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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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264 Chup Friemert<br />

zen, aufrechten und gleichberechtigten Volksgenossen" zu machen.<br />

Dieses Eingeständnis, daß sie nicht gleichberechtigt waren, verknüpften<br />

die Faschisten aber sofort mit dem Hinweis auf den Weg<br />

zur Gleichberechtigung. Erreichen könnten die Arbeiter sie nur dadurch,<br />

daß sie Teil der „Betriebsgemeinschaft" wurden, um dort alle<br />

Fähigkeiten zu lernen, die ihre Führer selbstverständlich hatten:<br />

„Kameradschaftsgeist", „Treue", „Ordnungsliebe" und „Pflichterfüllung".<br />

Die Faschisten versuchten, den Arbeitern klarzumachen,<br />

daß die „Führer" — und vor allem die des Betriebes — nicht deshalb<br />

Führer waren, weil sie Kapitalisten waren, sondern weil sie mit all<br />

diesen „Tugenden" von der Natur ausgestattet seien, und sie versprachen,<br />

daß die Arbeiter unter ihrer Führung diese Tugenden<br />

erwerben könnten, aber nicht um Führer, sondern um „treue Gefolgsmänner"<br />

zu werden.<br />

Die Beschreibung des ökonomischen Effekts zielte auf das Kapital.<br />

<strong>Das</strong> Amt „Schönheit der Arbeit" inserierte sich als eine <strong>Institut</strong>ion,<br />

die den Arbeitsprozeß wissenschaftlich durchforscht hat und diese<br />

Ergebnisse in die Praxis umsetzt bzw. umzusetzen hilft. <strong>Das</strong> Amt<br />

zeigte sich als Sachwalter der materiellen Interessen des Kapitals, da<br />

alle Empfehlungen, die es gab, zur Verbesserung der Verwertungsbedingungen,<br />

zur Erhöhung des Profits beitrugen. Da die Faschisten<br />

aber darauf achten mußten, daß die Sprache, mit der sie den ökonomischen<br />

Effekt beschrieben, nicht zum Verräter der Interessen<br />

wurde, wurde nicht in der Sprache des Verwertungsprozesses, sondern<br />

in der des Arbeitsprozesses formuliert: „Förderung der Leistungsfähigkeit"<br />

(74), „Beschleunigung des Verkehrs" (42), „Interesse<br />

der Verkehrssicherheit" (54), „Behinderung ausschalten" (52) etc.<br />

Gleichzeitig wurde versucht, die Verbesserung der Produktionsmittel<br />

als Segen <strong>für</strong> die Arbeiter darzustellen, indem nicht im Klartext<br />

formuliert wurde: mit besseren Werkzeugen und mit besseren Arbeitsplätzen<br />

kann der Profit erhöht werden, sondern indem gesprochen<br />

wurde von „Erleichterung der Arbeit" (74), „arbeitstechnisch<br />

zweckvoll" (60), „bei der Arbeit besonders störend" (42), „Ermüdungserscheinungen<br />

verhindern" (92) etc. Es war von vornherein<br />

klar, daß die verhinderten Ermüdungserscheinungen dem Kapital<br />

zugute kamen, da die Arbeiter die eingesparte Energie auch wieder<br />

verausgabten bei der Produktion von Mehrwert. Die Verbesserung<br />

der vergegenständlichten Produktionsfaktoren war die materielle<br />

Voraussetzung zur Verschärfung der Ausbeutung.<br />

<strong>Das</strong> Amt „Schönheit der Arbeit" empfahl dem Kapital nicht nur<br />

Ausbeutung, sondern auch Mäßigung. Aber nicht etwa bei der Ausbeutung<br />

der Arbeitskraft, sondern bei der Selbstdarstellung des<br />

Kapitals. Im „Taschenbuch Schönheit der Arbeit" wird festgestellt:<br />

„... Die ungehemmte Profitgier (hat) auch auf dem Gebiet der Reklame<br />

zu unsinnigen Auswüchsen geführt" (46). „ . . . Überall tobte<br />

sich ein Konkurrenzkampf aus, der weder auf Geschmack noch Vernunft<br />

achtete" (46). Ohne die Profitgier zu hemmen, empfahl das<br />

Amt „Schönheit der Arbeit" im Einklang mit dem „Werberat der<br />

deutschen Wirtschaft", man sollte „im Rahmen einer schönen und

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