ist ein weiteres Indiz für<br />
diese Aussage.<br />
Das Haus mit einer Einliegerwohnung<br />
wurde für ein Ehepaar der Generation<br />
60+ konzipiert. Sie liegt am Hang mit<br />
Blick in die Schweiz, nach Liechtenstein<br />
und auf die Rätikongruppe und ist über<br />
eine öffentliche Straße durch den Wald<br />
zu erreichen. Das Haus hat zwei<br />
Geschosse: Das Erdgeschoss, gleichzeitig<br />
die Hauptebene der Villa, ist<br />
barrierefrei und umfasst die Bereiche<br />
Büro, Wohnen, Essen, Kochen, Schlafen<br />
und Wellness. Letztgenannter<br />
besteht aus einem Bad mit einer finnischen<br />
Sauna und einem Dampfbad. An<br />
die Saunalandschaft angegliedert ist<br />
ein Wirtschafts- und Liegeraum, von<br />
dem aus der Pool im Freien über eine<br />
Wärmeschleuse erreicht werden kann.<br />
Die Terrasse wiederum kann sowohl<br />
10 STEIN TIME 1 I 08 11
HÄUSER<br />
ARCHITEKT/FERTIGSTELLUNG<br />
BauWERK architektur +<br />
baumanagement GmbH<br />
Harald Bitschnau<br />
6700 Bludenz-Bürs<br />
NATURSTEINARBEITEN<br />
Lauster Steinbau GmbH<br />
9541 Einöde bei Villach<br />
WAND- UND BODENBELAG<br />
Rauchkristall bzw.<br />
Krastaler Marmor<br />
Rund um den Pool liegt gefräster<br />
Rauchkristall. Das Becken ist<br />
direkt vom Liegeraum aus über<br />
eine Wärmeschleuse zu erreichen.<br />
Durch das Panoramafenster auf<br />
der Südseite hat man unter<br />
anderem einen Ausblick auf das<br />
Rätikongebirge. Auf dem Boden<br />
wurde Rauchkristall mit geschlif-<br />
fener Oberfläche verlegt.<br />
von der Küche als auch über das Wohnzimmer<br />
erreicht werden. Für natürliche<br />
Beleuchtung sorgen im Erdgeschoss<br />
neben den Fenstern zusätzlich Oberlichter.<br />
Im Untergeschoss befindet sich eine<br />
Einliegerwohnung, die gegebenenfalls<br />
von Pflegepersonal genutzt werden<br />
kann, sofern das einmal nötig sein<br />
wird. Sie besteht aus Wohn- und Schlafzimmer,<br />
hat eine Küchenzeile und eine<br />
Nasszelle. Ziel der Planung war es,<br />
dass das Haus möglichst sanierungsund<br />
wartungsfrei genutzt werden kann.<br />
So fiel die Wahl auf dauerhafte Werkstoffe<br />
und somit auf <strong>Naturstein</strong>. Die<br />
Bauherren wünschten einen hellen<br />
Stein für innen und außen und entschieden<br />
sich für Rauchkristall. Dieser<br />
Stein dient außen sowohl als Fassadenverkleidung<br />
wie auch als Bodenbelag.<br />
Die Fassade wurde mit einem Vormauerwerk<br />
aus Rauchkristall verkleidet.<br />
Alle Sichtflächen haben eine bossierte<br />
Oberfläche. Massive Ecksteine runden<br />
die Optik ab. Außen haben die Beckenrandsteine<br />
des Pools eine gefräste<br />
12 STEIN TIME 1 I 08<br />
Oberfläche, die Terrassenplatten eine<br />
geschliffene mit gestrahlten Rutschstreifen.<br />
Auch innen besteht der Bodenbelag<br />
aus Rauchkristall außer in den<br />
Schlaf- und Büroräumen sowie in der<br />
Stube. Dort befindet sich ein Parkett<br />
aus Kastanienholz. Dieses Holz findet<br />
sich auch in den Fenstern und in den<br />
Türen wieder. Was also den progressi-<br />
ven Teil des Planeten betrifft: Diese<br />
Villa in Vorarlberg hat es geschafft,<br />
ökologische und ökonomische Vorteile<br />
in sich zu vereinen. Dank der Zweischaligkeit<br />
der Wände war der <strong>Naturstein</strong><br />
sogar noch preiswerter als der<br />
ursprünglich vorgesehene Beton, ganz<br />
zu schweigen von der Natürlichkeit und<br />
somit Ökologie des Materials. n<br />
RAUCHKRISTALL<br />
Der mit dem Handelsnamen Rauchkristall<br />
bezeichnete Krastaler Marmor wird in einem<br />
Steinbruch in der Nähe von Villach gewonnen.<br />
Es handelt sich dabei um ein Gestein von hellgrau-weißer<br />
bis bläulich-grauer Farbe mit einem<br />
mittleren Korndurchmesser von 3–6mm, das<br />
überwiegend aus Kalkspat besteht. Wegen seiner<br />
guten Spaltbarkeit reflektiert der Calcit an<br />
seinen Kristallspaltflächen lebhaft das Licht. Die<br />
Mineralkörner grenzen unmittelbar aneinander,<br />
sodass ein gleichmäßiges, dichtes Gefüge entsteht.<br />
Daher die geringe Wasseraufnahme und<br />
als Folge davon die Frost- und Wetterbeständigkeit<br />
des Gesteins. Die Graufärbung wird durch<br />
sehr fein verteilte Graphiteinlagerungen verursacht.<br />
Graphit und Schwefelwasserstoff gingen<br />
durch Metamorphose aus organischen Resten<br />
im ursprünglichen Kalkgestein hervor. Der Stein<br />
ist etwa 190 Mio. Jahre alt und stammt somit<br />
aus dem Trias. Rauchkristall gehört zur Gruppe<br />
der Metamorphite. Sein Härtegrad ist kleiner als<br />
5, deshalb wird er als Weichgestein bezeichnet.<br />
Er ist sowohl in der Außen- als auch in der<br />
Innenarchitektur einsetzbar.<br />
Wellness spielt in der Villa<br />
eine große Rolle: Es gibt eine<br />
finnische Sauna und ein<br />
Dampfbad. Die Wellnessbereiche<br />
zeichnen sich durch<br />
einen Materialmix aus Rauchkristall<br />
und Kastanienholz aus.<br />
13
HÄUSER<br />
Filmreif<br />
wohnen<br />
VON RICHARD WATZKE<br />
Werbespots eines Waschmittelherstellers,<br />
einer<br />
Versicherung und einer<br />
Bank haben etwas gemeinsam:<br />
eine Villa in Klosterneuburg<br />
als Drehort.<br />
Sommerlicher Mittelpunkt:<br />
Durch raumhohe Schiebetüren<br />
öffnet sich der<br />
Wohnbereich zum Pool.<br />
14 STEIN TIME 1 I 08
Der Gebäudesockel ist mit<br />
dem Kalkstein Mocca Creme<br />
verkleidet. Die schräge<br />
Außenverkleidung ruht auf<br />
einer Stahl-Unterkonstruktion.<br />
WÄRE ES NACH DEN PLÄNEN KAI-<br />
SER KARLS VI. GEGANGEN, hätte Klosterneuburg<br />
eine herrschaftliche Residenz<br />
im Stil des Escorial erhalten. Der<br />
Tod des Kaisers brachte das Projekt<br />
zum Stocken und im Weinbauerstädtchen<br />
vor den Toren Wiens blieb<br />
es ruhig. Erst als sich gut verdienende<br />
Städter jenseits des Leopoldberges niederließen,<br />
ging es aufwärts mit Klosterneuburg.<br />
Dennoch suchte man trotz<br />
kaufkräftiger Einwohner bis vor wenigen<br />
Jahren vergeblich nach moderner Wohnarchitektur.<br />
Inzwischen ist das anders.<br />
Dank Fernsehwerbung ist ein Einfamilienhaus<br />
im Leopoldsgraben der neue<br />
Star und jedem Fernsehzuschauer in<br />
ganz Österreich zumindest als beeindruckende<br />
Kulisse bekannt.<br />
An einem unverbauten Südhang erhebt<br />
sich die von Architekt Andreas Schmitzer<br />
2006 ausgeführte Villa. Das leuchtend<br />
weiße Haus scheint über dem<br />
schräg abfallenden Grundstück zu schweben.<br />
Ein Fensterband unterstreicht<br />
zusätzlich diesen Eindruck. Drei Ebenen<br />
gliedern das geräumige Gebäude mit<br />
einer Nutzfläche von 470 Quadratmetern.<br />
Der Gebäudesockel liegt halb im<br />
Hang. Von der Einfahrt aus führt eine<br />
ebenfalls in <strong>Naturstein</strong> ausgeführte<br />
Treppenanlage zum Haupteingang. Terrassen<br />
verbinden das Gebäude zu allen<br />
Seiten nahtlos mit der umliegenden<br />
Landschaft. Das mittlere Stockwerk<br />
kragt weit über das Erdgeschoss hinaus<br />
und beherbergt zwei Kinderzimmer,<br />
Gästezimmer und Bibliothek.<br />
15
HÄUSER<br />
ARCHITEKT<br />
Andreas Schmitzer<br />
project A 01 architects<br />
1060 Wien<br />
NATURSTEINARBEITEN<br />
Rada <strong>Naturstein</strong> GmbH<br />
2170 Poysdorf<br />
Der Blick auf die<br />
Nordseite zeigt<br />
den unverbauten<br />
Blick ins Tal.<br />
Das oberste Stockwerk mit Schlaf- und<br />
Badezimmer der Eltern thront zum Hang<br />
nach hinten versetzt und bietet einen<br />
freien Blick über das Tal.<br />
Im Erdgeschoss bildet eine zentrale,<br />
nach Westen orientierte Wohnhalle den<br />
Mittelpunkt der Wohnbereiche. Abstufungen<br />
im Fußboden teilen sie in verschiedene<br />
Funktionsbereiche wie Wohnen<br />
und Lounge auf. Die Wohnhalle<br />
ragt bis in den ersten Stock hinauf.<br />
Nur durch raumhohe Schiebetüren<br />
abgetrennt leitet ein lang gestrecktes<br />
Schwimmbecken vom Wohnbereich in<br />
den Garten über. Es ist direkt an das<br />
Gebäude herangeführt. Vom Wohnbereich<br />
nur durch eine schräge Rampe als<br />
Raumteiler abgetrennt bildet die Küche<br />
eine Einheit mit Essplatz und Frühstücksterrasse.<br />
Frei im Raum angeordnete, unverkleidete<br />
Stahlsäulen bilden einen Teil der<br />
tragenden Struktur der Obergeschosse.<br />
Die Individualräume geben den Blick<br />
auf das Tal frei, die Wohnhalle öffnet<br />
sich zum Schwimmbecken. Garage und<br />
Fitnessraum befinden sich im Untergeschoss<br />
unterhalb der Terrasse. Ein Plexiglasfenster<br />
im Pool gibt den Blick in<br />
den Fitnessraum frei und dient gleichzeitig<br />
als dessen Beleuchtung.<br />
Dominierende Farben im gesamten<br />
Gebäude sind Weiß und Beige. Passend<br />
dazu suchte der Architekt einen<br />
hellen, aber nicht farblosen Kalkstein<br />
aus. Die Wahl fiel auf Mocca Creme mit<br />
sandgestrahlter Oberfläche. Schon bei<br />
der Treppenanlage und im Eingangsbereich<br />
gibt der helle Kalkstein bei Mauerverkleidungen,<br />
Böden und Stufen den<br />
Ton an. Im Innenraum setzt sich dieser<br />
Eindruck fort: Die Oberflächen des Erdgeschosses<br />
sind überwiegend mit Holz<br />
und <strong>Naturstein</strong> verkleidet. Im Kontrast<br />
dazu sind die Wände der oberen<br />
Geschosse matt weiß getüncht.<br />
Ein Hauptmerkmal des architektonischen<br />
Konzepts ist die Öffnung des<br />
Gebäudes zu seiner Umgebung. Über<br />
mehrere Terrassen und Balkone ist der<br />
direkte Zugang aus dem Gebäude in<br />
den Freiraum inszeniert. Damit nicht<br />
genug: Über der Gallerie im ersten<br />
Stockwerk befindet sich ein fast zehn<br />
Quadratmeter großes Schiebedach aus<br />
Glas. Bei schönem Wetter verwandelt<br />
es die Wohnhalle zu einem oben offenen<br />
Atrium. n<br />
16 STEIN TIME 1 I 08
Wohnhalle: Das Porträt aus<br />
Familienbesitz bildet über dem<br />
offenen Kamin einen Kontrapunkt<br />
zur kühlen <strong>Architektur</strong>.<br />
links: Waschtisch und<br />
Wandverkleidung im Badezimmer<br />
in der obersten<br />
Etage<br />
rechts: Mehr als eine<br />
Küche – Kochen und<br />
Essen werden inszeniert.<br />
MOCCA CREME<br />
Mocca Creme ist ein portugiesischer<br />
Kalkstein aus der Nähe von Lissabon.<br />
Sein Erscheinungsbild ist<br />
homogen, alle gängigen Oberflächenbearbeitungen<br />
sind möglich.<br />
Das Farbspektrum reicht von Beige<br />
bis Hellbraun. Mocca Creme wird<br />
häufig für Wandverkleidungen und<br />
Böden im Innenbereich eingesetzt.<br />
17
HÄUSER<br />
MODERNE<br />
DIPLOMATIE<br />
VON JÖRG STEPHAN<br />
Nicht immer hat es Neues leicht,<br />
sich gegen das Althergebrachte zu<br />
behaupten. Bauherren und Architekten,<br />
die Neues wagen wollen, brauchen<br />
einen erfahrenen Diplomaten als<br />
Verbündeten: <strong>Naturstein</strong> aus der Region.<br />
WIE VIELE ORTE GIBT ES, von denen<br />
selbst vielseitig interessierte Mitmenschen<br />
noch nie gehört haben? Sondershausen<br />
beispielsweise. Fast verborgen<br />
in Thüringen gelegen, berichtet es von<br />
seiner eigenen Geschichte, dass der<br />
Wirkungskreis seiner Bürger zu keiner<br />
Zeit über den örtlichen oder regionalen<br />
Rahmen hinauswuchs. Dabei gäbe es<br />
durchaus Berichtenswertes, nicht nur<br />
von der überstandenen Beulenpest und<br />
den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges<br />
sondern auch von wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Blütezeiten unter den<br />
Fürsten des Hauses Schwarzburg, kultursinnigen<br />
Herrschern, denen man<br />
immerhin die Existenz eines Renaissanceschlosses<br />
verdankt. Bildende<br />
Künstler und Literaten, deren Namen<br />
jenseits der Stadtgrenzen längst in Vergessenheit<br />
gerieten, fanden hier Inspiration<br />
und Mäzene. Bauliche Pflege und<br />
Entwicklung des einstigen Residenzstädtchens<br />
lagen sogar zeitweilig in den<br />
Händen eines Schülers Karl Friedrich<br />
Schinkels. Ein Ort mit einer gewissen<br />
Tradition also, welchem hier mit angemessenem<br />
Stolz gedacht wird.<br />
Natürlich haben auch in Sondershausen<br />
die Großereignisse der jüngeren<br />
Geschichte Spuren hinterlassen. Kalibergbau<br />
und eine kleine, aber spezialisierte<br />
Elektroindustrie machten die<br />
Stadt zum Ziel alliierter Bomberkommandos,<br />
deren Einsätze erhebliche Kollateralschäden<br />
an der historischen Bausubstanz<br />
zur Folge hatten. Was danach<br />
Tradition und Zeitgeist im Dialog<br />
– der Stein moderiert.<br />
ARCHITEKTEN<br />
Schettler & Wittenberg<br />
D-99423 Weimar<br />
noch an real existierenden Baudenkmälern<br />
