Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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384 Besprechungen<br />
II. Weltkrieg soll angemerkt werden, daß diese — ebenso wie das<br />
ganze Buch kein Beitrag „über Kapitalismus und Faschismus im allgemeinen<br />
oder die sozioökonomischen Grundlagen des wirtschaftlichen<br />
Pessimismus (!) um 1966 im besonderen" (9) sein will — generelle<br />
historische Unrichtigkeiten enthält: So wird die Einschätzung<br />
der KPD 1946/47, daß unter der Entnazifizierung nahezu ausschließlich<br />
die einfachen PGs zu leiden hatten, als falsch hingestellt und<br />
daraus ihr Scheitern abgeleitet (41). Diese Ignoranz setzt sich in der<br />
Beschreibung und Begründung des Aufbaus des NPD-Ordnerdienstes<br />
fort. Niethammers Sprache leistet nicht nur hier der Inhumanität<br />
Vorschub: Die paramilitärischen Organisationen der „klassischen (!)<br />
faschistischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit (!)" werden u. a.<br />
mit dem Schutzbedürfnis „gegen feindliche Stoßtrupps" und dem Verlangen<br />
danach begründet, „in Straßen- und Saalschlachten mithalten<br />
zu können" (87).<br />
Niethammer sitzt auch dort der Ordnungspropaganda auf, wo er<br />
feststellt, die ApO hätte den Konflikt mit der NPD gesucht, und der<br />
Satz: „Die NPD drohte, ihren eigenen Slogan „Sicherheit durch Recht<br />
und Ordnung" in ihren eigenen Parteiversammlungen zu widerlegen"<br />
(88) rechtfertigt den Ordnerdienst. An ihm findet Niethammer<br />
lediglich ungeklärt, „was f ü r Leute in eine solche Organisation gehen<br />
und ob diese Ordner in dem ihnen gesteckten Rahmen bleiben" (90)!<br />
Gefährlich wird diese Partei überhaupt erst dann, wenn es zu spät<br />
ist: „Wenn das zunehmende Bedürfnis nach beruflicher Mobilität in<br />
der Angestellten- und Arbeiterschaft die derzeit allenfalls symbolhaft<br />
geführten bildungspolitischen Auseinandersetzungen zu einem<br />
ernsthaften Konflikt steigern und dadurch die Technokraten in Bedrängnis<br />
bringen sollte — erst dann wäre jene Bündniskonstellation<br />
zwischen faschistischer Partei und konservativem Establishment wieder<br />
aktuell, die einst (über anderen Gegenständen) zur Machtergreifung<br />
der NSDAP geführt hat" (95). Abgesehen davon, daß Niethammer<br />
nur dieser abgeleitete Widerspruch als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die<br />
Faschisierung in den Blick gerät, können wir seiner Meinung nach<br />
ruhigbleiben, weil die „von der technisch-industriellen Entwicklung<br />
bewirkten Strukturveränderungen . . . in dieser kapitalistischen<br />
Gesellschaft ohne große Eigentumsverluste vonstatten" (95) gehen.<br />
Arbeitsplatzverluste kommen ihm nicht in den Sinn, die Widerstände<br />
der Betroffenen wird diesen auch noch zum Vorwurf gemacht!<br />
Der Versuch wertfreier Deskription der parlamentarischen Tätigkeit<br />
der NPD stellt diese in ein günstiges Licht, die Stellungnahmen<br />
gegen sie bleiben ihr äußerlich, sind der Darstellung nur aufgesetzt.<br />
So werden die NPD-Mitglieder, die den nationalsozialistischen Faschismus<br />
nicht miterlebt haben, als „junge Garde" (z. B. 204) bezeichnet<br />
und dem NPD-Fraktionsvorsitzenden in Baden-Württemberg,<br />
Gutmann, wird ein „gewisser rührender Charme" bescheinigt. Er ist<br />
eben einer der alten NS-Funktionäre, „mit dem sich Vertreter anderer<br />
Parteien auf einer gut-schwäbisch gemütlichen Ebene verständigen"<br />
(210) können. <strong>Das</strong> Verständnis läßt hier die Anfälligkeit besonders<br />
der CDU <strong>für</strong> faschistische Politik außer acht. Die Argumen-