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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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314<br />

Dieter Richter<br />

Ansichten einer marktgerechten Germanistik<br />

Kritik literaturwissenschaftlicher Studienreformmodelle 1<br />

Ich sage nichts gegen realistische Motive beim<br />

Studieren. Ich sage erst recht nichts gegen realistische<br />

Motive beim Politisieren. <strong>Das</strong> Studium soll<br />

Brot verschaffen. Aber dank unseres Produktionssystems<br />

gibt es Arten, sich Brot zu verschaffen<br />

durch Wegschaffung des Brotes anderer. Gibt es<br />

eine Art, Verdienste <strong>für</strong> sich selbst zu erzielen,<br />

welche keine Verdienste um andere sind. (Brecht)*<br />

„Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die Wissenschaft der<br />

Geschichte 8 ." Dieser Haupt-Satz materialistischer Dialektik beinhaltet,<br />

daß die Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens erst<br />

dann wirklich wissenschaftlich behandelt werden, wenn sie als<br />

geschichtliche behandelt werden; das heißt aber: wenn sie nicht als<br />

naturwüchsig, selbständig und überzeitlich beschrieben werden, sondern<br />

als Elemente des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, als<br />

von Menschen mit spezifischen Bedürfnissen und Interessen hervorgebrachte<br />

und als praktisch veränderbare 4 . Dies enthält nun nicht<br />

nur die Aufforderung an die wissenschaftlich Arbeitenden, die<br />

jeweiligen Gegenstände ihres Fachs als geschichtlich-gesellschaftliche<br />

darzustellen. Es gilt zugleich, wenn von <strong>Theorie</strong>, Geschichte und<br />

1 Überarbeitete Form eines Beitrags in: Literatur in Studium und<br />

Schule, hrsg. v. O. Schwencke, Loccum 1970 (= Loccumer Kolloquien, 1).<br />

Er bezieht sich vor allem auf: W. Iser, Überlegungen zu einem literaturwissenschaftlichen<br />

Studienreformmodell (in: Ansichten einer künftigen<br />

Germanistik, München 1969, S. 193 ff.); Rhedaer Memorandum zur<br />

Rèform des Studiums der Linguistik und der Literaturwissenschaft (Ms.)<br />

[Oktober 1969] ; Entwurf zu einem integrierten Stiudienplan der Literaturwissenschaft,<br />

Universität Konstanz (Ms.); Richtlinien <strong>für</strong> ein künftiges<br />

romanistisches Studienmodell, beschlossen in Salzburg vom Deutschen<br />

Romanistenverband (Ms.) [Oktober 1969]; W. Teschner, 7 Thesen zur<br />

Didaktik und Organisation eines Faches „Sprache und Literatur an einer<br />

gestuften Schule" (Ms.) [November 1969]; Deutscher Büdungsrat: Empfehlungen<br />

der Bildungskommission (30./31. Januar 1969); Wissenschaftsrat:<br />

Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Büdungswesens im<br />

Hochschulbereich nach 1970 [Oktober 1970], Bd. 2 (Ausbildung im Fach<br />

Germanistik). Es kam mir darauf an, an diesen Modellen typische Tendenzen<br />

exemplarisch aufzuzeigen.<br />

2 Brecht, Gesammelte Werke, Bd. 20, Frankfurt 1967, S. 226.<br />

3 MEW 3, 18.<br />

4 Vgl. MEW 3, 37 f.

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