vorhanden war, wurde in den Siebzigerjahren<br />
durch großflächige Abrissaktionen<br />
zugunsten arbeiter- und bauerngerechter<br />
Plattenbauten weiter dezimiert.<br />
Der verbliebene Bestand wird<br />
nun – im Rahmen der begrenzten kommunalen<br />
Finanzmittel – gehegt und<br />
gepflegt. Was an Neubauten nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg entstand, ist in seiner<br />
nüchternen Zweckdienlichkeit in<br />
jeder west- wie ostdeutschen Stadt<br />
anzutreffen und zeugt von deutsch-deutschen<br />
Gemeinsamkeiten schon weit vor<br />
der Wende.<br />
Doch heutzutage ist die Provinz auch<br />
nicht mehr, was sie mal war. World-<br />
Wide-Web und Highspeed-DSL lassen<br />
Trends und Tendenzen in Echtzeit um<br />
den Globus sausen. Was gestern noch<br />
hip war in Shanghai ist heute schon ein<br />
alter Hut in Paderborn. Dass also zeitgenössische<br />
<strong>Architektur</strong> nach Sondershausen<br />
findet, ist schon auf den zweiten<br />
Blick keine echte Überraschung<br />
mehr. Beinahe schon folgerichtig<br />
erscheint einem dieser Umstand sogar,<br />
wenn man erfährt, dass Architekten<br />
18 STEIN TIME 1 I 08 19
HÄUSER<br />
aus Weimar im Spiel sind. Lobenswert,<br />
wer jetzt an Schiller und Goethe denkt,<br />
den entscheidenden Hinweis aber liefert<br />
das Wort »Bauhaus«. Denn Anke<br />
Schettler und Thomas Wittenberg studierten<br />
nicht nur an der Bauhaus Universität<br />
in Weimar. Mit dem »Haus am<br />
Horn« – 1923 von Georg Muche entworfen<br />
– sanierten sie auch eines der<br />
wenigen verbliebenen Zeugnisse dieser<br />
Ära. Architekten, die aus Haltung,<br />
Anspruch und Qualitätsbewusstsein ein<br />
Konzept entwickelt haben, das in Zeiten<br />
permanenter Flaute auf dem Bausektor<br />
immerhin ein 15-köpfiges Büro<br />
in Weimar am Laufen hält. So was<br />
nennt man wohl ein Erfolgskonzept.<br />
Bauherren, die sich solche Architekten<br />
aussuchen, erwarten folgerichtig nicht<br />
irgendein Haus. Bauherrn, die zwei kleinere,<br />
aber sehr erfolgreiche Unternehmen<br />
führen und die für sich und ihre<br />
zwei Kinder ein Zuhause suchen. Menschen,<br />
die imstande sind, ein klar defi-<br />
niertes Raumprogramm aufzustellen,<br />
und die wissen, was sie wollen und wissen,<br />
was ihnen gefällt. Nicht die leichtesten<br />
Kunden für Architekten, aber<br />
gute Teams zeichnen sich nicht dadurch<br />
aus, dass man es sich einander leicht<br />
macht, sondern durch die Qualität ihrer<br />
Projekte. Was das angeht, steht die Leistung<br />
dieses Teams außer Frage.<br />
GRADLINIG UND OFFEN<br />
Der erste Eindruck, den das Gebäude<br />
vermittelt, ist der von Selbstbewusstsein.<br />
Dieses Haus versteckt sich nicht,<br />
es spricht offen und unverstellt von<br />
Erfolg und denjenigen, die ihn erzielt<br />
haben. Diese Botschaft ist aber nur ein<br />
unvermeidbarer Nebeneffekt, denn der<br />
eigentliche Zweck dieses Hauses ist<br />
es, seinen Bewohnern als Heim zu dienen.<br />
Hohles Pathos und aufdringliche<br />
Gesten waren hier unerwünscht, alles<br />
ist von unaufdringlicher Klarheit und<br />
Konsequenz. Und so ist dieses Haus<br />
Der erste Eindruck, den das Gebäude<br />
vermittelt, ist der von Selbstbewusstsein.<br />
auf den zweiten Blick gesehen sicher<br />
nicht zurückhaltend, aber doch, bei<br />
aller Großzügigkeit seiner Anlage: angemessen.<br />
Auch im Inneren nur Klarheit und<br />
Geradlinigkeit. Ein luftig-offenes Raumkonzept,<br />
fließende Übergänge wo möglich<br />
und Trennungen wo unverzichtbar,<br />
alles unterstrichen von kleinen, aber<br />
konsequenten Detaillösungen wie den<br />
raumhohen Türöffnungen. Und immer<br />
wieder ein geschickt inszenierter, weiter<br />
Ausblick auf die umliegenden Gärten,<br />
Wiesen und Wälder. Alle Räume haben,<br />
mit Ausnahme der zur Straße gewandten<br />
Seite, großzügige Fensteröffnungen.<br />
Höhepunkt ist der vollständig verglaste<br />
Wohnraum, der als transparenter Kontrapunkt<br />
in die <strong>Naturstein</strong>kuben geschoben<br />
wurde und die Offenheit schließlich<br />
von innen in den Außenbereich hinausführt.<br />
Alles in allem: eine beispielhafte<br />
Neuinterpretation der bürgerlichen Villa<br />
in einer globalisierten Gesellschaft.<br />
20 STEIN TIME 1 I 08<br />
MITTEN IN DER LANDSCHAFT<br />
Häuser wie dieses können in einem<br />
Umfeld aus mittelalterlicher Kernsiedlung<br />
und Sechzigerjahre-Beliebigkeit wie<br />
Fremdkörper wirken, verirrte Boten aus<br />
weit entfernten Gegenden. Auch dieses<br />
Haus gliedert sich sicher nicht nahtlos<br />
in seine Umgebung ein. Flache Dächer,<br />
eine sich den Hang hochstaffelnde<br />
Folge kubischer Baukörper – das sieht<br />
man sonst nicht oft in Sondershausen.<br />
Trotzdem steht es mit ruhiger Selbstverständlichkeit<br />
da und vermittelt den<br />
Eindruck, natürlicher Bestandteil eines<br />
Großen und Ganzen zu sein. Verantwortlich<br />
dafür ist sicher auch der für<br />
die Fassadenbekleidung verwendete<br />
Thüringer Travertin. »Unsere <strong>Architektur</strong><br />
geht immer vom Ort und seinen Gegebenheiten<br />
aus. Die Materialien fügen<br />
sich in diese Ordnung ein«, sagt Architekt<br />
Thomas Wittenberg. Für ihn sind<br />
es die sinnlichen Qualitäten – Haptik<br />
und Optik, die diesen Stein auszeichnen:<br />
»Durch seine vielfältigen fossilen<br />
Ob Sichtbeton, Holz oder<br />
Glas: Dem aktuellen<br />
Materialrepertoire<br />
steht <strong>Naturstein</strong> als<br />
zeitgemäßer<br />
Begleiter zur Seite.<br />
Einschlüsse ist er ein sehr lebendiger<br />
Stein – seine Färbung korrespondiert<br />
mit der Landschaft.« Dass diese Korresspondenz<br />
lebendig ist und auch über<br />
die Grenzen Thüringens hinaus gehört<br />
wird, zeigt die lobende Erwähnung des<br />
Hauses bei der Verleihung des deutschen<br />
<strong>Naturstein</strong>preises 2007. »Zwischen<br />
historischem Ort, Siedlungsstruktur<br />
und Landschaft zu vermitteln<br />
und gleichzeitig Eigenständigkeit zu<br />
beweisen, ist eine besondere Leistung<br />
dieser Arbeit,« bemerkte die Jury.<br />
Und so wird die Stadt Sondershausen<br />
endlich wahrgenommen von der Welt.<br />
Auch eine gute Gelegenheit für erfolgreiches<br />
Stadt-Marketing, sollte man<br />
meinen. Doch was findet sich, wenn<br />
man auf der städtischen Website nach<br />
»<strong>Naturstein</strong>« sucht? Einen Hinweis auf<br />
bevorstehende Pflasterarbeiten in der<br />
Bebra- und Lohstraße. Nicht jeder, der<br />
eine Flöte sein eigen nennt, kann auch<br />
Musik machen. Mancher pfeift eben<br />
drauf. n<br />
DER STEIN<br />
Thüringer Travertin ist ein hellgelbes,<br />
teilweise auch ockerfarbenes bis<br />
bräunlich-gelbes, lagiges, gestreiftes<br />
Kalkgestein, das von länglichen Poren<br />
durchzogen ist. Seit dem 12. Jahrhundert<br />
sind zahlreiche historische<br />
Gebäude aus diesem Material entstanden,<br />
darunter so bekannte Bauten wie<br />
das Rathaus in Berlin-Charlottenburg<br />
oder das Verwaltungsgebäude der Sektkellerei<br />
Henkel in Wiesbaden. Der gute<br />
Erhaltungszustand dieser Gebäude<br />
dokumentiert die Widerstandskraft<br />
dieses Steins gegen Umwelteinflüsse.<br />
Heute erlebt der Thüringer Travertin<br />
eine Renaissance, nicht nur in den<br />
neuen deutschen Bundesländern.<br />
21
HÄUSER<br />
Mit Anspruch<br />
VON JÖRG STEPHAN<br />
Generalübernehmer, Projektentwickler<br />
und Bauträger hatten den Begriff fast<br />
schon zum Unwort werden lassen. In<br />
Bonn am Rhein hat Uwe Schröder sie nun<br />
glanzvoll rehabilitiert: die Villa.<br />
WER HAT DAS WORT »VILLA« ER-<br />
FUNDEN? Die alten Römer ausnahmsweise<br />
einmal nicht. Denn schon im antiken<br />
Kreta war der Begriff der »Villa«<br />
Synonym für herrschaftliche Wohnkultur<br />
abseits der lärm- und schmutzerfüllten<br />
urbanen Zentren. Aber römischer Erfindungsgeist<br />
hat den Bautypus zu seiner<br />
ersten Blüte weiterentwickelt mit technischen<br />
Raffinessen wie Zentralheizung<br />
und Kanalisation. Zivilisatorische Errungenschaften,<br />
mit denen unsere barbarischen<br />
Vorfahren so wenig anzufangen<br />
wussten, dass sie sie später als Steinbruch<br />
missbrauchten oder aus rein<br />
sportlichem Ehrgeiz in Trümmer schlugen.<br />
Doch mit ihrer Wiedererweckung<br />
im Rinascimento begann der Stern der<br />
Villa am <strong>Architektur</strong>himmel neu zu<br />
glänzen: Alberti, Palladio, Schinkel,<br />
Luytens als Klassiker, Le Corbusier,<br />
Mies van der Rohe oder Richard Neutra<br />
als moderne Adepten schufen mit ihren<br />
Villen Bauten, die <strong>Architektur</strong>geschichte<br />
schrieben.<br />
Dann besannen sich clevere Marketingstrategen<br />
des Begriffs. Und plötzlich<br />
gab es sie zuhauf: Jeder Vorort, jedes<br />
Neubaugebiet, ja ganze mediterrane<br />
Küstenstreifen wurden mit Villen,<br />
Luxusvillen und Superluxusvillen<br />
bebaut. Und zur Unterstützung des<br />
exklusiven Charakters beklebte man<br />
Das klar strukturierte,<br />
zweifach terrassierte<br />
Gebäude<br />
entspricht auf den<br />
ersten Blick nicht<br />
dem Klischeebild<br />
der klassischen<br />
Villa.<br />
alle möglichen und unmöglichen Teile<br />
der Häuser mit billigstem <strong>Naturstein</strong><br />
zweifelhafter Herkunft. So kommen<br />
Begriffe vor den Hund. Inzwischen<br />
muss man schon genau überlegen,<br />
ob man ein Architekten-Haus wirklich<br />
als Villa bezeichnen möchte, denn als<br />
Kompliment wird der Architekt dies<br />
nicht zwangsläufig verstehen.<br />
Uwe Schröder führt sein jüngstes, am<br />
Bonner Rheinufer errichtetes Werk<br />
auch folgerichtig unter der Bezeichnung<br />
»Haus auf der Hostert«. Und das klar<br />
strukturierte, zweifach terrassierte<br />
Gebäude entspricht auf den ersten<br />
Blick auch nicht dem Klischeebild der<br />
klassischen Villa. Die Eingangsfront mit<br />
ihren zwei sparsam gesetzten Öffnungen<br />
erinnert eher an ein minimalistisches<br />
Kunstwerk, die beiden Seitenfassaden<br />
sind von villenuntypischer<br />
Introvertiertheit. Die Gartenfronten mit<br />
den säulenbestandenen Terrassen<br />
22 STEIN TIME 1 I 08 23
HÄUSER<br />
DIE STEINE<br />
Die Gartenfront mit<br />
säulenbestandener<br />
Terrasse weckt erste<br />
Reminiszenzenso-<br />
wohl an Palladio als<br />
990 m2 Jurakalkstein,<br />
rahmweiß, Lage 15,<br />
an der Oberfläche grob<br />
geschliffen<br />
2100 m2 Kalkstein mit<br />
dem Handelsnamen<br />
»Belgisch Granit«, fein<br />
geschliffen<br />
auch das Bauhaus.<br />
24 STEIN TIME 1 I 08<br />
Was diesen Bau<br />
hervorhebt, ist die<br />
absolute Sicherheit,<br />
mit der Formen, Far-<br />
ben und Materialien<br />
beherrscht werden.<br />
wecken erste Reminiszenzen sowohl an<br />
Palladio als auch das Bauhaus. Doch<br />
auch hier: klare Strukturen. Keine Auflösung,<br />
kein fließender Übergang in die<br />
Natur, sondern eine kontrollierte Öffnung,<br />
gerahmt von Stützen und Balken.<br />
Diese Klarheit setzt sich im Inneren<br />
des Hauses fort, mit einer Konsequenz,<br />
die in der Grundrissgrafik fast überzogen<br />
wirkt, im Raum dann aber sanfte<br />
Kraft entfaltet. Hier herrscht keine dogmatische<br />
Strenge, die den Bewohner<br />
am Gängelband führt, sondern eine<br />
Unmissverständlichkeit, die ihm Orientierung<br />
verleiht.<br />
Das ist alles schon sehr außergewöhnlich.<br />
Was diesen Bau aber endgültig<br />
hervorhebt, ist die absolute Sicherheit,<br />
mit der Formen, Farben und Materialien<br />
beherrscht werden. Es gibt keine zweitbeste<br />
Lösung, keine erkennbaren Kompromisse,<br />
keinen Punkt, von dem<br />
schwäbische Baumeister sagen würden<br />
»des isch halt so worre«. Und wenn es<br />
sie doch geben sollte, so bleiben sie<br />
das Geheimnis des Architekten. Auch<br />
geht es nicht um vordergründige Exklusivität.<br />
Die verwendeten <strong>Naturstein</strong>e<br />
beispielsweise, Jura Kalkstein und Belgisch<br />
Granit, sind keine hochglänzenden,<br />
repräsentativen Exoten. Gemessen<br />
an der zunehmenden Internationalisierung<br />
des Steinhandels können sie fast<br />
als lokale Größen gelten. Für Schröder<br />
ein wichtiger Punkt: Das Material soll<br />
seine Bauten »verorten«, Identität stiften.<br />
Die Steinflächen, durch ihre zurückgenommene,<br />
geschliffenen Optik tragen<br />
wesentlich dazu bei. Das verwendete<br />
Eichenholz, naturbelassen zum rahmweißen<br />
Jura, dunkel geräuchert zum<br />
