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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Romanistik und Anti-Kommunismus 303<br />

gestellt im ,positiven Helden 114 '": von allen meinen Rezensenten,<br />

auch den „linken", nahm daran keiner Anstoß. Und wenn Harald<br />

Weinrich bemerkt, die Literatursoziologie „braucht zwar nicht unbedingt<br />

Sartres marxistische Gesellschaftsanalyse" 115 , dann zeigt<br />

sich die unbewußte Infizierung selbst bei ihm, der zu den wenigen<br />

Romanisten gehört, die dem gemeinen Anti-Kommunismus auszuweichen<br />

wußten. Im übrigen aber gehören die von Wolfgang Fritz<br />

Haug in seinem Buch Der hilflose Antifaschismus analysierten antikommunistischen<br />

bzw. anti-marxistischen Ideologeme wie z. B. die<br />

Gleichsetzung von „links" und „rechts" zur bewußten oder unbewußten,<br />

reflektierten oder nicht-reflektierten Praxis der alltäglichen<br />

Ideologieproduktion auch in der bundesrepublikanischen Romanistik<br />

116 .<br />

14. Provinz<br />

In seinem Essay Deutsche und französische Literatur — inneres<br />

Reich und Einbürgerung des Dichters wies Robert Minder nicht nur<br />

auf das grundverschiedene Verhältnis von Intellektuellem ganz allgemein<br />

und vom Autor im speziellen zur Gesellschaft in Frankreich<br />

und Deutschland hin, er bemerkte auch, daß die deutsche Geisteswissenschaft<br />

— Germanistik und Geschichte — von den wichtigsten<br />

gesellschaftlichen Erkenntnissen der modernen Zeit unberührt geblieben<br />

ist: in Paris und London, den damaligen Zentren der industriellen<br />

Entwicklung hätten Marx und Engels die „erste Fundamental-Analyse<br />

des modernen Gesellschaftsapparates" angefertigt: „Inwiefern<br />

diese von hegelianischen Grundeinsichten durchleuchteten<br />

Darstellungen auch heute noch Geltung besitzen, ist eine andere<br />

Frage. Germanistik und Geschichtsschreibung haben offiziell bis<br />

1945 kaum Notiz von ihr genommen, Außenseiter wie Franz Mehring<br />

als Stiefelputzer des niedrigsten Materialismus verhöhnt und<br />

sich dabei immer ungehemmter dem Mythos des Germanentums<br />

verschrieben 117 ."<br />

Ihm widersprach von romanistischer Seite Fritz Schalk erregt:<br />

schon lange habe man auch vor 1945 Marx mit Hilfe von M. Weber<br />

und H. Oncken studiert, die „Auseinandersetzung mit den Ideen des<br />

Marxismus" sei „1933 bis 1945 nur unterbrochen" gewesen und<br />

man habe sie „sofort nach dem Zweiten Weltkrieg" wieder aufnehmen<br />

dürfen 118 . Sollte Minder die Replik von Schalk gelesen haben,<br />

so könnte es sein, daß er sie nicht ohne weiteres begriff. In der Tat<br />

114 Kunst, Politik und Schelmerei, Frankfurt/M./Bonn 1969, 105; 229.<br />

115 Literatur <strong>für</strong> Leser, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1971, 27.<br />

116 Cf. zum Beispiel F. Schalk, Über fanatique und fanatisme in<br />

Exempla romanischer Wortgeschichte, Frankfurt/M. 1966, 60—74, oder<br />

meinen eigenen Aufsatz Der Herrenmensch bei Jean-Paul Sartre und<br />

Heinrich Mann, Akzente 1969, 460—479, 478.<br />

117 Hier zitiert in Robert Minder, Acht Essays zur Literatur, Frankfurt/M.<br />

1969, 28—58, 49.<br />

118 Arcadia, Band 1, Héft 1, 97—103.

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