30.01.2013 Aufrufe

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

266 Chup Friemert<br />

Der Unzufriedenheit über zu wenig Lebensmittel wurde gesamtgesellschaftlich<br />

vom faschistischen Staat begegnet, der seinerseits<br />

Geld zur Finanzierung der Rüstung benötigte. Er verordnete ein<br />

Zwangssparprogramm, um an das von den Arbeitern ersparte Geld<br />

zu kommen und es der Verwertung zuzuführen. Versprochen wurde<br />

ihnen da<strong>für</strong> ein Volkswagen. Der Unzufriedenheit über zu niedrige<br />

Löhne wurde einerseits durch die beständige Drohung weiterer gewalttätiger<br />

Disziplinierung begegnet, andrerseits — im Bereich jeden<br />

individuellen Kapitals — durch die Produktion von sozialem Schein<br />

in der Produktionssphäre. „Um diese große soziale Tat (des Zwangssparprogramms<br />

<strong>für</strong> einen Volkswagen) des neuen Deutschland zu<br />

fördern, hat der Betriebsführer . . . an alle Gefolgschaftsmitglieder,<br />

bei denen die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben waren,<br />

den Aufruf erlassen, von dieser beispiellosen Sozialeinrichtung Gebrauch<br />

zu machen . . . " „Da sich in den Reihen der Gefolgschaft auch<br />

Arbeitskameraden, insbesondere solche mit kinderreichen Familien,<br />

befinden, die sich an dieser Sparaktion nicht beteiligen können", hat<br />

der „Betriebsführer" zunächst zwei Volkswagen auf „Betriebskosten"<br />

gekauft. „Diese Wagen wurden an solche Gefolgschaftsangehörige, die<br />

nach ihrer sozialen Lage und ihrem Einkommen . . . (keinen) eigenen<br />

Volkswagen (erwerben können,) kostenlos zur Verfügung gestellt"<br />

(240). An diesem Zitat wird deutlich, wie differenziert mit dem<br />

Schein umgegangen wurde. Die Arbeiter, die sparfähig waren, wurden<br />

durch das Versprechen, einen eigenen Wagen zu bekommen, dazu<br />

animiert, Zwangssparmaßnahmen gutzuheißen und als „beispiellose<br />

Sozialeinrichtung" zu betrachten. Die Arbeiter jedoch, die<br />

nicht genug verdienten, um sparen zu können, deren Lohn also gerade<br />

ausreichte, um sich und ihre Familie zu ernähren, konnten<br />

nicht mit dieser Versprechung geködert werden. Ihnen wurde vom<br />

Kapital „zu Ausfahrten mit ihrer Familie unter Beigabe eines<br />

Fahrers" ein KdF-Wagen zur Verfügung gestellt. Dadurch sollte verhindert<br />

werden, daß die Arbeiter, die in der schlechtesten Lage<br />

waren, durch den bloßen Schein dieser „Sozialeinrichtung" unzufrieden<br />

wurden.<br />

<strong>Das</strong> Geld <strong>für</strong> solche Inszenierungen erhielten die einzelnen Kapitalisten<br />

zum Teil vom Amt „Schönheit der Arbeit"; soweit es jedes<br />

individuelle Kapital selbst aufbringen mußte, konnte es aus den<br />

eingesparten Zirkulationskosten genommen werden 7 . Staat und<br />

7 <strong>Das</strong> Amt „Schönheit der Arbeit" brauchte zur Realisierung seiner<br />

Pläne nicht nur Geld, sondern auch Menschen, die in der Lage und bereit<br />

waren, mitzuarbeiten. <strong>Das</strong> waren Künstler, Architekten und Ingenieure.<br />

Viele Künstler, die lange Zeit brotlos waren, die die Not kannten, aber<br />

nicht den Weg ihrer Beseitigung, bekamen nun Arbeit und Brot. Man<br />

„beschränkt sich nicht darauf, Kunstausstellungen jeder Art in den Betrieben<br />

durchzuführen" (238), sondern war bestrebt, die Künstler in den<br />

Betrieben arbeiten zu lassen. Am Schluß einer jeden solchen Schaffensperiode<br />

sollte dann der Künstler seine Arbeiten ausstellen. „<strong>Das</strong> Hauptstück<br />

einer solchen Ausstellung ist das Werkmotiv, das als Ölbild im<br />

Auftrage des Betriebsführers gestaltet wird. Der Auftrag auf dieses

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!