schwarzbraunen belgischen Stein,<br />
wurde in diesem Sinne gewählt.<br />
Dies setzt sehr viel planerisches Wissen<br />
voraus und braucht Partner, die ihr<br />
Handwerk mit Anspruch und Selbstbewusstsein<br />
ausüben. Erst so kann aus<br />
einem reinen Baustoff ein Material<br />
werden, das sowohl funktional als auch<br />
emotional überzeugt. Und natürlich<br />
braucht man Bauherren, die dies nicht<br />
nur zu schätzen wissen, sondern die<br />
auch bereit sind, ihren Beitrag zu leisten.<br />
Und damit sind nicht Architektenhonorar<br />
und Handwerkerrechnungen<br />
gemeint. Vielmehr geht es um die<br />
Formulierung der eigenen Bedürfnisse,<br />
der Vorstellung, wie ein Haus beschaffen<br />
sein muss, das diesen gerecht wird<br />
und die Fähigkeit besitzt, beides nachvollziehbar<br />
artikulieren zu können.<br />
Wenn also alle diese Voraussetzungen<br />
erfüllt sind, können auch heute Bauten<br />
von vornehmem und kultiviertem Charakter<br />
entstehen – mit einem Wort:<br />
Villen im besten Sinne des Wortes. n<br />
<strong>Naturstein</strong> prägt den Bau<br />
auch im Inneren: Jura-<br />
kalkstein am Boden und<br />
am Wandsockel des Ein-<br />
BAUHERR<br />
Privat<br />
ARCHITEKTEN<br />
Uwe Schröder<br />
D-53113 Bonn<br />
gangsbereiches.<br />
25
HÄUSER<br />
Kellerei und Hotel Marqués de Riscal<br />
<strong>Architektur</strong> außer<br />
Rand und Band<br />
VON ANNE-MARIE RING<br />
Marqués de Riscal ist das traditionsreichste der berühmten Rioja-<br />
Häuser. Im Jahr 1860 ließ Don Camilo Hurtado de Amézaga,<br />
Marqués de Riscal, nach einem längeren Aufenthalt in Frankreich<br />
in seinem Heimatort Elciego eine Bodega nach dem Vorbild der<br />
großen Weingüter des Bordeaux errichten. Die nachweislich<br />
älteste Rioja-Kellerei beliefert auch das spanische Königshaus.<br />
Wer das Hotel vor Ort ansehen will, sollte sich unbedingt -<br />
anmelden, da man sonst zwar auf das Grundstück der Bodega<br />
kommt (z.B. wenn man Wein verkosten oder kaufen will), aber<br />
nicht einmal annähernd in die Nähe des Hotels gelassen wird:<br />
Der große Andrang von Schaulustigen hat die Besitzer zu<br />
dieser Sicherheitsmaßnahme veranlasst.<br />
Für die einen ist es die teuerste<br />
Wellblechbude der Welt, für die<br />
anderen das Nonplusultra zeitgemäßer<br />
corporate architecture – der<br />
»neue Gehry« bei Elciego, einem 900-<br />
Seelen-Dorf in der baskischen Provinz<br />
Àlava, setzt mit seinem Dach aus<br />
gebogenen Titanblechstreifen der<br />
traditionsreichen Rioja-Kellerei des<br />
Marqués de Riscal ein spektakuläres<br />
Denkmal. Ob der Entwurf nun Weinkenner<br />
und <strong>Architektur</strong>liebhaber auf<br />
die gleiche Wellenlänge bringt, sei<br />
einmal dahingestellt.<br />
26 STEIN TIME 1 I 08
DER MARQUÉS DE RISCAL folgte dem<br />
Beispiel renommierter Wettbewerber:<br />
Die Rioja-Kellerei Chivite hatte den<br />
spanischen Architekten Rafael Moneo<br />
beauftragt, ihrer Produktionsstätte das<br />
Dach einer modernen Weinkathedrale<br />
überzustülpen. Die Bodegas Ysios<br />
zogen mit einem Entwurf von Santiago<br />
Calatrava, dessen Wellendach das Auf<br />
und Ab der Bergketten ringsum widerspiegelt,<br />
nach. Das vielfach gebogene,<br />
silbern, golden und rosé glänzende Titandach<br />
der »Ciudad del Vino« des Marqués<br />
de Riscal beherbergt eine Kellerei, ein<br />
Hotel mit 43 Gästezimmern, ein exklusives<br />
Restaurant, Konferenz- und Bankettsäle<br />
sowie ein »Weintherapie-Spa« –<br />
was will man mehr? Vielleicht noch ein<br />
paar Dinero, um sich den Besuch leisten<br />
zu können? Denn Geld spielte offensichtlich<br />
keine Rolle bei der Umsetzung<br />
dieses ambitionierten Entwurfs, mit<br />
dem das 1858 gegründete Familienunternehmen<br />
die Weichen in Richtung<br />
Zukunft stellt. Die Werbemaschinerie<br />
war schon lange vor der Eröffnung<br />
angelaufen, und die Besucher strömen.<br />
Im Vertrauen auf den »Bilbao-Effekt«<br />
war der kalifornische Architekt Frank<br />
O. Gehry im Direktverfahren mit dem<br />
Entwurf eines neuen Besucherzentrums<br />
beauftragt worden. Schon das im Sommer<br />
des Jahres 2000 präsentierte<br />
27
HÄUSER<br />
MATERIALIEN<br />
Zum Einsatz kam ausschließlich<br />
Vilviestone Sandstein in folgenden<br />
Spezifikationen:<br />
3.500 m2 Fassadenbekleidung,<br />
verankert; 4 cm dick<br />
1.000 m2 Außenbeläge,<br />
vermörtelt; 4 cm dick<br />
800 m2 Außenbeläge,<br />
im Sandbett verlegt; 5 cm dick<br />
200 m2 Innenbeläge,<br />
im Mittelbettmörtel; 3 cm dick<br />
400 m2 Säulenverkleidungen;<br />
4 cm dick<br />
Die kühne Dachkonstruktion<br />
aus scheinbar<br />
schwebenden<br />
Titan- und Edelstahlblechen<br />
dient als<br />
außenliegender<br />
Sonnenschutz.<br />
Modell schlug heftige Wellen, die weit<br />
über die Landesgrenzen hinaus bis ins<br />
New Yorker Museum of Modern Art<br />
schwappten, wo im Rahmen der Ausstellung<br />
»New Spanish Architecture«<br />
ein 2:3-Modell eines Knotenpunkts der<br />
Baldachinkonstruktion gezeigt wurde.<br />
UNVERKENNBARE LANDMARKE<br />
Von Weitem sichtbar ist das Markenzeichen<br />
des Projekts, die geschwungenen<br />
Bänder aus rosé bis violett und goldfarben<br />
beschichtetem Titanblech sowie<br />
silberfarbenem Edelstahlblech, die sich<br />
auf eine Reihe filigraner Stahlpfeiler<br />
stützen. Doch die eigentliche Tragkonstruktion<br />
bleibt dem Besucher verborgen:<br />
Drei mächtige Betonpfeiler – sie<br />
reichen acht Meter tief ins Erdreich und<br />
nochmals acht Meter in die Höhe –<br />
führen entlang des Foyers zur dritten<br />
Etage. Ins Auge fallen demgegenüber<br />
die vier ineinandergeschobenen Prismen<br />
aus Stein und Glas, die die raumbildende<br />
Struktur ausmachen. Für die<br />
Realisierung hat Gehry die gleichen<br />
Materialien gewählt wie schon für das<br />
Guggenheim-Museum in Bilbao, allerdings<br />
mussten die Bänder aus Titanblech<br />
und Inox in den Firmenfarben des<br />
Marqués de Riscal beschichtet werden:<br />
Rosa steht für die Farbe des Weins,<br />
Gold für das Drahtgeflecht, das die<br />
Flaschen umhüllt, und Silber schließlich<br />
für die bleierne Kapsel, die Kork bzw.<br />
Wein vor dem Eindringen von Sauerstoff<br />
schützt. Die scheinbar schwebenden<br />
Baldachine, deren architektonische<br />
Funktion der Sonnenschutz ist, werden<br />
durch große <strong>Naturstein</strong>flächen gleichsam<br />
»geerdet«.<br />
MASS HALTEN MIT NATURSTEIN<br />
Als Boden- und Wandverkleidung, im<br />
Innen- und Außenbereich, wurde Vilviestone<br />
Sandstein verlegt; je nach Anforderung<br />
in Dicken von drei, vier und fünf<br />
Zentimetern, »immer aber – abgesehen<br />
von wenigen Ausnahmen – im durchgängigen<br />
Format von 60 x 80 Zentimetern«,<br />
sagt Carlos Izquierdo, Exportleiter<br />
von Areniscas de los Pinares. Das<br />
Unternehmen war mit der Lieferung,<br />
Konfektionierung und Verlegung des<br />
<strong>Naturstein</strong>s beauftragt. »Nur für den<br />
Wandabschluss kam ausnahmsweise<br />
das Format von 110 x 60 Zentimetern<br />
zum Einsatz. Was die <strong>Naturstein</strong>arbeiten<br />
anbelangt, so handelt es sich um<br />
unser erstes Projekt, wo die Gebäude-<br />
28 STEIN TIME 1 I 08
HÄUSER<br />
Der Gebäudekomplex<br />
besteht aus mehreren<br />
ineinandergeschobenen<br />
Quadern, die mit Sandstein<br />
verkleidet sind.<br />
BAUHERR<br />
Vinos de los Herederos del<br />
Marqués de Riscal, Rioja Alavesa<br />
ENTWURFSARCHITEKTEN<br />
Gehry Partners, LLP<br />
USA-Los Angeles<br />
AUSFÜHRENDE ARCHITEKTEN<br />
IDOM<br />
E-Bilbao<br />
maße ein Vielfaches des Steinformats<br />
ausmachen. Das heißt, der Architekt<br />
hatte von Anfang an das Steinformat im<br />
Sinn.«<br />
GEHRY'S LIEBLINGSSTEIN<br />
Vilviestone ist ein stark quarzhaltiger<br />
(96%) Sandstein von mittel- bis feinkörniger<br />
Struktur und goldbrauner<br />
Farbe. Er wird in Vilviestre del Pinar<br />
(Burgos) abgebaut und von dem ebenfalls<br />
spanischen Unternehmen Areniscas<br />
de los Pinares bei Burgos verarbeitet.<br />
Von den knapp 6.000 georderten<br />
Quadratmetern wurden rund 3.500<br />
Quadratmeter (in drei Zentimeter Dicke<br />
gesägt) als hinterlüftete Fassadenkonstruktion<br />
montiert. Als Bodenbelag<br />
wurden die Steine geschliffen und im<br />
Außenbereich teils vermörtelt (1.000<br />
Quadratmeter in vier Zentimeter Dicke),<br />
teils lose im Sandbett verlegt (800<br />
Quadratmeter in fünf Zentimeter Dicke).<br />
Im Innenbereich wurde die Dicke der<br />
Bodenplatten auf drei Zentimeter reduziert.<br />
Darüber hinaus sind die drei<br />
tragenden Betonstützen mit dem hellen<br />
Sandstein verkleidet.<br />
»Die eigentliche Herausforderung«, so<br />
Carlos Izquierdo weiter, »bestand in der<br />
Farbsortierung. Natürlich wurden die<br />
Platten für einen Bereich auch aus dem<br />
gleichen Block gesägt. Schwierig wurde<br />
es bei aneinander angrenzenden Bereichen<br />
bzw. Übergängen, die miteinander<br />
harmonieren mussten. Nach dem erfolgreichen<br />
Abschluss dieser Verlegearbeiten<br />
sehen wir künftigen Projekten<br />
entspannt entgegen.« n<br />
30 STEIN TIME 1 I 08
HÄUSER<br />
Musée d’Art Modern in Luxemburg<br />
Futurismus<br />
auf Fortmauern<br />
VON ANNE-MARIE RING Drei Museen, ein Stein: Magny<br />
Doré aus dem französischen Jura<br />
wird inzwischen auch als »Magny<br />
le Louvre« gehandelt. Auf Paris folgten<br />
Projekte in Berlin und Luxemburg.<br />
32 STEIN TIME 1 I 08
DAS MUSÉE D'ART MODERN in<br />
Luxemburg, kurz: Mudam, ist Ieoh Ming<br />
Peis drittes Projekt in Europa: Vorausgegangen<br />
sind der Umbau des Grand<br />
Louvre und die Gesamtkonzeption des<br />
Deutschen Historischen Museums.<br />
Und wie schon bei den beiden anderen<br />
Projekten, so spielt auch im Großherzogtum<br />
<strong>Naturstein</strong> gestalterisch eine<br />
Hauptrolle: Sowohl die Fassaden der<br />
geschlossenen Baukörper als auch<br />
viele Wände und Böden im Inneren sind<br />
mit einer <strong>Naturstein</strong>verkleidung aus fein<br />
geschliffenem französischem Kalkstein<br />
»Magny Le Louvre« versehen.<br />
Das Musée d’Art Moderne Grand-Duc<br />
Jean steht auf den Außenmauern des<br />
ehemaligen Fort Thüngen in der Nähe<br />
des Place de l’Europe auf dem Kirchbergplateau.<br />
Dieses Fort war einst<br />
wichtiger Bestandteil der Befestigungsanlagen<br />
Luxemburgs und symbolisiert<br />
drei Jahrhunderte Militärgeschichte. Als<br />
im Jahr 1867, als Luxemburg durch<br />
den Vertrag von London zu neutralem<br />
Gebiet wurde, erfolgte die Schleifung<br />
der Festungsanlagen. Erst mit dem Bau<br />
des Musée d’Art Moderne Grand-Duc<br />
Jean wurden sie wieder freigelegt und<br />
teilweise auch rekonstruiert. Der Entwurf<br />
von Pei nimmt das historische<br />
Gefüge auf und vollendet es in der ihm<br />
eigenen <strong>Architektur</strong>sprache. Dazu Pei<br />
wörtlich: »Am meisten hat mich das<br />
Wechselspiel zwischen Vergangenheit<br />
und Gegenwart, zwischen Vergangenheit<br />
und Zukunft fasziniert. Die Vergangenheit<br />
ist durch das Fort Thüngen mit<br />
den Drei Eicheln gegenwärtig, und ich<br />
bewundere die Arbeit Vaubans, von<br />
dem die Pläne für den Grundriss stammen.<br />
Was mich interessiert, ist die<br />
Frage, wie man eine Harmonie zwischen<br />
Vergangenheit und Gegenwart<br />
schaffen kann, in der sie sich gegenseitig<br />
verstärken.«<br />
Peis Entwurf verbindet den<br />
historischen Bestand mit<br />
zeitgenössischer <strong>Architektur</strong>.<br />
STEIN, SICHTBETON UND GLAS<br />
Der Entwurf Peis stützt sich auf das<br />
Fundament der Außenmauern des<br />
Festungsgebäudes, das in Form eines<br />
Pfeils angelegt war. Daraus ergibt sich<br />
ein Baukörper mit v-förmigem Grundriss,<br />
der sich nun über den Ruinen<br />
erhebt. Zwei Brücken, zur Pfeilspitze<br />
des Neubaus hin aufeinander zulaufend,<br />
überbrücken die ehemaligen<br />
Festungsgräben. Nach dem Durchschreiten<br />
des eher knapp bemessenen<br />
Eingangsbereichs mit Empfang und Garderobe<br />
gelangt der Besucher in einen<br />
hohen, lichtdurchfluteten Raum, die sogenannte<br />
»Grand Hall«. Während Boden<br />
und Wände der Grand Hall nahezu vollständig<br />
mit <strong>Naturstein</strong> verkleidet sind,<br />
schließt eine bemerkenswerte verglaste<br />
Stahlkonstruktion den Raum nach oben<br />
– auf einer Höhe von 33 Metern. Im<br />
Bereich rechts der Grand Hall befindet<br />
