Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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282 Michael Neriich erweitert haben 21 ." Befestigt gegen „Straßenaufstände und Revolutionen", die sich „in der Tat" „ohne Galgenvögel" nicht realisieren lassen 22 , und erweitert nicht etwa für die „ewige Masse", der man ohnehin nicht austreiben kann, „sich als Masse zu benehmen und ihre trüben Träume für Erkenntnisse zu halten und als Wahrheiten aufzustellen 23 ". In dieser „echten Civitas humani generis" der Croce und Vossler herrscht freilich nicht die nach Vossler „entehrende Angst vor Hunger", eher schon die vor der „Anarchie" 24 , wie sie wohl vor allem in „den kulturärmeren Randvölkern des Ostens" 25 anzutreffen war: in der „echten Civitas humani generis" sprach man Griechisch, allenfalls noch Latein oder irgendeine menschenwürdige Sprache wie Italienisch oder Deutsch, nicht aber Esperanto. Denn: „Man kann den Esperantozujccfc nicht verwirklichen, ohne eine Esperantogesinnung zu erzeugen oder zu haben. Diese Gesinnung heißt Pazifismus, Internationalismus, radikaler Sozialismus, Kommunismus, Rationalismus, absolute Gleichmacherei, Utilitarismus und Technizismus 26 ." Das sind die Dinge, von denen der Forscher sich freizuhalten, die er zu fürchten hat: Gott sei Dank aber gibt es noch positive Kräfte, die diese Perversionen bekämpfen, die im Innern gegen „unsere undeutschen Schwarmgeister..." vorgehen, „die der Menschheit außerhalb aller nationalen Verbände glauben dienen zu müssen 27 ", und die auch im Land der Inquisition nach Recht und Ordnung sehen: der Krieg", jauchzt Vossler 1938, noch bevor die Faschisten das freie Spanien erschlagen, bevor sie mit Hilfe der italienischen und deutschen Faschisten die Republik beseitigt hatten, „der Krieg, den heute General Franco gegen den Bolschewismus führt, ist es nicht wiederum ein Glaubenskampf 28 ?" In diesem Sinn hielten sich die Vertreter der „haarscharfen Ehrlichkeit des Erkenntniswillens" von der Politik „fern" und blieben natürlich „rein" von all jenen Esperantismen, die zum Entsetzen von Vossler „den deutschen Eisenbahnern" „gratis" beigebracht wurden 29 , und in eben diesem Sinn erhob auch der berühmteste Vertreter des „reinen Geistes" seine Stimme: „in einem stehen die Universitäten geschlossen zusammen", verkündet E. R. Curtius 1932 in Deutscher Geist in Gefahr, „in dem 21 Einleitung zu K. Vossler, Die romanischen Kulturen und der deutsche Geist. Es handelt sich um Vorträge von Vossler, die dieser 1925 gehalten hat, die 1948 beim Klett Verlag in Stuttgart erschienen und in dieser Ausgabe nachgedruckt wurden in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt 1963, 8—9. 22 Ib. 6. 23 Ib. 5. 24 Ib. 47. 25 Ib. 49. 26 K. Vossler, Gesammelte Aufsätze zur Sprachphilosophie, München 1923, 259. 27 Die romanischen Kulturen und der deutsche Geist, ed. cit., 65. 28 Spaniens große Dichter in Die Romanische Welt, München 1965, 238 bis 242, 238. 29 Gesammelte Aufsätze zur Sprachphilosophie, 1. c., 259.
Romanistik und Anti-Kommunismus 283 ernsten und hundertfach erhärteten Willen, den politischen Kampf aus der Universität fernzuhalten 30 ". 5. Der Frontkämpfergeist Es gibt einen Mythos, eine Ernst-Robert-Curtius-Legende: 1932, so etwa lautet sie, stand der Bonner Gelehrte mannhaft auf und schleuderte den Nationalsozialisten sein romanistisches „J'accuse" entgegen. Dann freilich kamen die Nazis trotzdem, und Curtius verstummte und wandte sich voll Ekel von der Gegenwart ab und dem Mittelalter zu. Curtius ging in die innere Emigration. Kein bundesdeutscher Romanist, der nicht mit Curtius erzogen wäre, kein oder doch kaum ein bundesdeutscher Romanist, der diese Curtius-Legende nicht kennt, denn er, der große Curtius selbst hat sie uns allen erzählt: 1952, zwanzig Jahre später schrieb er in vollendeter Bescheidenheit über das „Büchlein Deutscher Geist in Gefahr", es habe ihm „im März 1933 eine Rüge des Völkischen Beobachters" eingetragen: „Ich war und blieb zwölf Jahre hindurch persona ingrata .. . 31 ." Auf den geistigen Widerstand des Bonner Gelehrten waren wir stolz: so integer war die Romanistik, so integer war der große Curtius, daß er zwölf Jahre hindurch von den Nazis zum Schweigen verurteilt war (auf die eine vornehm-warnende Stimme von Werner Krauss aditeten wir nicht: wer glaubt in der BRD schon einem Kommunisten?) 32 . Und es ist ja auch richtig: Curtius wendet sich in seinem „Büchlein", das im Gegensatz zu vielen anderen seiner Schriften nach 1945 keine Neuauflage erlebt hat, gegen die Bildungs- und Kulturfeindlichkeit der Nationalsozialisten, deren Haß auf die „westliche Zivilisation" er zum Teil verurteilt. Die Probleme der Bildung, so schreibt er, könnten im Grunde am besten vom „Zentrum" betreut und gelöst werden, doch wenn diese Partei auch „heute zum Vorkämpfer der bedrohten Wissenschaft und Forschung geworden" sei, sei sie doch insgesamt unbrauchbar, denn das „Zentrum" „versteht" „freilich", „seine eigenen Geschäfte (unauffällige Personalpolitik!) zu besorgen 38 ". Das „Heil" kann daher von dieser Partei nicht ausgehen 34 ; es kann erst aus neuer, nationaler Besinnung erwachen! „Aber wie steht es mit dem Kulturbegriff der nationalen Bewegung?", fragt Curtius besorgt: „Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Denn die Parteien, Gruppen und Kreise, die sich als .national' bezeichnen, weisen die stärksten Unterschiede und Gegensätze auf. Ich schließe daraus, daß wir heute in Deutschland den wahren Nationalismus noch gar nicht haben 85 ." 30 Stuttgart/Berlin (2. Aufl.) 1932, 75. 31 Rückblick 1952 in Französischer Geist im zwanzigsten Jahrhundert, 1. c., 527. 32 Cf. W. Krauss, Literaturgeschichte als geschichtlicher Auftrag, in: Studien und Aufsätze, Berlin 1959,19—71, 58—59. 33 Bildungsabbau und Kulturhaß, in: Deutscher Geist in Gefahr, ed. cit., 36. 34 Cf. ib. 44—46. 35 Ib. 34.
