Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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332 Peter Eisenberg und Hartmut Haberland des amerikanischen Militärs im Kriege aufgebaut 13 . Leonard Bloomfield beschreibt dies anläßlich des 21. Jubiläums der Linguistic Society of America so: „Als unser Land in eine bedenkliche Notlage im Bedarf an Fremdsprachen geriet, wandte sich die Army über das American Council of Learned Societies an die Linguistic Society und erhielt die beste fachliche Anleitung, die ihre Mitglieder zu geben fähig waren 14 ." Daß das Interesse der Armee nicht bloß auf effektive Verwertung schon angehäufter wissenschaftlicher Ergebnisse ging, sondern auch die Unterstützung neuer Projekte einschloß, läßt sich deutlich am Japanisch-Projekt der Yale University zeigen. Dort wurden im Rahmen des Army Specialised Training Program unmittelbar nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour Japanisch-Kurse eingerichtet 15 . Leiter dieser Programme war von 1943 bis 1946 einer der hervorragendsten Vertreter des amerikanischen Strukturalismus, Bernard Bloch. Bloch hatte sich vor dem 7. Dezember 1941 nie mit dem Japanischen beschäftigt, begann 1942 seine Arbeit mit japanischen Informanten in Yale und konnte in vier Arbeiten 1946—1950 das Ergebnis seiner Untersuchungen („Studies in Colloquial Japanese") vorlegen; sie gelten heute als klassische Arbeiten des amerikanischen Strukturalismus. Bloch betrieb „reine" Linguistik, indem er die Struktur einer (noch dazu interessanten) Sprache untersuchte. Trotzdem kann ein Herausgeber Miller schreiben, sein Werk sei „part of the American war effort" 1 6 gewesen. Wohl die spektakulärsten Erfolge der Linguistik ergaben sich aus den Versuchen der Übersetzung von natürlichen Sprachen mit Hilfe einer elektronischen Rechenmaschine (machine translation, im folgenden MT). Nachdem in den USA die Entwicklung der letzten Jahre des 2. Weltkriegs zum Bau leistungsfähiger Computer geführt hatte, die nicht nur umfangreiche mathematische Rechnungen durchführen konnten, sondern auch schon für die Berechnung von Geschoßbahnen der Luftabwehr eingesetzt wurden, lag es nahe, die aufsehenerregenden Fähigkeiten dieser „Elektronengehirne" auch auf anderen Gebieten einzusetzen, die bisher als Privileg der menschlichen Gehirne gegolten hatten. Die theoretischen Grundlagen für das Projekt, 13 Newmeyer und Emonds, a.a.O., S. 285. 14 Leonard Bloomfield: Twenty-one Years of the Linguistic Society. Language 22, S. 1—3 (1946). — Vgl. auch eine unsignierte Notiz in Language 38, S. 464 f. (1962) über die Zusammenarbeit der Linguistic Society of America mit dem US Armed Forces Institute beim Abfassen von Sprachlehrbüchern. 15 Dies spricht für den relativen Weitblick des amerikanischen Imperialismus: der japanische, noch zu stark eng-nationalistischen Traditionen verhaftet, suspendierte gleichzeitig in allen Schulen den Unterricht in der „Feindsprache" Englisch. — Nach: Roy A. Miller, Einleitung zu Miller (Hrsg.): Bernard Bloch on Japanese. New Haven und London 1970, S. XL. 16 Miller, ebda.
Das gegenwärtige Interesse an der Linguistik 333 natürliche Sprachen maschinell zu übersetzen, wurden 1949 in einem Memorandum von Warren Weaver dargelegt. Bereits 1954 fand die „Inszenierung" des sogenannten Georgetown-Experiments statt, in dem ein IBM-Computer aufgrund von sechs programmierten syntaktischen Regeln russische Sätze ins Englische übersetzte. Tatsächlich waren die Sätze jedoch stark präpariert, so daß letztlich nur bewiesen wurde, daß das Programm diese Sätze, und nicht, daß es beliebige Sätze aus dem Russischen übersetzen konnte (oder auch nur einen relevanten Ausschnitt des Russischen). Aufgrund hochgespannter Erwartungen 1 7 wurde die Forschung nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Ländern vorangetrieben 18 und erfüllte vor den Erfolgen in der Raumfahrt eine Zeitlang so etwas wie eine Prestigefunktion innerhalb der Systemkonkurrenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus 19 . 17 Die Itek Corporation eröffnete sogar in New York bereits ein service center für MT, das jedoch nach wenigen Monaten schließen mußte, da die Erfolge der Forschung mit der Eile ihrer Verwertung nicht Schritt halten konnten. — Vgl. James P. Titus, The Nebulous Future of Machine Translation. Communications of the Association for Computing Machinery 10, S. 189—191 (1967). 18 In der UdSSR wurden schon zur Zeit des Georgetown-Experiments ähnliche Erfolge erzielt. Um 1959 arbeiteten in der ganzen Welt etwa 500 Fachleute an der MT, u. a. in Großbritannien und Japan. — In der BRD arbeiteten 1967 mindestens 6 Gruppen, darunter der Übersetzerdienst der Bundeswehr in Mannheim, der allerdings keine voll-automatische Übersetzung anstrebte, sondern nur eine maschinen-unterstützte, und die maßgeblich vom Bundesministerium für Verteidigung unterstützte Bonner LIMAS-Gruppe. — In der DDR arbeitete eine Gruppe an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zumindest an theoretischen Problemen. — In der UdSSR gab es 1960 neun Gruppen, davon allein drei Gruppen an den Instituten für Rechentechnik, Linguistik und Mathematik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau. Zwei Gruppen in Erewan und Tbilissi beschäftigen sich mit der Ubersetzung aus dem und in das Armenische bzw. Georgische. — In der VR China arbeitete 1960 eine MT-Gruppe an der Akademie der Wissenschaften in Peking. 