sich eine weitere beeindruckende Glaskonstruktion:<br />
Wegen des gerundeten<br />
Grundrisses des Saales, der sich durch<br />
den Verlauf des ehemaligen Fundaments<br />
ergab, war Pei gezwungen, die<br />
gläserne Fassade der Wölbung folgen<br />
zu lassen. Dieser Raum beherbergt das<br />
Museumscafé und daran anschließend<br />
einen Saal, der gleichzeitig Ausstellungsraum<br />
und Museumsladen ist. Alle<br />
übrigen Ausstellungsräume erschließen<br />
sich direkt von der Grand Hall aus,<br />
allerdings ohne festgelegten Rundgang.<br />
Die zahlreichen Treppen und Übergänge<br />
zwischen den Ebenen und Räumen sind<br />
ein zentrales Element des Entwurfs: Als<br />
33
HÄUSER<br />
BAUHERR<br />
Ministère des Travaux<br />
publics, L-Luxemburg<br />
ARCHITEKTEN<br />
Pei Cobb Freed and Partners<br />
in Zusammenarbeit<br />
mit Georges Reuters<br />
Architects, L-Luxemburg<br />
MATERIALIEN<br />
Kalkstein Magny Doré<br />
4.350 m 2 Fassadenplatten, 3,5 cm<br />
dick<br />
2.500 m 2 Innenplatten, 3,5 cm dick<br />
4.900 m 2 Innenplatten, 3 cm dick<br />
Mason-Granit<br />
1.500 m 2 Sockelverkleidung und<br />
Bodenplatten im Eingangsbereich<br />
Pietra di Bedonia<br />
400 m 2 in den Sanitärbereichen<br />
Pei mit der Planung des Museums<br />
beauftragt wurde, war die Sammlung<br />
des Mudam noch nicht sehr umfangreich.<br />
So war es nicht möglich, »maßgeschneiderte«<br />
Räume für bestimmte<br />
Kunstwerke zu entwerfen und einen<br />
Rundgang zu definieren. Insgesamt bietet<br />
der Neubau etwa 4.800 m 2 öffentlich<br />
zugängliche Bereiche und Ausstellungsflächen<br />
auf drei Ebenen. Die beiden<br />
Ausstellungssäle im ersten Stock<br />
sind über eine Treppe aus der Grand<br />
Hall oder über Seitentreppen zu erreichen,<br />
die schon für sich betrachtet<br />
architektonische Meisterwerke sind;<br />
Gleiches gilt für die runde Treppe nach<br />
unten, wo den Besucher eine eher<br />
gedämpftere Atmosphäre erwartet:<br />
Raum für Kunstwerke wie Leuchtobjekte,<br />
Videoinstallationen und Arbeiten<br />
auf dem Gebiet der neuen Medien.<br />
Daneben befinden sich ein Vortragssaal<br />
mit 120 Plätzen und vorgelagertem<br />
Atrium, die Büros sowie die unterirdisch<br />
gelegenen Technikräume.<br />
NATURSTEIN AUF ALLEN EBENEN<br />
Natürliches Tageslicht und der warme<br />
Ton des französischen Kalksteins prägen<br />
das Raumgefühl in der Grand Hall,<br />
auf den Verkehrsflächen und nicht<br />
zuletzt auf den skulptural anmutenden<br />
Treppenanlagen. Die Qualität der Arbeit<br />
zeigt sich insbesondere in der Ausarbeitung<br />
der Details: Da ist zum Beispiel<br />
der in die leicht gebogene Wand aus<br />
massivem Stein eingearbeitete Handlauf<br />
der zu den oberen Ausstellungsräumen<br />
führenden Treppe, ein für den<br />
nicht mit der Materie vertrauten Besucher<br />
eher unscheinbares Detail, das<br />
dem Steinmetzen handwerklich eine<br />
äußerst präzise Linienführung abverlangt.<br />
Oder die exakten Fugen zwischen<br />
den sandgestrahlten und gebürsteten<br />
Steinen. Aber das bemerkenswerteste<br />
»Detail« ist zweifelsohne die Qualität<br />
des verlegten Materials. Jeder Stein –<br />
egal ob innen oder außen –, ist einzigartig<br />
und doch zeigt sich die verlegte<br />
Fläche bezüglich der Farbe und Textur<br />
von einer Ebenmäßigkeit, die unwillkürlich<br />
an einen Block erinnert. In diesem<br />
Sinn ist <strong>Naturstein</strong> wohl eines der wenigen<br />
Materialien, mit denen sich eine<br />
Gleichmäßigkeit herstellen lässt, die<br />
nicht Gefahr läuft, in die Gleichförmigkeit<br />
abzudriften. n<br />
34 STEIN TIME 1 I 08<br />
Foto: Claude Gargi/Pierre acutal
HÄUSER<br />
Maßstabslos wirken die vier<br />
Geschosse hohen Wände. Sie sind Teil<br />
eines durchaus riskanten Stils mit for-<br />
malen Analogien, zu denen auch die<br />
schmalen Fensterschlitze (Schießschar-<br />
ten) und die beiden vertikalen Ein-<br />
schnitte in die Baukörper von oben<br />
(übergroße Zinnen) gehören.<br />
Kunst- und Kulturzentrum in Sines<br />
Kontrollierte<br />
Implosion<br />
VON DORIS KLEILEIN<br />
Sines, die Geburtsstadt Vasco da<br />
Gamas, hat vor zwei Jahren eine<br />
»Festung« für die Kunst erhalten.<br />
Diesen Gebäudekomplex prägen zugleich<br />
räumliche Verschachtelungen und strukturelle<br />
Präzision.<br />
DICKE STEINMAUERN kannte man in der<br />
kleinen portugiesischen Hafenstadt Sines<br />
bislang von der Umfassung der im 15.<br />
Jahrhundert erbauten Festung und der<br />
hoch über der Strandpromenade gelegenen<br />
Altstadt. Den Eingang in diese Altstadt<br />
markiert seit 2006 eine Festung<br />
eigener Art: ein Ensemble aus weitgehend<br />
geschlossenen, steinernen Kuben – das<br />
Centro de Artes des Sines (CAS).<br />
Selten hat man ein öffentliches Gebäude<br />
gesehen, das so verschlossen, so stumm<br />
und doch so selbstverständlich seinen<br />
Platz einnimmt. Maßstabslos wirken die<br />
glatten, vier Geschosse hohen Wände in<br />
ihrer detailfreudigen Nachbarschaft, und<br />
doch sind sie nicht monumental. Sie sind<br />
Teil eines durchaus riskanten Spiels mit<br />
formalen Analogien, zu denen auch die<br />
schmalen Fensterschlitze (Schießscharten)<br />
und die beiden vertikalen Einschnitte<br />
in die Baukörper von oben (übergroße<br />
Zinnen) gehören. Die Architekten haben<br />
es geschafft, ihre Anspielungen auf die<br />
Festungsarchitektur so weit zu abstrahieren,<br />
dass sie nicht mehr figurativ<br />
erscheinen. Die Fassade aus dem<br />
sandfarbenen Kalkstein Lioz ist ohnehin<br />
nicht massiv, sondern das, was man in<br />
Berlin eine Steintapete nennt, zusammengesetzt<br />
aus 30 Millimeter dicken<br />
Platten in sieben verschiedenen Größen.<br />
Die Platten, aus einem Steinbruch<br />
nahe Lissabon stammend, ziehen sich<br />
von den Hauswänden herunter auf die<br />
Straße (hier sind sie doppelt so dick)<br />
und bilden um das neue Zentrum einen<br />
steinernen Teppich, der in die umliegenden<br />
Gassen ausfranst; eine Geste, die<br />
den Neubau einbindet und zugleich auf<br />
einen imaginären Sockel hebt. Kommt<br />
man von Norden, die kleinstädtische<br />
Markthalle durchquerend, hat man<br />
plötzlich ein anderes Pflaster unter den<br />
Sohlen; eines, das weniger nach Provinz<br />
klingt als nach dem hellen Parkett<br />
des internationalen Kunstbetriebs.<br />
DICHTES PROGRAMM<br />
Als die Architekten 1999 von der Verwaltung<br />
der 14.000-Einwohner-Stadt<br />
Sines mit dem Entwurf eines kulturellen<br />
Zentrums beauftragt wurden, standen<br />
sie zunächst vor einem Raumproblem:<br />
Sie mussten ein großes und<br />
heterogenes Programm (bestehend aus<br />
Stadtbücherei, Stadtarchiv, Kino- und<br />
Theatersaal und Ausstellungsflächen)<br />
auf zwei relativ kleinen, sich gegenüberliegenden<br />
Grundstücken an der Rua<br />
Cândido dos Reis unterbringen. Die<br />
historische Straße als wichtigste Verbindung<br />
zwischen Neustadt und Festung<br />
Die weitgehend geschlossenen<br />
Kuben des Centro de Artes ber-<br />
gen ein dichtes Programm mit<br />
Bibliothek, Auditorium, Archiv und<br />
Ausstellungsflächen. Das Café,<br />
das in dem kleinen schwarzen<br />
Häuschen neben den Steinkuben<br />
geplant ist, hat noch keinen<br />
Betreiber gefunden.<br />
war zu erhalten. Da der Bebauung in<br />
die Höhe Grenzen gesetzt waren, blieb<br />
nur die Tiefe. Die Architekten nutzten<br />
die zur Verfügung stehenden Flächen<br />
bis an die Grundstücksgrenzen aus und<br />
ordneten die Programme in vier parallelen<br />
Bändern an. Bibliothek, Archiv, Auditorium<br />
und Kunsthalle erstrecken sich<br />
jeweils über die Höhe von vier oberirdischen<br />
Geschossen, säuberlich voneinander<br />
getrennt durch die leicht schräg<br />
hindurchlaufende Straße und zwei Lichthöfe<br />
– nur um im Untergeschoss über<br />
einen einzigen großen, alles umfassenden<br />
Raum miteinander verbunden zu<br />
36 STEIN TIME 1 I 08 37
HÄUSER<br />
BAUHERR<br />
Stadtverwaltung Sines,<br />
P-Sines<br />
ARCHITEKTEN<br />
Manuel und Francisco<br />
Aires Mateus, P-Lissabon<br />
Die Bibliothek geht über vier<br />
Geschosse und orientiert<br />
sich zum Lichthof. Die<br />
schmalen Fensterschlitze<br />
sind schräg in die Außenwand<br />
geschnitten.<br />
werden. Dieser Raum läuft unter der<br />
Straße und den Höfen hindurch und ist<br />
beides zugleich, verlängerte Ausstellungsfläche<br />
und Erschließung für Archiv und<br />
Auditorium.<br />
SCHWEBENDE HOHLKASTENTRÄGER<br />
Die von außen in keiner Weise zu erahnende<br />
Unterhöhlung der Baukörper wird<br />
möglich durch eine gewaltige Konstruktion.<br />
Die Architekten ließen zunächst eine<br />
Grube ausheben, die die beiden Grundstücke<br />
samt der Straße umfasste. Die<br />
Grube wurde mit Stützwänden umbaut, auf<br />
denen nun drei gigantische Hohlkastenträger<br />
aus Stahl aufliegen, der längste von<br />
ihnen misst etwa vierzig Meter. Über dem<br />
mittleren Träger verläuft heute die Rua<br />
Cândido dos Reis, über den beiden äußeren<br />
sind die Lichthöfe angeordnet. Die<br />
unterirdischen Stützwände aus Beton sind<br />
die eigentlich massiven Mauern in diesem<br />
Entwurf. Der Neubau ist an ihnen aufgehängt.<br />
Die Träger bilden ein eigenes Zwischengeschoss,<br />
das den hohen unterirdischen<br />
Luftraum auf dramatische Weise<br />
strukturiert. Die Architekten haben die<br />
Konstruktion zugleich versteckt und auf<br />
irritierende Weise sichtbar gemacht. Als<br />
verkleidete, weiß verputzte Körper hängen<br />
die Träger im Raum, man unterquert sie<br />
und steigt an ihnen empor, ohne zu wissen,<br />
was sie verbergen. In den umformten<br />
Trägern, die vorgeben, mehr zu sein als<br />
Konstruktion und Hülle für die Leitungsführung,<br />
spiegelt sich die Ambivalenz dieses<br />
Untergeschosses: Der Besucher weiß tatsächlich<br />
nicht, ob auf dem Weg ins Archiv<br />
zufällig ein paar Bilder hängen oder ob er<br />
bereits in der Ausstellung ist.<br />
Obenauf führt das künstlich wiederhergestellte<br />
Stück Straße durch einen steinernen<br />
Canyon. Eine geschosshohe Glasfront<br />
zu beiden Seiten gibt Durchblicke in die<br />
Horizontale frei: durch das Bibliotheksfoyer<br />
in den Lichthof auf der einen Seite,<br />
durch das Auditorium (falls die schwarzen<br />
Vorhänge hinter der Glasfassade geöffnet<br />
sind) in den Lichthof auf der anderen. Von<br />
hier aus wirken die Steinkuben, als wären<br />
sie mit dem Cutter aufgeschnitten, um ihr<br />
Geheimnis zu lüften. Beim Betreten durch<br />
die Glastür wird man nicht enttäuscht:<br />
Eine Stahlbrücke führt über einen 1,80<br />
Meter breiten Spalt, der direkt hinter der<br />
Glasfassade auf Gebäudelänge den Fußboden<br />
aufschneidet und den Blick von der<br />
Horizontalen in die Vertikale lenkt, in die<br />
38 STEIN TIME 1 I 08<br />
MATERIAL<br />
Für die Fassaden wurden<br />
30 mm dicke Platten<br />
aus dem sandfarbenen<br />
Kalkstein Lioz verwendet.<br />
Dieser Stein<br />
wird in der Nähe von<br />
Lissabon gewonnen.<br />
Zwei Meter hohe<br />
Stahlträger, die das<br />
Zwischengeschoss bilden,<br />
hängen als Körper<br />
im Ausstellungsraum<br />
und sind von<br />
allen Seiten wahrzunehmen.<br />
Tiefe jenes hohen, darunterliegenden<br />
Geschosses: Diese breite Fuge findet<br />
sich insgesamt viermal im Haus; sie<br />
betont die Besonderheit der Konstruktion.<br />
STRENGE KUBATUR, RÄUMLICHE<br />
VIELFALT<br />
Die strukturelle Präzision und das<br />
nimmermüde Spiel mit räumlichen Verschachtelungen<br />
kennt man bereits von<br />
den Brüdern Francisco und Manuel Aires<br />
Mateus (Jahrgang 1964 und 1963), die<br />
Ende der 1980er-Jahre, nach dem Studium<br />
an der Technischen Universität in<br />
Lissabon und einigen Jahren im Atelier<br />
von Gonçalo Byrne, ihr eigenes Büro<br />
gründeten. Betrachtet man das große,<br />
außerhalb von Portugal noch wenig<br />
bekannte Werk, bildet das Centro de<br />
Artes keine Ausnahme. Der Dialog zwischen<br />
einer beherrschten, oft geschlossenen<br />
Kubatur und einer davon losgelösten<br />
räumlichen Vielfalt im Inneren, einer<br />
Art kontrollierten Implosion, findet sich<br />
bei vielen ihrer Bauten.<br />
Der sensible und zugleich unsentimentale<br />
Umgang mit dem Bestand zeichnet<br />
auch das Centro de Artes in Sines aus:<br />
Der Neubau bildet zwar ein klassisches<br />
Tor zur Altstadt und verwendet traditionelles<br />
Material, bleibt aber auch ein<br />
Fremdling, eine typologische Sonderform,<br />
