Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Geschichte 38X<br />
„technisch-wissenschaftlicher" Prozeß. Entsprechend unkritisch fällt<br />
die Kritik am Konservatismus aus: Tradition, Autorität und <strong>Institut</strong>ion<br />
als „Grundzüge einer konservativen <strong>Theorie</strong>" werden in den<br />
„immanenten" Zusammenhängen kritisiert, in denen konservative<br />
Doktrin selbst die gesellschaftlichen Prozesse abspiegelt. „Boden",<br />
„Adel" und „Familie" als grundlegende soziale und ökonomische<br />
Kategorien der feudalen Gesellschaftsordnung fungieren als ideelle,<br />
überzeitliche Bestandteile innerhalb eines autonomen Bereichs von<br />
„Tradition" (138 ff.). Die Problematik ungleichzeitiger Widersprüche<br />
in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft kommt so gar nicht in<br />
den Blick: an die Stelle konkreter gesellschaftlicher Vermittlung<br />
sozio-ökonomisch bedingter Ideologien tritt ein formalisierter Begriff<br />
von Dialektik, der prinzipiell an die historischen Grenzen der „Widersprüche"<br />
konservativen Denkens gebunden bleibt: „Gegensatzpaare<br />
wie Bindung und Freiheit, Einheit und Vielheit, Subjektivität und<br />
Objektivität, Individuum und Gemeinschaft, Staat und bürgerliche<br />
Gesellschaft sind die Pole, um die konservatives Denken seit je kreist"<br />
(222). Von jener Dialektik, die Aussagen der Ideologie <strong>für</strong> Aussagen<br />
der Wirklichkeit selbst nimmt, kann Greiffenhagen behaupten, sie sei<br />
„bis heute unser aller Schicksal" (231). Abgewehrt werden alle Ver-<br />
, suche zur praktischen Aufhebung der „Widersprüchlichkeit von Individuum<br />
und Gesellschaft" (231) durch technokratische Strategien<br />
(316 ff.) aber auch durch den mit jenen identifizierten Sozialismus<br />
(336). Unklar bleibt, wie der Konservatismus, angesichts der Nähe<br />
seiner technokratischen Variante zum „Positivismus" (352), sein Dilemma<br />
„auf dem Boden der Aufklärung gegen sie" zu argumentieren<br />
(353) lösen und als „Krisenzeichnen" (353) oder „Krisenwissenschaft"<br />
(350) fungieren soll. Eine Lösung muß <strong>für</strong> Greiffenhagen schon aus<br />
methodologischen Gründen verstellt bleiben, wenn sie nicht gar in<br />
jenen nachlässig geschriebenen Partien des Buches zu suchen ist, in<br />
denen die Diktion der traditionellen konservativen Kulturkritik entschieden<br />
durchschlägt (241 f., 280).<br />
Auch Helga Grebings Arbeit, über weite Strecken auf die Auseinandersetzung<br />
mit der Verfassungs- und Staatsrechtstheorie nach 1945<br />
beschränkt, liefert keine Darstellung der Geschichte des politischen<br />
Konservatismus und seiner sozio-ökonomischen Ursachen; sie bietet<br />
jedoch Ansätze zu einer soziologischen Interpretation der kritisierten<br />
„<strong>Theorie</strong>" an, verfährt prinzipiell ideologiekritisch. Die „Gleichursprünglichkeit<br />
von Konservatismus und Rationalismus" wird auch<br />
explizit in den gesellschaftlichen Zusammenhang hineingenommen:<br />
„Konservatismus gibt es seit der beginnenden Auflösung der statischen<br />
feudal-agrarisch-handwerklichen Ständegesellschaft und der<br />
Herausbildung der dynamischen kapitalistisch-bürgerlichen Klassengesellschaft"<br />
(33). Konservatismus und Demokratie werden als „historische<br />
Kategorien" eingeführt: ein Überblick über die Widersprüche<br />
von ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Entwicklung<br />
in Deutschland seit der französischen Revolution zeigt die<br />
konkrete Vermittlung von Konservatismus und Demokratie, Phasen<br />
des demokratischen Prozesses und die gesellschaftlichen Kräfte und