1962 erschien in der Ren Min Ri Bao (Volkszeitung) ein Artikel von Zhao-Wei Yao, „Eine Diskussion über maschinelle Sprachübersetzung", der uns jedoch leider nicht zugänglich war. Eine Übersicht über die um 1960 arbeitenden Gruppen gibt Heinz Zemanek: Methoden der automatischen Sprachübersetzung. Sprache im Technischen Zeitalter 2, S. 87—109 (1962). Für Deutschland vgl. I. Zint: Über den gegenwärtigen Stand der automatischen Sprachbearbeitung. Beiträge zur Linguistik und Informationsverarbeitung 12, S. 36—55 (1967). 19 Ein Beispiel dafür, wie naive Wissenschaftler solche Funktionen jeweils an der ideologischen Gegenseite „entlarven", im eigenen Laper es jedoch vorziehen, wissenschaftsimmanente Begründungen anzuführen, gibt ein Aufsatz über maschinelle Sprachübersetzung, der 1964 in der Zeitschrift „Sprache im technischen Zeitalter" erschien. Dort heißt es: „Seit es MÜ-Forschung gibt, haben die Amerikaner darin eine dominierende Rolle gespielt, was damit zusammenhängt, daß sie, wie gesagt, in der Entwicklung des deskriptiven Sprachstrukturalismus seit jeher richtungweisend und tonangebend gewesen sind" (856). Und weiter: „Über
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des amerikanischen Militärs im Kriege aufgebaut 13 . Leonard Bloomfield<br />
beschreibt dies anläßlich des 21. Jubiläums der Linguistic Society<br />
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„Als unser Land in eine bedenkliche Notlage im Bedarf an<br />
Fremdsprachen geriet, wandte sich die Army über das American<br />
Council of Learned Societies an die Linguistic Society und erhielt<br />
die beste fachliche Anleitung, die ihre Mitglieder zu geben fähig<br />
waren 14 ."<br />
Daß das Interesse der Armee nicht bloß auf effektive Verwertung<br />
schon angehäufter wissenschaftlicher Ergebnisse ging, sondern auch<br />
die Unterstützung neuer Projekte einschloß, läßt sich deutlich am<br />
Japanisch-Projekt der Yale University zeigen. Dort wurden im Rahmen<br />
des Army Specialised Training Program unmittelbar nach dem<br />
japanischen Angriff auf Pearl Harbour Japanisch-Kurse eingerichtet<br />
15 . Leiter dieser Programme war von 1943 bis 1946 einer der<br />
hervorragendsten Vertreter des amerikanischen Strukturalismus,<br />
Bernard Bloch. Bloch hatte sich vor dem 7. Dezember 1941 nie mit<br />
dem Japanischen beschäftigt, begann 1942 seine Arbeit mit japanischen<br />
Informanten in Yale und konnte in vier Arbeiten 1946—1950<br />
das Ergebnis seiner Untersuchungen („Studies in Colloquial Japanese")<br />
vorlegen; sie gelten heute als klassische Arbeiten des amerikanischen<br />
Strukturalismus. Bloch betrieb „reine" Linguistik, indem<br />
er die Struktur einer (noch dazu interessanten) Sprache untersuchte.<br />
Trotzdem kann ein Herausgeber Miller schreiben, sein Werk sei<br />
„part of the American war effort" 1 6 gewesen.<br />
Wohl die spektakulärsten Erfolge der Linguistik ergaben sich aus<br />
den Versuchen der Übersetzung von natürlichen Sprachen mit Hilfe<br />
einer elektronischen Rechenmaschine (machine translation, im folgenden<br />
MT). Nachdem in den USA die Entwicklung der letzten Jahre<br />
des 2. Weltkriegs zum Bau leistungsfähiger Computer geführt hatte,<br />
die nicht nur umfangreiche mathematische Rechnungen durchführen<br />
konnten, sondern auch schon <strong>für</strong> die Berechnung von Geschoßbahnen<br />
der Luftabwehr eingesetzt wurden, lag es nahe, die aufsehenerregenden<br />
Fähigkeiten dieser „Elektronengehirne" auch auf anderen Gebieten<br />
einzusetzen, die bisher als Privileg der menschlichen Gehirne<br />
gegolten hatten. Die theoretischen Grundlagen <strong>für</strong> das Projekt,<br />
13 Newmeyer und Emonds, a.a.O., S. 285.<br />
14 Leonard Bloomfield: Twenty-one Years of the Linguistic Society.<br />
Language 22, S. 1—3 (1946). — Vgl. auch eine unsignierte Notiz in Language<br />
38, S. 464 f. (1962) über die Zusammenarbeit der Linguistic Society<br />
of America mit dem US Armed Forces <strong>Institut</strong>e beim Abfassen von<br />
Sprachlehrbüchern.<br />
15 Dies spricht <strong>für</strong> den relativen Weitblick des amerikanischen Imperialismus:<br />
der japanische, noch zu stark eng-nationalistischen Traditionen<br />
verhaftet, suspendierte gleichzeitig in allen Schulen den Unterricht in der<br />
„Feindsprache" Englisch. — Nach: Roy A. Miller, Einleitung zu Miller<br />
(Hrsg.): Bernard Bloch on Japanese. New Haven und London 1970, S. XL.<br />
16 Miller, ebda.