eine konstruktive Herausforderung.<br />
MODELLCHARAKTER DER<br />
INNENRÄUME<br />
Der Rundgang durch das fertige Haus<br />
hat noch immer viel von der Atmosphäre<br />
der großen schwarz-weißen Modelle, die<br />
sich im Lissabonner Büro der Architekten<br />
stapeln. Es gibt unerwartete Blickverbindungen,<br />
es gibt lange, das gesamte<br />
Gebäude durchmessende Rampen und<br />
Treppen, es gibt präzise gesetzte Durchbrüche.<br />
Wie ein Maulwurf wandert man<br />
unter der Erde und taucht wieder auf, im<br />
Auditorium, im Archiv, im Foyer, im<br />
hohen, etwas abseits angeordneten<br />
Hauptraum der Kunsthalle, dessen<br />
Boden aus einer dreiläufigen Rampe<br />
besteht. Der Modellcharakter des Gebäudes<br />
wird gestützt durch die schiere<br />
Abwesenheit von Details und Farbe im<br />
Innenausbau: verputzte weiße Wände<br />
und Decken, der für Portugal typische<br />
weiß-graue Marmor auf Böden, Rampen<br />
und Treppen, ein wenig schnöde Glasbrüstungen.<br />
Im harten Kontrast dazu sind<br />
andere Räume – als größter das Auditorium<br />
– ganz in Schwarz getaucht. n<br />
Dieser Artikel ist zuerst erschienen<br />
in der »Bauwelt«, Ausgabe 46/2007<br />
39
PLÄTZE<br />
Hauptplatz in Bad Tatzmannsdorf<br />
EIN PLATZ FÜR<br />
KUR UND KULTUR<br />
Wasserspiele oder Festspiele?<br />
Wird der Platz nicht für Veranstaltungen<br />
genutzt, verwandelt er sich<br />
in ein nasses Rund mit kreisförmig<br />
angeordneten Fontänen.<br />
VON ANNETTE WILLIGE<br />
Der Brunnen mit einer Drei-<br />
Storchen-Gruppe als Figur wurde<br />
vom ehemaligen Platz übernommen<br />
und in die mit Platten<br />
aus Neuhauser Granit gestaltete<br />
Anlage integriert.<br />
NEBEN SEINEN QUALITÄTEN ALS<br />
KURBADEORT hat das burgenländische<br />
Bad Tatzmannsdorf auch kulturell<br />
einiges zu bieten. Um Veranstaltungen<br />
im Ortszentrum einen adäquaten Rahmen<br />
zu geben und die Aufenthaltsqualität<br />
zu verbessern, wurde der Hauptplatz<br />
neu gestaltet. Unterschiedlich strukturierte<br />
Steinbeläge gliedern die Fläche<br />
und setzen Akzente.<br />
Ziel der Platzgestaltung war unter anderem,<br />
den Veranstaltungen im öffentlichen<br />
Raum von Bad Tatzmannsdorf<br />
eine Art »Bühne« zu geben. Dazu gliederte<br />
der Architekt Ewald Wukits aus<br />
Pinkafeld den ehemals vom Verkehr<br />
dominierten Ort neu, indem er ihn in<br />
zwei Bereiche trennte, die durch ein<br />
überdachtes Podium voneinander<br />
getrennt werden. Auf der dem Rathaus<br />
zugewandten Seite entstand ein lebendiger<br />
Platz, dessen Mitte durch eine im<br />
Kreisrund angelegte Fläche aus Kleinsteinen<br />
aus Gebhartser Syenit gekennzeichnet<br />
ist, an die sich ein äußerer<br />
Ring aus Platten aus hellerem Neuhauser<br />
Granit anschließt. Im Zentrum des<br />
Kreises sind Düsen im Boden eingelassen,<br />
aus denen Fontänen ausgestoßen<br />
werden können. Bei Festivitäten ruhen<br />
diese und der Platz wird zur Bespielung<br />
mit Tanz und Musik freigegeben. Für<br />
Letzteres wurde auch eine nach zwei<br />
Seiten offene Rahmenkonstruktion aus<br />
Holz als Bühne eingerichtet, die den<br />
lebendigen vom dahinter liegenden ruhigeren<br />
Bereich trennt. Dort befindet sich<br />
in Verlängerung der Achse des runden<br />
Platzes ein Brunnen als Mittelpunkt,<br />
dessen Auffangschale auf einem speziell<br />
konzipierten Sockel ruht. Dieser<br />
besteht aus pyramidenförmig geschichteten<br />
Platten aus Neuhauser Granit, die<br />
sich zum Holzpavillon hin sanft abtrep-<br />
»Verstummen« die Fontänen,<br />
wird der radial angelegte Platz<br />
als solcher bewusst erlebbar.<br />
Die Wegeverbindungen auf<br />
und um den Platz für Fußgänger<br />
setzen sich durch<br />
unterschiedliche Steinarten<br />
voneinander ab.<br />
pen und in einem Becken enden. Wasser,<br />
das über die Schale hinausfließt,<br />
wird vom Becken aufgenommen und<br />
von dort aus dem Kreislauf wieder<br />
zugeführt. Umrandet wird die Anlage<br />
von einem mehrstreifigen Plattenbelag<br />
– ebenfalls aus Neuhauser Granit –, der<br />
durch einen umlaufenden Kiesstreifen<br />
vom eigentlichen Brunnen abgesetzt<br />
ist. Durch das sanft abfließende Wasser<br />
wurde hier ein Ort der Kontemplation<br />
und Ruhe geschaffen, der ins Grün<br />
des sich anschließenden Kurparks<br />
überleitet und einen Kontrapunkt zum<br />
lebendigen Ortsmittelpunkt auf der<br />
anderen Seite des Bühnenelements<br />
bildet. Kur und Kultur auf einem Platz –<br />
in Bad Tatzmannsdorf ist jetzt beides<br />
möglich. n<br />
MATERIAL<br />
520 m2 Platten aus Neuhauser<br />
Granit als Pflasterbelag.<br />
Die zwischen 30<br />
und 60 cm langen und<br />
4 cm starken Platten mit<br />
sandgestrahlter Trittfläche<br />
und diamantgesägten Kanten<br />
wurden in 25 cm breiten<br />
Bahnen verlegt. Als<br />
weiterer Belag wurden 50 t<br />
Kleinsteine aus Gebhartser<br />
Syenit mit einer Kantenlänge<br />
von 8/10 cm<br />
eingesetzt.<br />
BAUHERR<br />
Gemeinde Bad Tatzmannsdorf/Burgenland,<br />
7431 Bad Tatzmannsdorf<br />
PLANUNG<br />
Architekt DI. Wukits,<br />
7423 Pinkafeld<br />
NATURSTEINARBEITEN<br />
UND -LIEFERUNG<br />
Poschacher <strong>Naturstein</strong>werke<br />
GmbH & Co. KG,<br />
4222 St. Georgen<br />
40 STEIN TIME 1 I 08 41
PLÄTZE<br />
»Unser Ort soll<br />
schöner werden.«<br />
Unter diesem Motto<br />
wurde die Ortdurch-<br />
fahrt in Eibiswald<br />
im vergangenen<br />
Jahr neu gestaltet.<br />
Ortsdurchfahrt in<br />
EIBISWALD –<br />
STEINE IM ORT<br />
VON WILLY HAFNER<br />
Die Marktgemeinde Eibiswald<br />
liegt im weststeirischen<br />
Saggautal zwischen Aichberg<br />
und Radl, und gehört zum politischen<br />
Bezirk Deutschlandsberg. Im vergangenen<br />
Jahr wurde die Ortsdurchfahrt<br />
mit <strong>Naturstein</strong>en aus Österreich<br />
neu gestaltet.<br />
DIE MARKTGEMEINDE EIBISWALD<br />
GILT ALS ZENTRUM EINER REGION<br />
IN DER WESTSTEIRMARK UND wurde<br />
nachhaltig von Hans Kloepfer, dem heimischen,<br />
aber über die Grenzen hinaus<br />
bekannten Heimatdichter beeinflusst.<br />
Als historisch gewachsener Ort besticht<br />
Eibiswald auch durch seine Bürgerhäuser<br />
aus dem 18. und 19. Jahrhundert.<br />
Das größte und älteste unter den Bürgerhäusern<br />
ist das Lerchhaus mit dem<br />
Schilcherkeller. Es dient der kulturellen<br />
Kommunikation der Menschen dieser<br />
Region und ihren Gästen. Die Pfarrkirche<br />
Maria im Dorn wurde 1170 erstmals<br />
urkundlich genannt. Die Kirche<br />
besteht aus einem gotischen Bau mit<br />
romanischem Kern und wurde 1678<br />
barock erweitert. Im 18. Jahrhundert<br />
galt die Kirche auch als Wallfahrtskirche.<br />
Einst verfügte die Gemeinde über<br />
Maria im Dorn in Eibiswald<br />
wurde 1170 erstmals<br />
urkundlich genannt. Die Kirche<br />
besteht aus einem gotischen<br />
Bau mit romanischem<br />
Kern und wurde<br />
1678 barock erweitert.<br />
fünf Filialkirchen, heute jedoch nur noch<br />
über jene, die dem heiligen Antonius<br />
dem Einsiedler am Radlpass geweiht<br />
wurde. Zudem gibt es in der Gemeinde<br />
fünf Messkapellen.<br />
Der Zweite Weltkrieg stand für die<br />
Gemeinde besonders im Zeichen von<br />
Partisanenkämpfen. Der Wiederaufbau<br />
in den Jahren der Zweiten Republik<br />
brachte Verbesserungen der Infrastruktur,<br />
Grenzlandleistungsschauen und<br />
zahlreiche kulturelle Aktivitäten sowie<br />
Bemühungen, den sanften Tourismus in<br />
die Region zu bringen.<br />
»Unser Ort soll schöner werden« – seit<br />
2007 gilt dies auch für diese Gemeinde<br />
in der Weststeirmark. Wie überall in<br />
Österreich soll auch hier wieder ein<br />
»Dorfplatz« zum Mittelpunkt der Ortschaft<br />
werden. Die Steine für den<br />
»neuen Ort« im Ort kommen meist<br />
MATERIAL<br />
Bodenplatten aus Gebhartser<br />
Syenit mit Adern und<br />
Kornwechsel, allseitig<br />
sandgestrahlt inklusiv<br />
Unterlager, in Bahnen 24<br />
und 36 cm breit. 12 cm<br />
Stärke: 2 030 m2 , 8 cm<br />
Stärke: 377 m2 898 lfm Randsteine aus<br />
Neuhauser Granit, 115 lfm<br />
Blockstufen aus Neuhauser<br />
Granit, allseitig sandgetrahlt,<br />
4 t Kleinsteine<br />
aus Neuhauser Granit<br />
42 STEIN TIME 1 I 08 43
PLÄTZE<br />
BAUHERR<br />
Marktgemeinde<br />
Eibiswald<br />
8552 Eibiswald<br />
PLANUNG<br />
Juan Carlos Gòmez<br />
8010 Graz<br />
Bodenplatten aus Gebhartser<br />
Syenit mit Adern und<br />
Kornwechsel, allseitig<br />
sandgestrahlt bestimmen<br />
das Bild in der Hauptstraße.<br />
NATURSTEINLIEFERANT<br />
Poschacher<br />
<strong>Naturstein</strong>werke<br />
GmbH & Co. KG<br />
4222 St. Georgen<br />
»vom Ort«. Warum in die Ferne schweifen,<br />
wenn es so nah auch harte Steine<br />
gibt: Variskisches Gebirge heißt die<br />
geologische Formation, ein Rumpfgebirge,<br />
das sich durch ganz Mitteleuropa<br />
zieht. Feldspat, Quarz und Glimmer heißen<br />
die Mineralien, die den Granit<br />
machen. Vom Mühlviertel bis ins südlich<br />
der Donau gelegene Innviertel gibt<br />
es Steine, Steinbrüche und natürlich<br />
eine alte Steintradition. Das richtungslose<br />
Material hat Gänge – Feldspatverdichtungen,<br />
kaum wahrnehmbar und<br />
doch von eminenter Bedeutung.<br />
Diese Granite lassen sich besonders<br />
gut spalten und sorgen mit dafür, dass<br />
<strong>Naturstein</strong> wieder Konjunktur hat im<br />
Tiefbau. Nach ein paar Jahren der<br />
Beton-Euphorie hatte man in Österreich<br />
die »Unwirtlichkeit der Städte und der<br />
Dörfer« erkannt, die »Orte im Ort« wurden<br />
wieder zu »guten Stuben« umgestaltet.<br />
Nichts dabei ist heimeliger,<br />
gemütlicher und beliebter bei den Planern,<br />
als die »neuen alten Pflastersteine«<br />
aus heimischen Brüchen. n<br />
Heimische Steine<br />
für die »Orte im<br />
Ort« sind bei Planern<br />
derzeit sehr<br />
beliebt.<br />
44 STEIN TIME 1 I 08
RESTAURIERUNG<br />
Pestsäule in Baden<br />
NEUER<br />
GLANZ<br />
Etwa 6.500 Arbeitsstunden waren nötig, um die<br />
Pestsäule in Baden zu restaurieren. Bildhauer,<br />
Restauratoren, Steinmetzen, Spengler und<br />
Vergolder haben Hand in Hand gearbeitet, um die<br />
barocke Skulptur für spätere Generationen zu erhalten.<br />
AUFTRAGGEBER<br />
Stadtgemeinde Baden<br />
2500 Baden<br />
RESTAURIERUNG<br />
ES Restaurierungstechnik<br />
GmbH<br />
3002 Purkersdorf<br />
STEINMETZARBEITEN UND<br />
NATURSTEINLIEFERUNG<br />
Wolfgang Ecker G.m.b.H.<br />
2514 Traiskirchen<br />
VON GABRIELE WALDMANN<br />
DIE BAROCKE PESTSÄULE der Kurstadt<br />
Baden bei Wien war zuletzt 1989<br />
restauriert worden. Doch keine 20<br />
Jahre später zeigten sich gravierende<br />
Schäden wie Abwitterungen, offene<br />
Fugen und sogar abstürzende Gliedmaßen<br />
und Kleinteile. Für den größten Teil<br />
des Schadensbildes ist die Verwendung<br />
von Portlandzement verantwortlich; er<br />
wurde anlässlich einer Restaurierung<br />
im 20. Jahrhundert für die Ausbesserung<br />
von Fehlstellen eingesetzt. Diese<br />
Ergänzungen waren in ihrer Struktur so<br />
kompakt und dicht, dass der darunterliegende<br />
<strong>Naturstein</strong> – Zogelsdorfer<br />
Kalksandstein – »erstickte«: die Feuchtigkeit,<br />
die der Stein aufnahm, konnte<br />
er nicht im selben Umfang abgeben. In<br />
Frostperioden zerstörten die Eiskristalle<br />
die Struktur des Steins. Dieses Schadensbild<br />
betraf etwa 80 Prozent der<br />
Wolkensäule.<br />
1: Putto vor der Res-<br />
taurierung mit zahlrei-<br />
chen Ergänzungen.<br />
2: Putto nach der<br />
Restaurierung<br />
Die Pestsäule in Baden wurde im<br />
letzten Jahr grundlegend restauriert.<br />
Links ein Detail vor den Arbeiten,<br />
rechts danach.<br />
Weitere schwere Schäden haben korrodierte<br />
Metallarmierungen verursacht.<br />
Hinzu kommen schädigende Umwelteinflüsse.<br />
DIE RESTAURIERUNG IM DETAIL<br />
Deshalb wurde die Pestsäule von April<br />
bis November 2007 von der ES Restaurierungstechnik<br />
GmbH unter Leitung<br />
des Steinmetzen Wolfgang Ecker komplett<br />
restauriert. Im Detail wurden fol-<br />
46 STEIN TIME 1 I 08<br />
1
2<br />
gende Maßnahmen ausgeführt:<br />
• Entfernung von allen Verkrustungen<br />
und Fremdmaterialien (Portlandzement)<br />
von der Oberfläche mithilfe von Heißdampf,Rotosoft-Micro-Wirbelstrahltechnik,<br />
Kleinwerkzeugen und Skalpellen.<br />
• Ergänzung von Fehlstellen (Ernstbrunner<br />
Kalksande in verschiedenen Körnungen<br />
und Sieblinien mit Remmers<br />
BCR als Bindemittel im Verhältnis 5:1<br />
