30.01.2013 Aufrufe

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Günter Giesenfeld<br />

Zum Stand der Trivialliteratur-Forschung<br />

233<br />

Am Beispiel der Trivialliteraturbehandlung 1 zeigt sich die Borniertheit<br />

der bürgerlichen Literaturwissenschaft mit exemplarischer<br />

Schärfe. Der auch bei anderen Themen übliche Streit um Definitionen,<br />

Abgrenzungen, Einordnungen und Wertungen ist hier noch<br />

heftiger als sonst und führt dazu, daß statt über den Gegenstand<br />

selbst nur über die Frage seiner Aufnahme in die wissenschaftliche<br />

(sprich ästhetisch wertende) Betrachtung diskutiert wird. Verwundert<br />

beklagen es dann die Sachwalter der literarischen Literaturkritik,<br />

daß dieses Gebiet inzwischen von Soziologen, Psychologen<br />

oder Politologen aufgegriffen wird, und sprechen erbost von „Annexion"<br />

(a 180 und 188). Mit verschiedenem Nachdruck wird in allen<br />

neueren Untersuchungen zu diesem Thema immer nöch peinlich auf<br />

Beibehaltung eines literaturbetrachtenden Standpunktes geachtet.<br />

Selbst da, wo eine rein ästhetisch wertende Betrachtung als „orthodox"<br />

(a 182) verurteilt wird, soll die immerhin stets als wertend verstandene<br />

Untersuchung allenfalls Erkenntnisse über die Rolle der<br />

Trivialliteratur im literarischen Leben bringen. Die Trivialliteraturforschung<br />

hätte demnach hier die Funktion einer Hilfswissenschaft<br />

der ästhetischen Epochenforschung.<br />

Kreuzer spricht zwar davon, daß „in einer Marktwirtschaft nicht<br />

nur die Trivialliteratur, sondern alle verkäufliche Literatur Warencharakter"<br />

hat*. Diese Erkenntnis hätte aber zur Folge, daß man sich<br />

Gedanken machen müßte über den Gebrauchswert dieser Ware. Es<br />

wäre zu fragen, welche ursprünglichen oder durch die Ware selbst<br />

institutionalisierten Bedürfnisse ihren Konsum garantieren. Von<br />

diesem Zusammenhang her ist natürlich auch die ästhetische Erschei-<br />

1 Als Beispiel werden exemplarisch herangezogen:<br />

Helmut Kreuzer. Trivialliteratur als Forschungsproblem. Zur Kritik des<br />

deutschen Trivialromans seit der Aufklärung. In: DVjS 41, 1967, 173—191.<br />

— zit. (a)<br />

Dorothee Bayer. Der triviale Familien- und Liebesroman im 20. Jahrhundert.<br />

Tübingen 1963. — zit (b)<br />

Klaus Ziegler. Vom Recht und Unrecht der Unterhaltungs- und Schundliteratur.<br />

In: Die Sammlung 2, 1947, 565—574. — zit. (c)<br />

Klaus Ziermann. Romane vom Fließband. Die imperialistische Massenliteratur<br />

in Westdeutschland. Berlin Dietz 1969. — zit. (d)<br />

2 Diese <strong>Argument</strong>e Kreuzers sind seiner Auseinandersetzung mit Walter<br />

Nutz (Der Trivialroman, seine Formen und Hersteller. Köln 1926) entnommen.<br />

Nutz beschreibt in seinem Buch eingehend den Warencharakter<br />

der Trivialliteratur, entzieht sich jedoch der Diskussion um die ideologische<br />

Funktion.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!