Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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<strong>Das</strong> Amt „Schönheit der Arbeit" 269<br />
soll „echte Freude und Befriedigung" (60) vermitteln. „<strong>Das</strong> Gefühl,<br />
sein Bestes geleistet zu haben, gibt Selbstbewußtsein und Stolz" (60).<br />
„Sein Bestes geleistet zu haben" heißt: seine Arbeitskraft im Verwertungsprozeß<br />
optimal eingesetzt zu haben, heißt: die Forderungen,<br />
die das Kapital stellt, sich selbst gestellt und erzielt zu haben. Mit<br />
dieser Konstruktion kann weiterhin jede Verbesserung in der Produktionssphäre,<br />
die eingesetzt wird, um noch mehr Mehrwert zu<br />
erpressen, in ein Mittel zur Steigerung der „Arbeitsfreude" umgefälscht<br />
werden, denn „je höher die Leistung, um so größer die<br />
Arbeitsfreude" (74). „Jawohl, auch das nationalsozialistische Deutschland<br />
verlangt Höchstleistungen von jedem im Interesse der Volksgemeinschaft,<br />
aber es verlangt diese nicht von einer proletarischen<br />
Arbeitnehmerschaft, sondern von einem innerlich freien Menschentum,<br />
das Anteil an dem Schicksal seiner Nation nimmt... 1 0 ."<br />
Alle Maßnahmen der Rationalisierung und Intensivierung der<br />
Arbeit wurden somit zur Scheinbefriedigung des Bedürfnisses der<br />
Massen „nach nichtentfremdeter, also von den Massen nicht bloß<br />
besitzmäßig, sondern auch inhaltlich angeeigneter gesellschaftlicher<br />
wie individueller Praxis verwendet 11 ". „Arbeit und Arbeitsstätte<br />
haben heute im Bewußtsein des deutschen Menschen wieder eine<br />
edle und schöne Sinngebung erlangt. Der deutsche Mensch hat wieder<br />
ein inneres Verhältnis zu seiner Arbeit und damit auch zu seiner<br />
Arbeitsstätte gewonnen" (123). Jedoch war die Produktion des schönen<br />
Scheins nicht so geschlossen, daß sie ihre Absicht nicht verrät:<br />
„Es sind Beispiele vorhanden, wo allein durch eine Gliederung und<br />
Gestaltung der Arbeit nach diesen Gesichtspunkten bis dahin unwirtschaftlich<br />
arbeitende Betriebe zu wirtschaftlich sicheren und<br />
festgefügten Unternehmen wurden" (74).<br />
2. „Innerlich freies Menschentum"<br />
Nachdem die Konstruktion aufgezeigt wurde, mit der die Faschisten<br />
operierten, um die Ausbeutung als „Glück" darzustellen, wird<br />
nun eine Konstruktion untersucht, mit der sie versuchten, das Klassenbewußtsein<br />
der Arbeiter aufzuheben und die Tatsache zu verschleiern,<br />
daß die Arbeiter dem Kapital nur als Ausbeutungsobjekt<br />
zählen. Die Arbeiterklasse hatte in den zwanziger Jahren erbittert<br />
um ihre Rechte und um die Verbesserung ihrer Lage gekämpft.<br />
Die Bourgeoisie versuchte selbstverständlich immer in ihrem Klasseninteresse,<br />
den Arbeitern durch gekaufte Ideologen den wissenschaftlichen<br />
Sozialismus als falsch zu beweisen. <strong>Das</strong> taten auch die<br />
Nazis, wenn audi gründlicher, denn sie zerschlugen zudem die Gewerkschaften<br />
und die Arbeiterparteien, und sie ermordeten viele<br />
klassenbewußte Arbeiter in den Konzentrationslagern.<br />
„Die weltfremden Apostel der geistigen Verklärung des Lebens<br />
10 Dr. Daescher, „Die Deutsche Arbeitsfront", München 1934, S. 76.<br />
11 W. F. Haug, Die Rolle des Ästhetischen bei der Scheinlösung von<br />
Grundwidersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft, in: <strong>Das</strong> <strong>Argument</strong><br />
64, 13. Jg., Heft 3, S. 211.