gemischt)<br />
• Vakuum-Tränkung der Wolkensäule<br />
mit Kieselsäureesther in sito (laut Vorgabe<br />
des Bundesdenkmalamtes)<br />
• Auftragen der Opferschlemme auf<br />
Kalkbasis<br />
• Anstrich mit Silikonharz (Remmers<br />
Funcosil Historic Lasur)<br />
• Erneuerung der vergoldeten Elemente<br />
• Bleiblecheinzug aller Draufsichten.<br />
Eine große Herausforderung waren die<br />
neun Medaillons aus quarzitisch<br />
gebundenem Sandstein an den Sockeln,<br />
die sich in einem besonders<br />
schlechten Zustand befanden. Viele<br />
Einzelteile sind im Lauf der Jahre komplett<br />
zerstört worden. So war es nicht<br />
möglich, alle Medaillons wieder vollkommen<br />
originalgetreu herzustellen.<br />
Ursache dafür waren Salzhinterwanderungen<br />
aus den Standflächen der<br />
Podestfiguren. Deshalb war es notwendig,<br />
diese zu entfernen. Hierfür wiederum<br />
war es notwendig, die drei<br />
Podestfiguren zu demontieren; sie wurden<br />
im Atelier der ES Restaurierungstechnik<br />
in Purkersdorf restauriert. Die<br />
Podeste mit den Medaillons wurden in<br />
sito mit Vakuumtechnik entsalzt und<br />
anschließend mit Kieselsäureesther<br />
gefestigt.<br />
SCHUTZ FÜR DIE ZUKUNFT<br />
Um den nicht zu vermeidenden, schädlichen<br />
Umwelteinflüssen sinnvoll vorzubeugen,<br />
wurde auf die Kalkschlämme<br />
ein Silikonharzanstrich aufgetragen. So<br />
soll die relativ hohe Schwefelkonzentration<br />
in der Badener Luft in absehbarer<br />
Zeit keine neuen Schäden verursachen<br />
können. Um dem Taubenproblem Herr<br />
zu werden, entschloss sich die Stadt<br />
Baden, ein Taubennetz über die Pestsäule<br />
zu spannen. n<br />
3. Puttenkopf vor der Restau-<br />
rierung: ein Teil des Kopfes<br />
fehlt, starke Rissbildung.<br />
4. Medaillon vor der Restau-<br />
rierung: der quarzitische<br />
Sandstein ist in sehr<br />
schlechtem Zustand.<br />
5. Drachenkopf nach der<br />
Restaurierung. Das Netz<br />
soll Tauben abhalten.<br />
3<br />
4<br />
5<br />
HISTORIE<br />
Die Dreifaltigkeitssäule in Baden wurde<br />
aufgrund eines Gelübdes der Badener<br />
Bürger nach der im Jahr 1713 überstandenen<br />
Pest errichtet, daher auch ihr<br />
zweiter Name »Pestsäule«. Die 14 Meter<br />
hohe Skulptur wurde 1714–1718 von<br />
dem italienischen Bildhauer Giovanni<br />
Stanetti ausgeführt. Der Entwurf stammt<br />
von dem österreichischen Maler Martino<br />
Altomonte. Die Säule steht genau dort,<br />
wo sich zuvor der Pranger befand und ist<br />
heute der markante Mittelpunkt auf dem<br />
Hauptplatz der Kurstadt.<br />
47
TECHNIK<br />
Nachgerechnet<br />
ANTWORT VON REINER KRUG<br />
DER BAYERISCHE OBERSTE RECH-<br />
NUNGSHOF (ORH) KRITISIERT staatliche<br />
Gebäude mit hohem Glasanteil, so<br />
die Meldung aus Deutschland. Eine<br />
umfangreiche Untersuchung des Rechnungshofs<br />
habe gezeigt, dass Glasfassaden<br />
in Planung, Bau und Betrieb aufwendiger<br />
und teurer sind als Fassaden<br />
in konventioneller Bauweise. Nach<br />
Sie gelten als modern und strahlen<br />
Transparenz aus: Glasfassaden werden<br />
zunehmend bei Verwaltungsneubauten<br />
eingesetzt. Der Bericht des Bayerischen<br />
Obersten Rechnungshofs hat nun nachgerechnet<br />
und kommt zu dem Ergebnis, dass<br />
Glasfassaden in Planung, Bau und Betrieb<br />
aufwendiger und teurer sind als Fassaden in<br />
konventioneller Bauweise. Stimmt das?<br />
Ansicht des ORH sollten bei staatlichen<br />
Baumaßnahmen Glasfassaden nur in<br />
begründeten Fällen zur Ausführung<br />
kommen. Der ORH kommt zu folgenden<br />
Feststellungen:<br />
• Glasfassaden erfordern aufwendigere<br />
Konstruktionen und Bauweisen als konventionelle<br />
Fassaden.<br />
• Technisch anspruchsvolle Beschattungssysteme,<br />
aufwendige intelligente<br />
Lichttechnik sowie mechanische Beund<br />
Entlüftung, Kühlung oder Klimatisierung<br />
können notwendig werden. Zur<br />
Koordinierung des komplexen Zusam-<br />
menwirkens der Komponenten sind<br />
Tageslichtrechner, Wetterstationen und<br />
eine Ankopplung der Steuerungen an<br />
eine zentrale Gebäudeleittechnik erforderlich.<br />
• Die Gestehungskosten einer Glasfassade<br />
inklusive aller Bauteile und technischen<br />
Anlagen, die in direktem oder<br />
indirektem Zusammenhang mit der Fassade<br />
stehen, sind deutlich höher als<br />
die einer konventionellen Lochfassade.<br />
Bei den geprüften 20 Fassaden stiegen<br />
die Investitionskosten in etwa proportional<br />
mit dem Glasanteil an. Während<br />
48 STEIN TIME 1 I 08<br />
>>
TECHNIK<br />
Lochfassaden bei einem Glasanteil von<br />
35 Prozent mit 400 €/m 2 -Fassadenfläche<br />
auskamen, wurden bei einem<br />
Glasanteil von 90 Prozent Investitionskosten<br />
von 1.280 €/m 2 notwendig.<br />
Die Werte stiegen annähernd linear.<br />
Ein Prozent Glasanteil über das Normalmaß<br />
einer Lochfassade hinaus<br />
kostet 16 €/m 2 -Fassadenfläche.<br />
• Die Fassadensysteme und die damit<br />
zusammenhängenden Anlagen haben<br />
eine deutlich kürzere Nutzungsdauer<br />
als das eigentliche Gebäude. Beispielsweise<br />
müssen elektronische Bauteile<br />
nach 12 bis 15 Jahren erneuert werden.<br />
Glas oder Stein: nur<br />
schön oder wirtschaftlich<br />
und schön?<br />
• Auch die mangelhafte Reinigung<br />
beeinträchtigt die Wirkung und Funktion.<br />
Fenster sollten zweimal im Jahr<br />
gereinigt werden. Dabei fallen bei<br />
Lochfassaden etwa 1 €/m 2 und bei<br />
Glasfassaden bis zu 4 €/m 2 an. Bei<br />
Gebäuden mit Doppelfassaden und mit<br />
besonders reinigungsintensiven oder<br />
schwer zugänglichen Bauteilen fallen<br />
wesentlich höhere Reinigungskosten<br />
an. n<br />
...pro Stein<br />
Reiner Krug studierte<br />
Bauingenieurwesen.<br />
Er ist Geschäftsführer<br />
des Deutschen Naturwerksteinverbands.<br />
WER IM GLASHAUS SITZT,<br />
SCHWITZT!<br />
Der aktuelle Bericht des Bayerischen<br />
Obersten Rechnungshofs (ORH), der<br />
nach umfangreichen Untersuchungen zu<br />
dem Ergebnis kommt, dass Glasfassaden<br />
in Planung, Bau und Betrieb aufwendiger<br />
und teurer sind als Fassaden<br />
in konventioneller Bauweise, bestätigt<br />
die praktischen Erfahrungen unzähliger<br />
Nutzer und Besitzer von Gebäuden mit<br />
hohem Glasanteil. Wie bereits Werner<br />
Eicke-Hennig vom Institut Wohnen und<br />
Umwelt in Darmstadt in einer aufwendigen<br />
Studie festgestellt hat, benötigen<br />
die modernen Glasbauten für die erforderliche<br />
Klimatisierung unheimliche<br />
Energiemengen, die völlig im Gegensatz<br />
zu der Energieeinsparverordnung und<br />
der gewünschten Nachhaltigkeit von<br />
Gebäuden stehen.<br />
Jeder Autofahrer weiß, dass man im<br />
Auto wegen der großen Glasflächen im<br />
Sommer schwitzt und eine erträgliche<br />
Raumtemperatur nur mithilfe einer energiefressenden<br />
Klimaanlage erreicht<br />
werden kann. Im Winter nützen einem<br />
die Glasflächen nichts, da nur an wenigen<br />
Tagen eine intensive Sonneneinstrahlung<br />
zu einer ausreichenden<br />
Erwärmung des Innenraums führt.<br />
Diese, eigentlich jedem bekannten Tatsachen<br />
werden in der <strong>Architektur</strong> aus<br />
Gründen der Gestaltung einfach<br />
negiert. Das transparente Glas ist ein<br />
Modebaustoff geworden, der den Wünschen<br />
der Architekten nach einer offenen<br />
und leichten Raumgestaltung entgegenkommen<br />
will.<br />
Der unvermeidliche Bedarf einer Klimatisierung<br />
solcher Glasbauten wird dann<br />
auch noch als »intelligente <strong>Architektur</strong>«<br />
dargestellt. Grundlage der Planung sind<br />
aufwendige Berechnungen, die von<br />
idealisierten Klimabedingungen ausgehen,<br />
die leider in der täglichen Praxis<br />
kaum vorkommen. Bei einigen Glasbauten<br />
soll die unerträgliche Hitze des<br />
Tages über eine Nachtauskühlung entweichen.<br />
Wenn aber im Sommer eine<br />
Hitzewelle herrscht, kühlt es auch in<br />
der Nacht kaum ab, sodass die beabsichtigten<br />
Effekte nicht eintreten. Zahlreiche<br />
Glasbauten wurden ohne Klimaanlagen<br />
erstellt und sollten nur<br />
durch normale Außenluft belüftet werden.<br />
Mittlerweile sind bei vielen Gebäuden<br />
nachträglich Klimaanlagen installiert<br />
worden.<br />
Um sich vor der Sonneneinstrahlung<br />
im Sommer zu schützen, werden aufwendige<br />
Sonnenschutzeinrichtungen<br />
benötigt, mit dem Ergebnis, dass in<br />
den Räumen auch tagsüber das Licht<br />
eingeschaltet werden muss. Von der<br />
gewünschten Transparenz der Glasfassade<br />
ist bei geschlossenen Sonnenschutzrollos<br />
nichts mehr zu sehen.<br />
Aufwendige Steuerungsanlagen mit<br />
unzähligen Sensoren sollen helfen, die<br />
Klimatisierung der Gebäude in den Griff<br />
zu bekommen. Die Folgen dieser <strong>Architektur</strong><br />
sind hohe Entstehungs- und<br />
Betriebskosten.<br />
Im Extremfall erfolgt wegen der eingeschränkten<br />
Nutzbarkeit der Umbau oder<br />
sogar Abriss des Gebäudes. Wer nachhaltig,<br />
umweltbewusst sowie energieund<br />
ressourcenschonend bauen<br />
möchte, ist gut beraten, wenn er konventionelle<br />
Fassaden, am besten natürlich<br />
Fassaden aus <strong>Naturstein</strong>, nutzt.<br />
50 STEIN TIME 1 I 08
<strong>Naturstein</strong> im Garten<br />
Ausblühungsfreie Trockenbetone<br />
IM FLÄCHENGESTALTUNGSBEREICH<br />
KOMMEN TROCKENBETONE IMMER<br />
MEHR ZUM EINSATZ. Baumit entwikkelte<br />
dafür kalkausblühungsfreie Produkte<br />
– SteinMörtel plus, SteinKleber<br />
plus und PflasterDrainmörtel plus.<br />
Bei Pflasterflächen im Garten oder<br />
<strong>Naturstein</strong>mauern in Biotopen sorgten<br />
Kalkausblühungen der eingesetzten<br />
Mörtel oft für einen unschönen Anblick<br />
und eine geringe Lebensdauer. Damit<br />
ist jetzt Schluss – denn Baumit hat<br />
eine weltweit einzigartige Produktserie<br />
– die plus-Reihe – entwickelt, die erstmals<br />
absolut ausblühungsfreie und<br />
frostbeständige Produkte für den Flächengestaltungsbereich<br />
bietet.<br />
Ideales Einsatzgebiet für den Mörtel<br />
sind Schwimmteiche und Biotope.<br />
»Durch die Kalkausblühungen bei herkömmlichen<br />
Zementen kam es immer<br />
Gerade im Flächengestaltungsbereich<br />
kommen<br />
Trockenbetone immer<br />
mehr in Trend.<br />
wieder zu Ablagerungen auf der<br />
Schwimmteich-Folie. Die Kalkflecken<br />
sahen hässlich aus und der Reinigungsaufwand<br />
war höher« erklärt Eduard<br />
Leichtfried, Bereichsleiter bei Baumit<br />
Wopfinger. »Mit dem kalkausblühungsfreien<br />
Mörtel gibt es diese Probleme<br />
nicht mehr.« Damit Pflasterungen dauerhaft<br />
funktionstüchtig bleiben, muss Bettungsmörtel<br />
immer drainfähig sein.<br />
Dringt dennoch Wasser in die Unterkonstruktion<br />
ein, oder steigt Feuchtigkeit<br />
zur Oberfläche auf, zeigen sich diese<br />
Schäden oft erst nach einigen Jahren.<br />
Um das zu vermeiden ist PflasterDrainmörtel<br />
plus ideal. Er wird als Bettungs-<br />
mörtel für Plastersteine und -platten<br />
eingesetzt. Nummer Drei in der Plusprodukt-Reihe<br />
ist der werksgemischte,<br />
kalkausblühungsfreie SteinKleber plus.<br />
Er dient zum Verkleben von Pflasterund<br />
<strong>Naturstein</strong>platten, oder als Mittelbettkleber<br />
auf Estrich und Unterlagsbeton.<br />
n
TECHNIK<br />
Trockenmauern – europäische Baukultur<br />
Zwischen Handwerkskunst<br />
und Regelwerk<br />
Als Trockenmauer bezeichnet man Wände,<br />
die aus <strong>Naturstein</strong>en im Verband<br />
ohne die Verwendung von Mörtel oder<br />
Beton aufgemauert werden. Diese Bauweise<br />
bietet zahlreiche Vorteile, sowohl<br />
aus bautechnischer wie auch aus öko-<br />
logischer Sicht. So ist es verständlich,<br />
dass sich zahlreiche Planer und Bauherren<br />
bei einer erforderlichen Terrassierung<br />
des Geländes für Schwergewichtsmauern<br />
in Trockenbauweise entscheiden.<br />
Da es sich bei der Trockenmauer um<br />
ein »Objekt, dessen fachgerechte Herstellung<br />
ein wesentliches Maß an bautechnischen<br />
Kenntnissen erfordert und<br />
das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden<br />
ist«, handelt, definieren die<br />
Österreichischen Bauordnungen diese<br />
als ein Bauwerk (NÖ Bauordnung). Doch<br />
obwohl es sich um eine viele Jahrhunderte<br />
alte Technologie handelt, scheinen<br />
VON INGRID SCHEGK<br />
Trockenmauern sind seit Jahrhunderten prägende Elemente der europäischen<br />
Kulturlandschaft und insbesondere seit der Naturgartenbewegung<br />
der späten 1970er- und 1980er-Jahre wieder ein<br />
