Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik
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dass die Eltern mit dem Geschwisterkind in <strong>den</strong> Urlaub fahren kànnen. Es ist auch màglich,<br />
dass dann z. B. die Patentante bei dem kranken Kind bleibt, wenn es <strong>den</strong> Eltern damit besser<br />
geht. Bei jeder neuen Aufnahme muss das Vertrauen der Eltern immer wieder neu erworben<br />
wer<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n diese <strong>Kinder</strong> sind Sorgenkinder. Sie wer<strong>den</strong> 24 Stun<strong>den</strong> am Tag von ihren Eltern<br />
versorgt, sie kànnen die Pflege nicht so einfach in andere HÇnde abgeben, weil jedes<br />
Kind seine „Ecken und Kanten“ hat, die wir erst kennen lernen mÄssen.<br />
Bei uns ist es ganz anders als in der Klinik. Da wird nicht „geweckt, gewaschen, ‚gebÄgelt’<br />
und gekÇmmt“, wie ich es gern ausdrÄcke. Bei uns geben die <strong>Kinder</strong> <strong>den</strong> „Takt“ an und die<br />
Eltern sagen, was und wie sie etwas màchten, sodass die Schwestern und Årzte diesen Weg<br />
mitgehen kànnen. Auf ihrem Weg, <strong>den</strong> die <strong>Kinder</strong> und die Familien gehen wollen, ohne ihn<br />
zu beurteilen, sind wir an ihrer Seite, egal wie krumm und schief dieser Weg auch sein mag.<br />
Denn irgendwann mÄssen die Eltern damit leben, sagen zu kànnen: Ich habe alles fÄr mein<br />
Kind getan. Es liegt nicht an uns und wir dÄrfen uns auch nicht anmaÑen, <strong>den</strong> Weg vorzugeben.<br />
Wir hatten eine Mutter, die unbedingt mit ihrem Kind zu einem Guru nach Indien wollte. Wir<br />
kànnten sagen: „Warum? Er wird Ihnen nicht helfen kànnen.“ Aber er ist ein Strohhalm. Immer<br />
wieder Màglichkeiten zu suchen und alles auszuprobieren, was dem Kind helfen kànnte,<br />
ist wichtig und richtig zu tun, <strong>den</strong>n wenn das Kind stirbt, wird die Mutter vielleicht sagen:<br />
„HÇtte ich es doch getan, vielleicht hÇtte er helfen kànnen.“ Hierauf kann ihr nie jemand eine<br />
Antwort geben und sie muss damit leben. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern alles tun, um<br />
dann sagen zu kànnen: „Ich habe alles fÄr mein Kind versucht.“ Und wir wer<strong>den</strong> es nicht bewerten.<br />
Das <strong>Kinder</strong>-Hospiz SternenbrÄcke hat zwanzig <strong>Kinder</strong>krankenschwestern und -pfleger, darunter<br />
sind drei Intensivschwestern. Wir haben drei <strong>Kinder</strong>Çrzte, von <strong>den</strong>en einer <strong>Kinder</strong>-<br />
Schmerztherapeut ist, die je<strong>den</strong> Tag Dienst haben. Viele niedergelassene Årzte und KlinikÇrzte<br />
kommen zu uns zur Fortbildung. Ich selber habe seit drei Jahren 24-Stun<strong>den</strong> Rufbereitschaft.<br />
Bis jetzt haben wir 400 Familien bei uns betreut. 33 <strong>Kinder</strong> haben wir vor Ort verloren.<br />
Die Begleitung dieser Familien ist bei uns etwas Besonderes, <strong>den</strong>n wir setzen Trauerarbeit<br />
auf eine ganz bestimmte Art und Weise praktisch um. Auf dem Weg der Begleitung dieser<br />
Eltern erkennen wir immer wieder, wo sie nàtig ist. So ist z. B. der Erinnerungsgarten im<br />
letzten Jahr entstan<strong>den</strong>. Mit dem verstorbenen Kind auf dem Arm gehen wir in <strong>den</strong> Garten<br />
und setzen eine Laterne mit dem Namen des Kindes darauf. Die Eltern suchen <strong>den</strong> Platz fÄr<br />
diese Laterne selber aus. Ein Mal im Jahr gibt es einen Erinnerungstag, an dem wir aller <strong>Kinder</strong><br />
ge<strong>den</strong>ken. Am Todestag und am Geburtstag des Kindes wird eine Kerze entzÄndet. Rituale<br />
sind eine groÑe Hilfe fÄr unsere Familien. Die Eltern gehen in diesen Garten, wann immer<br />
sie màgen, und zÄn<strong>den</strong> z. B. ein Licht an oder legen ein selbst gemaltes Bild dorthin.<br />
Das Kind kann bis zu fÄnf Tagen bei uns aufgebahrt sein. Der Sarg wird zu uns ins Haus gebracht<br />
und wir bemalen ihn zusammen mit der Familie. Ein vierjÇhriges Geschwisterkind<br />
malte z. B. ein U-Boot auf <strong>den</strong> Sarg, weil der Friedhof immer unter Wasser steht.<br />
WÇhrend die SÇrge bemalt wer<strong>den</strong>, lÇuft die Lieblingsmusik des verstorbenen Kindes, egal ob<br />
sie von Ernie und Bert, ob es Techno oder Heavy Metal ist. Auch im Abschiedsraum ist diese<br />
Musik zu hàren und sogar in der Kirche. Es ist wichtig, dass das Kind in <strong>den</strong> Ritualen, in der<br />
Musik und bei <strong>den</strong> Feierlichkeiten wiederzufin<strong>den</strong> ist. Die Beerdigungen wer<strong>den</strong> inzwischen<br />
auch von der „SternenbrÄcke“ gestaltet, wobei der Sarg in der Regel von <strong>den</strong> <strong>Kinder</strong>krankenschwestern<br />
und -pflegern getragen wird.<br />
Seit dem ersten Mai bieten wir eine Steinwerkstatt an. Beim Gestalten des groÑen Engels aus<br />
Sandstein, der im Erinnerungsgarten steht, sind zwischen dem Steinbildhauer und mir lange<br />
GesprÇche entstan<strong>den</strong> Äber die Situationen dieser Familien. Daraufhin bot er seine Hilfe an.<br />
Sein Ziel ist, <strong>den</strong> Eltern nÇher zu bringen, dass Steine nicht tot sind, sondern dass man sie<br />
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