Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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388 Besprechungen<br />
adressen wird beigegeben. Der Bericht ist gekennzeichnet durch eine<br />
klare, einfache und sachliche Sprache. Obwohl man davon ausgehen<br />
muß, daß die Erfahrungen und Ergebnisse, die <strong>für</strong> Hamburg gelten,<br />
nicht undifferenziert übertragbar sind, ist der Band sicher eine große<br />
Hilfe <strong>für</strong> alle praktisch arbeitenden Lehrlingsgruppen in den Gewerkschaften<br />
(besonders <strong>für</strong> die, die gerade anfangen), die sich nicht<br />
mehr mit der Einfallslosigkeit der Gewerkschaftsbürokratie zufrieden<br />
geben, sondern daran interessiert sind, den aufrechten Gang zu<br />
erlernen.<br />
<strong>Das</strong> Wagenbach-Bändchen wurde vor allem bekannt durch die<br />
Beschlagnahmeaktionen gegen den Verlag. Hier liegt zur Besprechung<br />
die ursprüngliche Fassung vor, da die Streichungen zwangsweise<br />
erfolgten und nicht auf redaktionellen Überlegungen beruhten.<br />
Im Kalendarium sind „linke Gedenktage" verzeichnet. Eingestreut<br />
und am Ende des Kalendariums: Informationen über den Kapitalismus<br />
in der BRD; Adressenlisten von linken Anwälten, Lehrlingsgruppen,<br />
republikanischen Clubs und dergl. Wichtig <strong>für</strong> die tägliche<br />
Auseinandersetzung mit dem Chef ist die Rechtshilfe <strong>für</strong> Lehrlinge<br />
und Arbeiter. Hier wird — mit Angabe der entsprechenden Paragraphen<br />
— darauf hingewiesen, welche Rechte der Lehrling gegenüber<br />
dem Lehrherrn durchsetzen kann, z. B. daß ihm <strong>für</strong> die Eintragungen<br />
im Berichtsheft Arbeitszeit zur Verfügung stehen muß.<br />
Weiterhin ist Literarisches vom Floh de Cologne, von Brecht,<br />
Wondratschek u. a. zu finden.<br />
Nur einige Punkte können hier angesprochen werden: Auf den<br />
ersten Blick fällt die starke antiautoritäre Tendenz auf. Unter der<br />
Rubrik „Was man alles machen kann" (95) findet man u.a.: „Veränderung<br />
von Kriegerdenkmälern", „Vernageln oder Verkleben von<br />
Klos (wenn Chef drin ist)", „Sich beim Umgang mit kostbaren Maschinen<br />
mal irren". Diese Vorschläge, werden sie ernst genommen<br />
und durchgeführt, führen nur zu unnötigen Konflikten, wobei die<br />
Aktion selbst wirkungslos bleibt. — Oder unvermittelte Zitate im<br />
Kalendarium: „Ein Räuber oder Terrorist zu sein, ist eine Eigenschaft,<br />
die jeden ehrlichen Menschen ehrt, denn sie bezeichnet genau<br />
die Einstellung des Revolutionärs, der bewaffnet gegen die Feinde<br />
des Volkes kämpft" (50). — Ebenfalls in diese Richtung zielen die<br />
Illustrierungen, die eingestreuten Comics und die „linken Gedenktage"<br />
im Kalendarium. — Die antiautoritäre Phase hat uns gelehrt,<br />
daß ein Verbleiben in pseudolinken Ghettos und das abstrakte Beschwören<br />
der Revolution allenfalls zu gesteigerten Frustrationen<br />
und daraus folgenden Verzweiflungshandlungen oder zur Resignation<br />
führen. In dieser verengten Umwelt ist es möglich, daß die<br />
Umgebung mit den in der Gesamtgesellschaft vorhandenen realen<br />
Möglichkeiten verwechselt wird. Deshalb ist auch die naive Darstellung<br />
und die ständige Bezugnahme auf die RAF in dem Kalender<br />
problematisch. Statt Terror mit Revolution zu identifizieren, ist es<br />
wirkungsvoller, die Lehrlinge auf Unterdrückungsmechanismen hinzuweisen,<br />
die bisher nicht wahrgenommen wurden, den Blick zu<br />
schärfen <strong>für</strong> den alltäglichen Zwang. Subjektive Erfahrungen und