wesentliches Element der Gartengestaltung und damit ein fester Bestandteil<br />
im Leistungsspektrum des Garten- und Landschaftsbaus.<br />
die erforderlichen bautechnischen<br />
Kenntnisse heute eher unzureichend zu<br />
sein. Häufig kommt es zu Mängeln,<br />
Schadens- und Streitfällen. Die Mauern<br />
versagen durch Gleiten oder Kippen, sie<br />
verschieben sich oder stürzen ein.<br />
Trockenmauer mit Spannbogen Aufgrund unterdimensionierten Querschnitts<br />
und unsachgemäßen Verbandes<br />
eingestürzte Trockenmauer.<br />
Der Grund dafür liegt in den allermeisten<br />
Fällen in einem zu geringen Gewicht<br />
der Stützmauer, verursacht durch einen<br />
unterdimensionierten Querschnitt. Weitere<br />
mögliche Mängel: ein ungeeigneter<br />
oder nicht fachgerecht ausgeführter<br />
Mauerverband, bei dem die Steine<br />
nicht genügend Spannung untereinander<br />
haben oder eine nicht ausreichend<br />
drainfähige Hinterfüllung und infolgedessen<br />
Wasserdruck von der Hangseite.<br />
Normative Anforderungen<br />
Die für Trockenmauerwerk geltenden<br />
Regeln der Technik sind neben der<br />
Euronorm EN 771-6, die die Anforderungen<br />
an Mauersteine aus <strong>Naturstein</strong><br />
beschreibt, in der deutschen Norm DIN<br />
1053-1 Mauerwerk, Teil 1: »Berechnung<br />
und Ausführung«, enthalten. Im Kapitel<br />
12 »<strong>Naturstein</strong>mauerwerk« sind<br />
zunächst allgemeine Regeln zum Mauerverband<br />
formuliert: Es dürfen nirgends<br />
mehr als drei Fugen zusammenstoßen<br />
(keine Kreuzfugen), keine Stoßfuge<br />
darf durch mehr als zwei Schichten<br />
gehen, ein Drittel der Steine muss<br />
als Binder, d.h. mit ihrer längsten Seite<br />
Zu lange Stoßfuge durch<br />
mehrere Schichten<br />
quer zur Ansichtsfläche und damit in<br />
die Mauer hinein, eingebaut werden.<br />
Schon diese grundsätzlichen Regeln,<br />
die der traditionellen Handwerkskunst<br />
des Mauerbaus entsprechen, finden<br />
vielfach keine Beachtung.<br />
Speziell für Trockenmauerwerk schreibt<br />
die Norm neben einer Zeichnung Folgendes<br />
vor: »Bruchsteine sind ohne Verwendung<br />
von Mörtel unter geringer<br />
Bearbeitung in richtigem Verband so<br />
aneinanderzufügen, dass möglichst<br />
enge Fugen und kleine Hohlräume verbleiben.<br />
Die Hohlräume zwischen den<br />
Steinen müssen durch kleinere Steine<br />
52 STEIN TIME 1 I 08
so ausgefüllt werden, dass durch Einkeilen<br />
Spannung zwischen den Mauersteinen<br />
entsteht.« Aus der Norm geht<br />
nicht klar hervor, ob eine Trockenmauer<br />
etwa als hammerrechtes Schichtenmauerwerk<br />
ausgeführt werden darf,<br />
wenn diese Spannung gewährleistet<br />
werden kann. Die Abgrenzung zu Bruchsteinmauerwerk<br />
bleibt unklar, zumal für<br />
dieses ebenso wie für Zyklopenmauerwerk<br />
explizit eine Verlegung der Steine<br />
in Mörtel gefordert wird.<br />
Weiter regelt die Norm: »Trockenmauerwerk<br />
darf nur für Schwergewichtsmauern,<br />
also Stützmauern, verwendet werden.<br />
Als Berechnungsgewicht dieses Mauerwerks<br />
ist die Hälfte der Rohdichte des<br />
verwendeten Steines anzunehmen.«<br />
Diese Forderung wird vielfach als überzogen<br />
angesehen. Ihre Berücksichtigung<br />
führt zu sehr unwirtschaftlichen<br />
Querschnitten. Durch das Vorsehen<br />
Frei stehende Trockenmauer, aufgrund unsachgemäßen<br />
Verbandes teilweise eingestürzt. Der<br />
rechte Abschnitt wurde – auch wenig sachgemäß<br />
– mit Mörtelfugen aufgebaut.<br />
eines Anlaufs – einer Dossierung – von<br />
bis zu 20 Prozent kann der Schwerpunkt<br />
der Mauer zur Hangseite verschoben<br />
und der Querschnitt damit günstiger<br />
gestaltet werden. Trotzdem bedeutet<br />
eine Mauerdicke, die der Faustregel<br />
»1/3 bis 1/2 der Mauerhöhe im Fußbereich«<br />
entspricht, häufig noch keinen<br />
normgerechten Querschnitt. In der Praxis<br />
wird diese Faustregel nur selten<br />
angewendet. Problematisch ist hierbei<br />
die nach der deutschen Vergabe- und<br />
Vertragsordnung für Bauleistungen<br />
(VOB) geforderte Abrechnungsmethode<br />
für Mauerwerk. Während die bis Herbst<br />
2006 geltende DIN 18330 – Mauerarbeiten<br />
(VOB, Teil C, ATV) vom Dezember<br />
2000 als Abrechnungseinheit für Mauerwerk<br />
über 24 Zentimeter Dicke noch<br />
das Raummaß »Kubikmeter« zuließ, ist<br />
gemäß ihrer Neufassung vom Oktober<br />
2006 im Leistungsverzeichnis ausschließlich<br />
das Flächenmaß »Quadratmeter«<br />
vorzusehen. Der Angabe der ausreichenden<br />
Mauerdicke im Leistungsverzeichnis<br />
oder Angebot, am besten<br />
anhand einer Schnittzeichnung, kommt<br />
daher entscheidende Bedeutung zu.<br />
Schauen wir in die europäischen Nachbarländer<br />
mit Trockenmauer-Tradition,<br />
finden wir weniger Normierung als in<br />
Deutschland. Weder in den aktuellen<br />
Schweizer SIA-Normen noch in den<br />
Österreichischen Normen sind zurzeit<br />
Aussagen zum Bau von Trockenmauerwerk<br />
enthalten, dafür aber mehr handwerkliches<br />
Know-how und eine Reihe<br />
praxisnaher Fachliteratur zum Thema.<br />
Stützbauwerke in den Alpenländern<br />
Aufgrund der topografischen Bedingungen<br />
und der zahlreichen Hoch- und<br />
Steillagen hat sich im Kontext des<br />
Alpenbogens eine differenzierte Trockenmauer-Baukunst<br />
entwickelt.<br />
Dies gilt insbesondere auch für die<br />
Schweiz. Finden wir hier doch die<br />
höchste Trockenmauer Europas oder –<br />
glaubt man den Tourismus-Informationen<br />
des Landes – sogar die höchste<br />
Trockenmauer der Welt. Sie befindet<br />
sich am Rebberg La Cotzette bei Sion<br />
im Wallis und erreicht eine Höhe von<br />
knapp 18 Metern.<br />
Im Zuge des Baus der Gotthardbahn<br />
entstanden im Jahr 1873 Mauerwerksnormen,<br />
in denen sich auch Regelungen<br />
und Detailzeichnungen für Trockenmauern<br />
befinden. Hier heißt es beispielsweise:<br />
»Die Maximalhöhe, bis zu<br />
der Trockenmauern ausgeführt werden<br />
dürfen, ist vom Fundament bis zur<br />
Krone, vertikal gemessen 9,0 Meter«.<br />
Dabei wird eine Außenböschung, ein<br />
Anlauf von 1 : 2/3 vorgeschrieben.<br />
Um die Sicherung der aktuellen Trockenmauerkultur<br />
macht sich besonders<br />
die Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz<br />
(SUS) verdient. Sie hat praxisnahe<br />
TECHNIK<br />
Die höchste Trockenmauer<br />
Europas im Wallis<br />
Arbeitshilfen herausgegeben, etwa den<br />
»Einführungskurs Trockenmauern« oder<br />
das Büchlein »Trockenmauern. Anleitung<br />
für den Bau und die Reparatur«<br />
von Tufnell, Rumpe, Ducommun und<br />
Hassenstein. Sie enthalten fachgerechte<br />
Bauanleitungen auch für frei stehende<br />
Trockenmauern. Darin wird empfohlen,<br />
diese Mauern doppelt so hoch<br />
zu bauen, wie das Fundament breit ist.<br />
Überdies ist ein ausreichender Anteil<br />
an Durchbindern wichtig; also Steine,<br />
die durch den gesamten Mauerquerschnitt<br />
reichen, ebenso das Ausfüllen<br />
von Lücken durch Keile, die gleich beim<br />
Aufmauern gesetzt und nicht nachträglich<br />
eingezwickt werden dürfen. Für<br />
etwa einen Meter hohe frei stehende<br />
Mauern findet man die Angabe, eine<br />
Tonne Stein je Laufmeter zu verbauen.<br />
Für Stützmauern empfehlen die Schweizer<br />
eine Fundament- oder Mauerfußbreite,<br />
die der Hälfte der Mauerhöhe<br />
entspricht, Binderschichten pro 50 Zentimeter<br />
Mauerhöhe mit mindestens<br />
einem Binder – gemeint ist ein Durchbinder<br />
– pro Laufmeter sowie einen<br />
53
TECHNIK<br />
Anlauf oder Anzug von 10 bis 16 Prozent.<br />
Hier ist explizit auch die Hintermauerung<br />
und Hinterfüllung zur Entwässerung<br />
der Mauerrückseite beschrieben.<br />
Ein ungehinderter Wasserabfluss<br />
muss gewährleistet sein.<br />
In der Schweiz entstanden in den letzten<br />
Jahren zahlreiche interessante<br />
und innovative Trockenmauerprojekte,<br />
sowohl innerorts wie auch im kulturlandschaftlichen<br />
Kontext.<br />
Ein echtes Musterbeispiel für die Wiederbelebung<br />
des Trockenmauerbaus<br />
unter zeitgemäßen Prämissen findet<br />
man in Verdabbio, einem kleinen Dorf<br />
im Kanton Graubünden, das als einziger<br />
Ort des Kreises erhöht auf einer<br />
Geländeterrasse steht. Der typische<br />
Trockenmauerbau ist ein Teil der dortigen<br />
Kulturlandschaft. Die Förderung<br />
von Lokalinitiativen und das aktive<br />
Engagement der einheimischen Bevölkerung<br />
haben es ermöglicht, dass hier<br />
im Zuge der Ortssanierung alte sanierungsbedürftige<br />
Trockenmauern restauriert<br />
bzw. neu gebaut und für die<br />
Region untypische Betonstützmauern<br />
mit traditionellen Trockenmauern<br />
ersetzt oder verblendet wurden und<br />
werden. Zunächst wurde der ursprüngliche<br />
Zustand der vorhandenen Trockenmauern<br />
ausführlich dokumentiert und<br />
jede Mauer aufgenommen, typisiert und<br />
bewertet. Die Arbeiten an den Mauern<br />
sollten sich an den traditionellen Bauweisen<br />
orientieren. Allerdings waren<br />
handwerkliche Fertigkeiten, die zum<br />
Bau der Mauern nötig sind, weitgehend<br />
in Vergessenheit geraten und mussten<br />
erst wieder erlernt werden. Es wurden<br />
sechs verschiedene Typen von Trockenmauern<br />
rekonstruiert. Die Einteilung in<br />
die verschiedenen Typen ist abhängig<br />
von der Belastung, die auf die Mauern<br />
wirkt, und der Mauerungsart. Hangdruck<br />
oder Verkehrslast sowie Versatz,<br />
Anlauf und Ausbildung der Mauerkrone<br />
spielen hierbei eine Rolle.<br />
Mit der Restaurierung der Stützmauern<br />
wurden die zwei Meter schmalen Dorfstraßen<br />
um ein bis anderthalb Meter<br />
verbreitert, um den Bewohnern die<br />
Zufahrt mit dem Auto zu ermöglichen.<br />
Die Straßen wurden dabei mit traditionellen<br />
Pflasterbelägen aus <strong>Naturstein</strong>en<br />
hergestellt. Es wurden ausschließlich<br />
<strong>Naturstein</strong>e aus der Region verwendet,<br />
vor allem Gneis aus dem nahe gelegenen<br />
Calancatal.<br />
Trockenmauern sind seit jeher ein<br />
Kennzeichen der Weinbaulandschaft.<br />
Auch in diesem Zusammenhang existieren<br />
interessante Projekte. So wurden<br />
beispielsweise in den steilen Weinbergen<br />
von Stäfa südlich von Rapperswil<br />
in der Schweiz spezielle Reptilienmauern<br />
errichtet, die mit ihrem Reichtum<br />
an Hohlräumen gezielt seltene und<br />
bedrohte Reptilien wie die Schlingnatter<br />
fördern sollen. Die Mauern sehen<br />
unkonventionell aus, erfüllen jedoch<br />
sowohl die Anforderungen an die<br />
Standsicherheit wie an die der Biotopfunktion.<br />
Trockenmauern und LandArt in<br />
England und Irland<br />
In England und Irland haben vor allem<br />
frei stehende Trockenmauern Tradition.<br />
Als Einfriedungen für Weiden und Markierungen<br />
der Grundstücksgrenzen prägen<br />
sie die Kulturlandschaft in Schottland,<br />
Wales und Irland jeweils im regionalen<br />
Stil. »Drystane dykes« ist die<br />
schottische Bezeichnung für Trockenmauer.<br />
Sie inspirieren immer wieder<br />
zeitgenössische Projekte. Zu nennen<br />
sind beispielsweise die Mauern des<br />
LandArt-Künstlers Andy Goldsworthy,<br />
der aus dem Südwesten Schottlands<br />
stammt und in seinen Arbeiten häufig<br />
Elemente aus seiner Heimat zum Vorbild<br />
nimmt. Zu diesem Thema gibt es<br />
praxisnahe Literatur wie das Buch »Irish<br />
Bau der Reptilienmauer bei Stäfa Typische Rollschicht-Abdeckung<br />
Das europäische Programm »Hercule«<br />
vereint insgesamt 22 Akteure aus vier<br />
bedeutenden europäischen Weinbaugebieten:<br />
Burgund in Frankreich, Douro in<br />
Portugal, das Wallis in der Schweiz<br />
sowie Wachau und Kremstal in Österreich.<br />
Eine wichtige Rolle darin spielten<br />
die Erhaltung, Konstruktion, Sanierung<br />
und Pflege der Terrassenmauern als<br />
Lebenslinien der Weinlandschaft. Im<br />
Zuge dieses Programms hat die Weinund<br />
Obstbauschule Krems, die als Projektleiter<br />
von Hercule in Österreich fungierte,<br />
im Jahr 2006 das »Handbuch<br />
Trockensteinmauern« herausgebracht,<br />
das speziell den Winzern die Wertschätzung<br />
und den Umgang mit Trockenmauern<br />
wieder näher bringen soll. Im technischen<br />
Teil orientiert sich das Handbuch<br />
an den Schweizer Schriften.<br />
Stone Walls« von Patrick McAfee oder<br />
die Broschüre »Dry Stone Walls« von<br />
Lawrence Garner. Die darin beschriebene<br />
typische frei stehende Trockenmauer<br />
ist bis zu 1,50 Meter, also fünf<br />
