Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik
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sind Situationen, in <strong>den</strong>en eine Äber viele Jahre bestehende StabilitÇt wegbricht. Man ist wieder<br />
hilflos, allein, ausgeliefert und klein.<br />
Sind alle Menschen der Generation 60-Plus betroffen?<br />
Nein. Es gibt nach meiner EinschÇtzung einen Riss durch unsere Gesellschaft. Etwa ein reichliches<br />
Drittel bis maximal 40 Prozent von Menschen haben nichts erlebt; bis auf die sogenannten<br />
abenteuerlichen Geschichten, das heiÑt: Splitter sammeln; ausfallende Schule; Amerikaner,<br />
die Kaugummi vom Panzer herunter verteilen.<br />
Es gibt ein Drittel, die vorÄbergehend ein oder mehrere Dinge erlebt haben: Der Vater war<br />
eine Weile im Krieg, sie sind ausgebombt oder in der <strong>Kinder</strong>landverschickung gewesen oder<br />
evakuiert wor<strong>den</strong>. Das ist eine Sache von Monaten bis Jahren.<br />
Und es gibt Menschen, wir schÇtzen ein knappes bis wahrscheinlich sogar reichliches Drittel,<br />
die sehr viel erlebt haben. Nach heutigen MaÑstÇben sind dies die damals traumatisierten<br />
<strong>Kinder</strong>.<br />
Die letzte Gruppe ist jene, die bis heute unter <strong>den</strong> EindrÖcken leidet.<br />
Ja.<br />
Wie ist mit diesen Menschen umzugehen?<br />
Das Wort „umgehen“ hat im Deutschen ja zwei Bedeutungen: Man geht um etwas herum oder<br />
man geht darauf zu. Auffallender Weise gehen viele Leute um dieses Thema drum herum.<br />
Das heiÑt, die Familienangehàrigen, die Geschwister gehen drum herum. Das heiÑt, sie vermei<strong>den</strong><br />
es, gehen ihm aus dem Weg.<br />
Oder aber man geht auf das Thema zu. Das hieÑe, sich noch einmal bewusst und intensiv mit<br />
der eigenen Geschichte zu befassen. DafÄr wÇre es zunÇchst wichtig, sich an die einzelnen<br />
BruchstÄcke der eigenen Geschichte zu erinnern und zu versuchen, daraus etwas ZusammenhÇngendes<br />
zu machen. Das muss gar nicht in allen Einzelheiten stimmen, aber die Fakten als<br />
solche sind richtig. Und – jetzt kommen die kleinen, entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Schritte – die GefÄhle<br />
dazu mÄssen zugelassen wer<strong>den</strong>. Um es deutlich zu machen: Ich war bei <strong>den</strong> Pfadfindern und<br />
bin vor kurzem einem alten Mitglied meiner Gruppe begegnet. Der hat sich meinen Vortrag<br />
angehàrt und hinterher gesagt: „Das habe ich doch alles schon von Dir gewusst.“ Darauf habe<br />
ich ihn gefragt: „Hast Du auch von <strong>den</strong> GefÄhlen gewusst?“ „Nein!“ sagte er. „DarÄber haben<br />
wir nie geredet.“<br />
Das ist typisch und zeigt, dass dieser so entschei<strong>den</strong>de Teil vàllig ausgespart ist. Darauf zuzugehen<br />
bedeutet also, die Geschichte zu vervollstÇndigen, sie mit GefÄhlen aufzula<strong>den</strong>. Und –<br />
dies ist ein weiterer Schritt – dieses vor sich auszusprechen. Damit wird es àffentlich. Vor<br />
sich selbst und <strong>den</strong> anderen.<br />
Eine màgliche Form hierfÄr ist das Schreiben einer Biografie. Es anderen mitzuteilen kann<br />
auch heiÑen, es anderen Betroffenen zu erzÇhlen. Màgliche Fragestellungen wÇren hier:<br />
„Wollen Sie mal hàren, was ich erlebt habe? Und màgen Sie mir von Ihrem Erlebten erzÇhlen?“<br />
Und: „Wie sind Sie <strong>den</strong>n damit zurecht gekommen?“ Es gibt jetzt sogenannte Kriegskindergruppen<br />
unter professioneller Hilfe, die sich einmal die Woche treffen und austauschen.<br />
Entschei<strong>den</strong>d ist dabei, dass es eine professionelle Leitung gibt, die helfen kann, wenn jemand<br />
mehr UnterstÄtzung braucht.<br />
Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Partnerin, der Partner und die eigenen <strong>Kinder</strong>.<br />
Gerade die eigenen <strong>Kinder</strong>. Viele Åltere beklagen sich, dass die <strong>Kinder</strong> nie nachgefragt<br />
hÇtten. Die <strong>Kinder</strong> wiederum sagen, unsere Eltern haben ja nichts erzÇhlt. Ich vermute, dass<br />
die Eltern schon erzÇhlt haben. Ich erinnere mich da an meine eigenen. Die haben gesagt:<br />
„Vati, es ist so schrecklich, wir wollen das nicht hàren.“ Ich <strong>den</strong>ke, <strong>Kinder</strong> wÄnschen sich<br />
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