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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Philosophie 359<br />

Warneken zeigt, daß die positivistische Literatursoziologie a priori<br />

verzichtet auf das, was im Zentrum einer materialistischen stehen<br />

muß: auf die soziologische Erklärung von Form und Inhalt des<br />

ästhetischen Gegenstands, wie sie Helmut Hartwich („Literatursoziologie<br />

und das Problem der Klassenüberschreitung") am Beispiel<br />

eines Textes von Fr. Th. Vischer versucht hat. Warneken beweist<br />

weiter, daß die positivistischen Literatursoziologen selbst in der Beschränkung<br />

nicht zu Meistern werden, sondern auch die grundlegenden<br />

Probleme der Rezeptionssoziologie, mit der allein sie sich beschäftigen,<br />

verfehlen. Daß die postulierte Werturteilsabstinenz den<br />

herrschenden Werten nützt und damit denen, die an der Herrschaft<br />

dieser Werte interessiert sind, wird einmal mehr auch am Beispiel<br />

der literatursoziologischen Spielart des Positivismus offenbar. Die<br />

Widersprüche, die Warneken abschließend bei der gegenwärtigen<br />

zunehmenden Subsumtion der Kulturwissenschaften unter die Bedürfnisse<br />

des Kapitals feststellt, bilden die wesentlichen Ansatzpunkte<br />

<strong>für</strong> eine sozialistische Praxis in diesem Bereich.<br />

Von dieser gegenwärtigen Situation der westdeutschen Literaturwissenschaft,<br />

die die — wenn auch nur periphere — Beschäftigung<br />

mit bürgerlich-fortschrittlicher Literatur des 19. Jahrhundert als<br />

Alibi <strong>für</strong> ihre totale Ignorierung der Arbeiterdichtung benützt, geht<br />

M. Pehlke bei seinen „Bemerkungen zu Friedrich Bosses Streikdrama<br />

,1m Kampf'" aus. Sein Versuch, am Rand der materialistischen<br />

Analyse des proletarischen Dramas aus der Zeit kurz nach der Aufhebung<br />

des Sozialistengesetzes noch das Problem der richtigen Behandlung<br />

des literarischen Erbes zu diskutieren, mußte natürlich<br />

höchst fragmentarisch bleiben.<br />

Daß guter Wille und Engagement als Voraussetzungen <strong>für</strong> eine<br />

Kunstproduktion, die auf Aufklärung und gesellschaftliche Veränderung<br />

im Interesse der arbeitenden Klassen aus ist, ebensowenig hinreichen<br />

wie eine schriftstellerische Darstellungsweise, die die vielfältigen<br />

Erscheinungsformen der kapitalistischen Produktionsweise<br />

und deren Spiegelungen in den Anschauungen der Menschen dem<br />

Publikum möglichst unbearbeitet, „echt" und „natürlich" darbieten<br />

möchte, in der trügerischen Hoffnung, daß diese Tatsachen schon <strong>für</strong><br />

bzw. besser gegen sich sprächen, beweist anschaulich K. Pallowskis<br />

Beitrag über die „dokumentarische Mode". Sie kommt zu dem Ergebnis,<br />

daß die Literaturproduzenten, die sich der dokumentarischen<br />

Technik bedienen, in guter Absicht den objektiven Schein, die vielfältigen<br />

Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise hilflos<br />

verdoppeln und so meist bestenfalls Mitleid mit denen erwecken,<br />

denen es doch gerade das Wesen dieser Produktionsweise und damit<br />

Wege zu ihrer revolutionären Veränderung zu zeigen gilt.<br />

Aufsätze wie der von K. Pallowski liefern implizit die Kriterien<br />

<strong>für</strong> die Kritik anderer Aufsätze des Sammelbandes mit, etwa des<br />

Beitrags von O. Hansen über „Hermeneutik und Literatursoziologie.<br />

Zwei Modelle: Marxistische Literaturtheorie in Amerika (gemeint<br />

sind die USA, K. H. G.) / Zum Problem der ,American studies'".<br />

Hansen will eine als Schichtenkonglomerat und Normensystem ver-

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