Fuß, hoch. Mehrfach wird die Idealhöhe<br />
von 4 feet 6 inches (1,37 Meter) genannt.<br />
Die Breite in der Basis beträgt<br />
etwa die Hälfte der Mauerhöhe, bei<br />
einer Höhe von 1,50 Metern also 75<br />
Zentimeter, die Breite im Kronenbereich<br />
unter der Abdeckung ein Viertel der<br />
Höhe (37,5 Zentimeter). Dies ergibt<br />
einen beidseitigen Anlauf von je 12,5<br />
Prozent (1:8). Charakteristisch sind wie<br />
beim Schweizer Typus Durchbinder –<br />
im Englischen throughstones – in regelmäßigen<br />
Abständen auf halber Höhe.<br />
Diese werden teilweise sogar als Trittstufen<br />
zum Übersteigen der Mauer<br />
54 STEIN TIME 1 I 08
TECHNIK<br />
angeordnet. Typisch sind Mauerabdekkungen<br />
aus Stein-Rollschichten (hochkant<br />
gestellte Steine).<br />
Für Stützmauern (retaining walls), die<br />
ohne statischen Nachweis errichtet werden,<br />
wird eine Maximalhöhe von 1,50<br />
Metern empfohlen sowie eine Dossierung<br />
von 1:6; das sind 16,6 Prozent.<br />
Es wird unterschieden zwischen einfachen<br />
oder doppelten Stützmauern.<br />
Letztere werden prinzipiell wie die frei<br />
stehenden Mauern ausgeführt und bis<br />
zum Geländeanschluss hinterfüllt.<br />
Als Besonderheiten fallen auch hier<br />
die Durchbinder auf, die in 50 und in<br />
100 Zentimeter Höhe in regelmäßigen<br />
Abständen eingebaut werden und bis in<br />
den anstehenden Boden des zu stützenden<br />
Hanges reichen. Die Breite des<br />
gesamten Mauerquerschnitts beträgt<br />
etwa die Hälfte der Höhe. Er besteht<br />
aus der sorgfältig aufgemauerten Sichtfläche<br />
der Mauer mit einer Dicke von<br />
einem guten Drittel bis – im oberen<br />
Bereich – einem Viertel der Mauerhöhe<br />
und der Hintermauerung bzw. Hinterfüllung<br />
aus kleineren Steinen und Bruch.<br />
Die Durchbinder verbinden Vor- und<br />
Hintermauerung miteinander und sollten<br />
etwas länger sein, als der gesamte<br />
Mauerquerschnitt breit ist.<br />
Praktische Rechenhilfe für schlanke<br />
»muretti a secco« aus Italien<br />
In Italien besteht eine uralte Trockenmauerbaukultur,<br />
von den Steilhang-Terrassierungen<br />
und Weideeinfriedungen<br />
im Norden des Landes bis hinunter in<br />
den Süden zu den »Trulli«, den charakteristischen<br />
in Trockenmauerwerk<br />
errichteten Rundbauten in Apulien.<br />
Die Erhaltung der unterschiedlichen von<br />
Trockenmauern geprägten Kulturlandschaften<br />
erfordert auch hier eine Auseinandersetzung<br />
mit den Methoden<br />
und Techniken des Trockenmauerbaus.<br />
Unter dem Titel »Metodologia e tecniche<br />
di costruzione dei muretti a secco«<br />
(engl.: »Methodology and building technique<br />
of dry-stone walling«) gab die<br />
Cooperativa Olivicola Arnasco in Ligurien<br />
im Jahr 2002 eine Hilfe zur Dimensionierung<br />
von Trockenmauer-Querschnitten<br />
für Schwergewichtsmauern<br />
heraus, die den häufig vernachlässigten<br />
Faktor des Erdreibungswinkels<br />
oder inneren Reibungswinkels<br />
in Form eines<br />
Parameters berücksichtigt.<br />
Der innere Reibungswinkel<br />
† ist der Winkel, unter<br />
dem sich Bodenmaterial<br />
natürlich aufschütten<br />
lässt, sodass sich eine<br />
stabile Böschung einstellt.<br />
Die Messung erfolgt im<br />
entwässerten Zustand. Die Mittelwerte<br />
für † liegen für bindige Böden bei<br />
20 bis 30 Grad und für nicht bindige<br />
Böden bei 30 bis 40 Grad.<br />
Die Tabelle rechts zeigt, welche Querschnittsproportionen<br />
sich bei der Verwendung<br />
des in der Broschüre verwendeten<br />
Koeffizienten in Abhängigkeit von<br />
† ergeben. Die Tabelle gilt ausschließlich<br />
für Schwergewichtsmauern, bei<br />
denen das an die Maueroberkante<br />
anschließende Gelände eben verläuft.<br />
Es ergeben sich Mauerdicken im Mauerfuß<br />
von etwas über einem Viertel bis<br />
knapp die Hälfte der Mauerhöhe. Für<br />
einen Erdreibungswinkel von 35 Grad<br />
bedeutet dies für eine 1,50 Meter hohe<br />
Mauer ohne Anlauf eine Mauerdicke<br />
von einem Drittel der Mauerhöhe, also<br />
50 Zentimeter. Die Dicke einer zwei<br />
Meter hohen Mauer bei einem Erdreibungswinkel<br />
von 30 Grad muss bei<br />
einer Dossierung von zehn Prozent im<br />
Fußbereich 74 Zentimeter (Faktor 0,37)<br />
und dementsprechend 54 Zentimeter<br />
im Kronenbereich betragen.<br />
Weder die Wichte – die Gewichtskraft<br />
bezogen auf das Volumen – des Bodens<br />
noch das Steingewicht werden bei dieser<br />
Berechnungsmethode berücksichtigt.<br />
Bei einer Spanne von etwa 16<br />
kN/m 3 bei porösem Kalktuff bis 30<br />
kN/m 3 bei dichtem Basalt ist dies ein<br />
wesentliches Defizit der Berechnungshilfe.<br />
Bei einer Bemessung der Mauern<br />
nach der deutschen Norm DIN 1054<br />
Baugrund – Sicherheitsnachweise im<br />
Erd- und Grundbau würden sich dieselben<br />
Querschnitte für eine Bodenwichte<br />
von 14 kN/m 3 und ein Steingewicht von<br />
24 kN/m 3 bei Ansatz des vollen Steingewichts,<br />
ohne Abschlag für die Trockenbauweise,<br />
errechnen. Dies zeigt,<br />
dass die italienischen Parameter im<br />
Erdreibungs- Verhältnis Mauerdicke im Fußbereich<br />
winkel † zu Mauerhöhe<br />
für Anlauf (Dossierung) von …<br />
0% 10% 20%<br />
20° 0,44 0,45 0,46<br />
25° 0,40 0,41 0,42<br />
30° 0,37 0,37 0,38<br />
35° 0,33 0,33 0,35<br />
40° 0,30 0,30 0,32<br />
45° 0,26 0,27 0,29<br />
Vergleich zum Sicherheitskonzept deutscher<br />
Normen eher mutig gewählt, die<br />
Mauern sehr schlank konzipiert sind.<br />
Trotzdem stellt das Tabellenwerk eine<br />
praxisnahe und einfach, jedoch mit Vorsicht,<br />
anwendbare Orientierungshilfe dar.<br />
Praxisnahes Regelwerk in Arbeit<br />
Aufgrund der vermehrten Schadensfälle<br />
im Landschaftsbau einerseits und des<br />
zunehmenden Verlustes von traditionellen<br />
Trockenmauern andererseits hat die<br />
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung<br />
Landschaftsbau (FLL) in Bonn<br />
im Januar dieses Jahres einen international<br />
besetzten Regelwerksausschuss<br />
Trockenmauern eingesetzt. Die FLL ist<br />
der wichtigste Regelwerksgeber für die<br />
grüne Planungs- und Baubranche in<br />
Deutschland. Der Ausschuss, der aus<br />
Hochschullehren, Ingenieuren sowie<br />
Planern, Bauausführenden und sonstigen<br />
Fachleuten aus der Praxis besteht,<br />
hat die Aufgabe, eine praxisnahe Empfehlung<br />
zu erarbeiten, in der die Anforderungen<br />
an den Trockenmauerbau klar<br />
geregelt sind, und die dazu beitragen<br />
soll, die Zukunft dieser nachhaltigen<br />
Bauweise zu sichern. n<br />
56 STEIN TIME 1 I 08
VÖN INTERN<br />
Euroroc<br />
Treffen der deutschsprachigen Arbeitsgruppe<br />
Innerhalb des europäischen <strong>Naturstein</strong>-Dachverbandes<br />
Euroroc treffen<br />
sich die Vertreter der deutschsprachigen<br />
Verbände aus Deutschland, Österreich<br />
und der Schweiz regelmäßig zu<br />
Arbeitstreffen, um sich über aktuelle<br />
Entwicklungen auf dem <strong>Naturstein</strong>sektor<br />
und die jeweiligen nationalen Projekte<br />
auf dem Laufenden zu halten.<br />
Die Vertreter der<br />
deutschsprachigen<br />
Verbände vor der<br />
Fassade des<br />
Granitzentrums<br />
Hauzenberg.<br />
Von österreichischer Seite ist die <strong>Vereinigung</strong><br />
<strong>Österreichischer</strong> <strong>Naturstein</strong>werke<br />
VÖN Mitglied bei Euroroc. Gastgeber<br />
beim Treffen im Februar <strong>2008</strong><br />
war das Granitzentrum Hauzenberg,<br />
ein Museum und Dienstleistungszentrum<br />
der Granitindustrie des Bayerischen<br />
Waldes.<br />
Bei der Beurteilung der Marktsituation<br />
stellten die Teilnehmer einen Rückgang<br />
der chinesischen Steinexporte<br />
fest. Die Auseinandersetzung rund um<br />
diese Steine habe zum einen die<br />
Öffentlichkeit auf die Folgen von Billigimporten<br />
für europäische <strong>Naturstein</strong>verarbeiter<br />
aufmerksam gemacht. Zum<br />
Euroroc-Generalsekretär Gerd Merke und<br />
der Geschäftsführer des Deutschen Naturwerkstein-Verbandes<br />
DNV, Reiner Krug.<br />
anderen habe die öffentliche Diskussion<br />
die Nachfrage nach <strong>Naturstein</strong><br />
allgemein belebt, das Image des<br />
<strong>Naturstein</strong>s als exklusiver und teurer<br />
Baustoff abgeschwächt und neue<br />
Käuferschichten an <strong>Naturstein</strong> herangeführt.<br />
Schon lange vor der breiten Öffentlichkeit<br />
beschäftigten sich die deutsch-<br />
sprachigen Steinverarbeiter mit dem<br />
Thema Ökobilanz von <strong>Naturstein</strong>. Bislang<br />
ist der Informationsstand innerhalb<br />
der europäischen Euroroc-Mitglieder<br />
sehr unterschiedlich, um objektive<br />
Vergleiche zu anderen Baustoffen wie<br />
Glas, Beton oder Aluminium ziehen zu<br />
können. Inzwischen wurde von der<br />
deutschen Regierung eine Studie in<br />
Auftrag gegeben, Daten für die Bewertung<br />
der Nachhaltigkeit vom Bauen mit<br />
<strong>Naturstein</strong> zu sammeln. Hierfür sind<br />
Informationen zur Gewinnung, Verarbeitung<br />
und dem laufenden Betrieb<br />
des fertigen Bauwerks relevant. Die<br />
deutschsprachige Arbeitsgruppe wird<br />
zu einer solchen empirischen Datenerhebung<br />
beitragen und die Studie konstruktiv<br />
begleiten.<br />
Grundsätzlich müsse in der Studie<br />
beim Vergleich verschiedener Steine<br />
berücksichtigt werden, dass europäische<br />
Materialien wegen der kürzeren<br />
Transportwege einen erheblich geringeren<br />
CO2-Ausstoß verursachen als<br />
Steine, die aus China, Indien oder<br />
anderen weit entfernten Abbaustätten<br />
stammen.<br />
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58; Norbert Kienesberger, Schlüßlberg, S. 7; Erich<br />
Schwab, Puch, S. 7; Quirrenbach, D-Lindlar, S. 8–9;<br />
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17; Claus Bach, D-Weimar S. 18–21; Stefan Müller,<br />
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S. 54; Naturnetz Pfannenstiel, CH-Zürich, S. 54<br />
58 STEIN TIME 1 I 08
Leistungsverzeichnis der Mitglieder der<br />
MITGLIEDER<br />
Steinmetzbetriebe Franz Bamberger GmbH<br />
Wr. Neust dter Stra§e 137 —139, 2514 - Trais<br />
kirchen<br />
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www.marmorwelt.com, bamberger@naturstein.co.at<br />
Steinmetzmeisterbetrieb<br />
Wolfgang Ecker Ges.m.b.H.<br />
Badener Stra§e 25, 2514 Traiskirchen<br />
Tel. 022 52/52 22 40, Fax 5222 47<br />
www.ecker-stein.at, office@ecker-stein.at<br />
Komm. Rat. Johann<br />
Gersthofer Ges.m.b.H.<br />
Schulstra§e 4, 2632 Grafenbach<br />
Tel. 026 30/3 71 13, Fax3 71 13-19<br />
www.gersthofer.at, stein@gersthofer.at<br />
Marmor-Industrie Kiefer GmbH<br />
Wiestalstra§e 10, 5411 Oberalm<br />
Tel. 062 45/835 04, Fax 835 05 33<br />
www.marmor-kiefer.at, office@marmor-kie -<br />
fer.at<br />
Kienesberger Steinmetzmeister GmbH & Co.<br />
KG<br />
Au 17, 4707 Schl sselberg<br />
Tel. 072 48/682 95, Fax 682 95-7<br />
www.kienesberger-stein.at,<br />
nk@kienesberger-stein.at<br />
Josef Kogler <strong>Naturstein</strong>bruch<br />
und Schotterwerk GmbH<br />
Steinweg 2, 9554 St. Urban<br />
Tel. 042 77/82 41, Fax 8241 11<br />
www.Kogler-natursteinwerk.at, - kog<br />
ler.naturstein@aon.at<br />
Lauster <strong>Naturstein</strong> GmbH<br />
Krastaler Stra§e 28, 9541 Ein de b. Villach<br />
Tel. 042 48/27 82, Fax 2017<br />
www.laustersteinbau.de,<br />
krastal@lausternaturstein.at<br />
Matschy GmbH Stein & Design<br />
Wiener Stra§e 65, 8605 Kapfenberg<br />
Tel. 038 62/224 52, Fax 2245 24<br />
www.matschy.com, office@matschy.com<br />
<strong>Naturstein</strong> Montage GmbH<br />
Engerthstra§e 169, 1020 Wien<br />
Tel. 01/9 55 14 55, Fax 955 14 55 65<br />
office@natursteinmontage.com<br />
Poschacher <strong>Naturstein</strong>werke GmbH & Co. KG<br />
Poschacherstra§e 7, 4222 St. Georgen<br />
Tel. 072 37/33 33, Fax 333 34 44<br />
www.poschacher.com,<br />
office@poschacher.com<br />
Rada <strong>Naturstein</strong> GmbH<br />
Johannessiedlung 1, 2170 Poysdorf<br />
Tel. 025 52/24 00, Fax 240 06<br />
www.rada.at, office@rada.at<br />
Steinmetzunternehmen Reinisch GmbH<br />
Hainsdorf 8, 8421 Wolfsberg<br />
Tel. 031 84/24 08-0, Fax 2408-24<br />
www.stein.at, office@stein.at<br />
S lker Marmor GmbH<br />
Reith 279, 8961 Kleins lk<br />
Tel. 036 85/22 21 60, Fax 222 16 19<br />
www.soelker.at, office@soelker.at<br />
T tigkeits- <strong>Naturstein</strong>arbeiten <strong>Naturstein</strong>arbeiten Innen- T tigkeits-<br />
Mitarbeiter<br />
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