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die sich „in der Tat" „ohne Galgenvögel" nicht realisieren<br />
lassen 22 , und erweitert nicht etwa <strong>für</strong> die „ewige Masse", der man<br />
ohnehin nicht austreiben kann, „sich als Masse zu benehmen und<br />
ihre trüben Träume <strong>für</strong> Erkenntnisse zu halten und als Wahrheiten<br />
aufzustellen 23 ".<br />
In dieser „echten Civitas humani generis" der Croce und Vossler<br />
herrscht freilich nicht die nach Vossler „entehrende Angst vor Hunger",<br />
eher schon die vor der „Anarchie" 24 , wie sie wohl vor allem<br />
in „den kulturärmeren Randvölkern des Ostens" 25 anzutreffen war:<br />
in der „echten Civitas humani generis" sprach man Griechisch, allenfalls<br />
noch Latein oder irgendeine menschenwürdige Sprache wie Italienisch<br />
oder Deutsch, nicht aber Esperanto. Denn: „Man kann den<br />
Esperantozujccfc nicht verwirklichen, ohne eine Esperantogesinnung<br />
zu erzeugen oder zu haben. Diese Gesinnung heißt Pazifismus, Internationalismus,<br />
radikaler Sozialismus, Kommunismus, Rationalismus,<br />
absolute Gleichmacherei, Utilitarismus und Technizismus 26 ." <strong>Das</strong><br />
sind die Dinge, von denen der Forscher sich freizuhalten, die er zu<br />
<strong>für</strong>chten hat: Gott sei Dank aber gibt es noch positive Kräfte, die<br />
diese Perversionen bekämpfen, die im Innern gegen „unsere undeutschen<br />
Schwarmgeister..." vorgehen, „die der Menschheit außerhalb<br />
aller nationalen Verbände glauben dienen zu müssen 27 ", und die<br />
auch im Land der Inquisition nach Recht und Ordnung sehen:<br />
der Krieg", jauchzt Vossler 1938, noch bevor die Faschisten das<br />
freie Spanien erschlagen, bevor sie mit Hilfe der italienischen und<br />
deutschen Faschisten die Republik beseitigt hatten, „der Krieg, den<br />
heute General Franco gegen den Bolschewismus führt, ist es nicht<br />
wiederum ein Glaubenskampf 28 ?" In diesem Sinn hielten sich die<br />
Vertreter der „haarscharfen Ehrlichkeit des Erkenntniswillens" von<br />
der Politik „fern" und blieben natürlich „rein" von all jenen Esperantismen,<br />
die zum Entsetzen von Vossler „den deutschen Eisenbahnern"<br />
„gratis" beigebracht wurden 29 , und in eben diesem Sinn<br />
erhob auch der berühmteste Vertreter des „reinen Geistes" seine<br />
Stimme: „in einem stehen die Universitäten geschlossen zusammen",<br />
verkündet E. R. Curtius 1932 in Deutscher Geist in Gefahr, „in dem<br />
21 Einleitung zu K. Vossler, Die romanischen Kulturen und der deutsche<br />
Geist. Es handelt sich um Vorträge von Vossler, die dieser 1925 gehalten<br />
hat, die 1948 beim Klett Verlag in Stuttgart erschienen und in dieser<br />
Ausgabe nachgedruckt wurden in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft,<br />
Darmstadt 1963, 8—9.<br />
22 Ib. 6.<br />
23 Ib. 5.<br />
24 Ib. 47.<br />
25 Ib. 49.<br />
26 K. Vossler, Gesammelte Aufsätze zur Sprachphilosophie, München<br />
1923, 259.<br />
27 Die romanischen Kulturen und der deutsche Geist, ed. cit., 65.<br />
28 Spaniens große Dichter in Die Romanische Welt, München 1965, 238<br />
bis 242, 238.<br />
29 Gesammelte Aufsätze zur Sprachphilosophie, 1. c., 259.