Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Sachlichkeit und Industrie 247<br />
„Hochschule <strong>für</strong> Kunsterziehung" in Berlin geholt 14 . Der Name von<br />
Hans Severus Ziegler, den man geradezu als Repräsentanten der Malerei<br />
des deutschen Faschismus betrachten kann und der auch die<br />
Ausstellung „Entartete Kunst" mitorganisiert hat, hatte sich wohl<br />
doch in Rohs Liste neusachlicher Maler 18 nicht nur, wie es Schmied<br />
darstellt, „verirrt" (69).<br />
Ähnlich verfährt Schmied mit dem Zusammenhang zwischen Neuer<br />
Sachlichkeit und Sozialistischem Realismus. Zwar vermag er hier<br />
„eher eine Beziehung" (70) zu sehen, doch bestimmt er die Maler,<br />
deren Realismus nie den gesellschafts<strong>kritische</strong>n Anspruch vergessen<br />
ließ, gleich als jene, „denen im Zuge ihrer Entwicklung ihre linke<br />
Gesinnung wichtiger wurde als alle Fragen künstlerischer Realisierung"<br />
(ebd.). Seine einleitende Bemerkung, die „Aktualität der<br />
Neuen Sachlichkeit [sei] vergangen" (11), sein Schluß, „keiner der<br />
Künstler der Neuen Sachlichkeit hat nach 1945 an seine einstige<br />
präzise und überzeugende Malweise anzuknüpfen vermocht" (<strong>72</strong>),<br />
sollen wohl vor allem diesen in der DDR sehr bewußten Zusammenhang<br />
ableugnen. <strong>Das</strong> fällt ihm um so leichter, als er z. B. Hans und<br />
Lea Grundig, Kurt Querner, Otto Griebel oder Wilhelm Lachnit<br />
außer bei einigen Namensaufzählungen in den Anhang verbannt,<br />
Lachnits bedeutendes „Portrait des Kommunisten Fröhlich" gänzlich<br />
fehlen läßt. Diese Verkürzung der Neuen Sachlichkeit entspringt<br />
nicht nur der zeitlichen Eingrenzung auf die Jahre 1918—1933. Wenn<br />
Schmied ein so sozial<strong>kritische</strong>s Bild wie Dix' „Der Streichholzhändler"<br />
folgendermaßen interpretiert: „Hier geht es nicht um Bewältigung<br />
der Welt, sondern um das Unbewältigbare, das sich niemals<br />
ohne Rest in reine Kunst verwandeln lassen wird" (40), so muß das<br />
dahin verstanden werden, daß Schmied die Neue Sachlichkeit generell<br />
um ihren Versuch, gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen<br />
und darzustellen, beschneiden möchte.<br />
Nun sind wesentliche Vertreter der Neuen Sachlichkeit durchaus<br />
nicht falsch charakterisiert, wenn Schmied ihren „leidenschaftslos<br />
registrierenden Feststellungswillen" (50) dadurch näher bestimmt,<br />
daß sie „ohne feststehenden eigenen Standpunkt" immer die „Perspektive<br />
des Dargestellten" (ebd.) eingenommen, die Welt dargestellt<br />
hätten, „ohne sie ändern zu wollen" (51) 18 . Die Betonung des eigenen<br />
14 Vgl. Pförtner, Matthias: Georg Schrimpf. Berlin (Rembrandt Verlag)<br />
1940, S. 17. Dieser Band aus der Reihe „Die Kunstbücher des Volkes" verweist<br />
auch auf die zahlreichen Aufträge von „Persönlichkeiten des Staates",<br />
die Schrimpf erhielt. Als Besitzer seiner Bilder nennt der Anhang<br />
neben Günther Wagner (Pelikan), „Reichsminister Darré" und „Reichsminister<br />
Heß" (3 Bilder). Zu dem bei Pförtner entstellt wiedergegebenen<br />
Lebenslauf Schrimpfs vgl. Schmied, S. 304, sowie auch die beiden autobiographischen<br />
Bücher Oskar Maria Grafs „Wir sind Gefangene" und<br />
„Gelächter von Außen".<br />
15 Die Liste aus Roh, Nach-Expressionismus, dokumentiert Schmied<br />
S. 239.<br />
16 Diese Charakterisierungen beziehen sich bei Schmied auf Christian<br />
S chad.