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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Abriß einer Analyse literarischer Produktion 215<br />

schaftliche Frage nach in spätbürgerlicher Literatur noch vorhandenen<br />

Fortschritten verknüpft sich mit der Frage der Politischen Ökonomie<br />

nach den Stagnationstendenzen im heutigen Kapitalismus;<br />

<strong>für</strong> diesen aber gilt, daß er die gesellschaftlichen Produktivkräfte<br />

trotz allem noch relativ schnell entwickelt. Unterm Zwang der Kapitalverwertung<br />

— heute kommt die Systemkonkurrenz mit den sozialistischen<br />

Staaten hinzu — gilt noch immer, daß die Bourgeoisie<br />

„nicht existieren [kann], ohne die Produktionsinstrumente, also die<br />

Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse<br />

fortwährend zu revolutionieren 29 ". Die von Bloch und Eisler<br />

kritisierte Behauptung, „die jeweils letzte Maschine sei zwar immer<br />

die beste, das jeweils letzte Kunstwerk jedoch drücke nur immer<br />

hoffnungsloser die Fäulnis der untergehenden kapitalistischen Gesellschaft<br />

aus 80 ", mißachtet sicherlich die wenn auch oft äußerst<br />

widersprüchliche Vermittlung gesellschaftlicher Teilsysteme. So können<br />

v. a. vergegenständlichte und lebendige Arbeit, in den Produktionsmitteln<br />

enthaltene Potenzen und Fähigkeiten der Produzenten,<br />

nicht ohne Bezug aufeinander bleiben; das hat Einfluß auch auf die<br />

ästhetischen Bedürfnisse 31 . Wahr bleibt freilich, daß das Kapital,<br />

das „die Tendenz hat, die Produktivkräfte ins Maßlose zu steigern",<br />

deren Entwicklung zugleich Schranken setzt und insbesondere die<br />

Entfaltung der „Hauptproduktivkraft, [des] Menschen selbst, vereinseitigt,<br />

limitiert 32 ": auch die notwendig werdende Erhöhung des<br />

durchschnittlichen Qualifikationsniveaus der Arbeitskräfte bleibt<br />

meist im Rahmen technizistisch eingegrenzter, bornierter Detailarbeit,<br />

ganz zu schweigen von den Wirkungen der ideologischen<br />

Beeinflussung. <strong>Das</strong> reproduziert sich in der literarischen Produktion:<br />

Besserer Beherrschung einzelner künstlerischer Mittel steht mangelnde<br />

Befähigung zu ihrer Integration in einen angemessenen Zu-<br />

29 Marx/Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4,<br />

S. 464.<br />

30 Ernst Bloch/Hanns Eisler, Die Kunst zu erben. Geschrieben 1938,<br />

wieder abgedruckt u. a. in alternative 69, Berlin 1969, S. 216.<br />

31 Die Tatsache etwa, daß die technologische Entwicklung von immer<br />

mehr Arbeiter- und Angestelltenkategorien ein höheres Ausbildungsniveau<br />

und in gewissem Maß selbständiges Denken und Eigeninitiative<br />

verlangt, gehört zu den Ursachen neuer, wenn audi ambivalenter Strukturen,<br />

z. B. der Unterrichtsgestaltung in der Schule, aber auch der von der<br />

Kulturindustrie angebotenen Produkte und Aktivitäten: Was an die<br />

Initiative des Zuschauers appellierende happenings im kleinen Zirkel<br />

ankündigten, wird in den verschiedensten Formen der Publikumsmitwirkung<br />

inzwischen in allen Sparten betrieben. Wenn hier auch meist versucht<br />

oder objektiv erreicht wird, ein vorhandenes Bedürfnis an Selbstaktivität<br />

und Mitbestimmung zu reindividualisieren, unpolitisch abzuführen<br />

und überhaupt in den Freizeitbereich zu schieben, zeugen diese Erscheinungen<br />

doch nicht von manipulativer Willkür, sondern sind Kompromißbildungen,<br />

welche die nicht durch Herrschaftsäußerungen zu schlichtenden<br />

Widersprüche der Produktionsweise nötig gemacht haben.<br />

32 Karl Marx, Grundrisse, a.a.O., S. 325.

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