29.01.2013 Aufrufe

Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sind Situationen, in <strong>den</strong>en eine Äber viele Jahre bestehende StabilitÇt wegbricht. Man ist wieder<br />

hilflos, allein, ausgeliefert und klein.<br />

Sind alle Menschen der Generation 60-Plus betroffen?<br />

Nein. Es gibt nach meiner EinschÇtzung einen Riss durch unsere Gesellschaft. Etwa ein reichliches<br />

Drittel bis maximal 40 Prozent von Menschen haben nichts erlebt; bis auf die sogenannten<br />

abenteuerlichen Geschichten, das heiÑt: Splitter sammeln; ausfallende Schule; Amerikaner,<br />

die Kaugummi vom Panzer herunter verteilen.<br />

Es gibt ein Drittel, die vorÄbergehend ein oder mehrere Dinge erlebt haben: Der Vater war<br />

eine Weile im Krieg, sie sind ausgebombt oder in der <strong>Kinder</strong>landverschickung gewesen oder<br />

evakuiert wor<strong>den</strong>. Das ist eine Sache von Monaten bis Jahren.<br />

Und es gibt Menschen, wir schÇtzen ein knappes bis wahrscheinlich sogar reichliches Drittel,<br />

die sehr viel erlebt haben. Nach heutigen MaÑstÇben sind dies die damals traumatisierten<br />

<strong>Kinder</strong>.<br />

Die letzte Gruppe ist jene, die bis heute unter <strong>den</strong> EindrÖcken leidet.<br />

Ja.<br />

Wie ist mit diesen Menschen umzugehen?<br />

Das Wort „umgehen“ hat im Deutschen ja zwei Bedeutungen: Man geht um etwas herum oder<br />

man geht darauf zu. Auffallender Weise gehen viele Leute um dieses Thema drum herum.<br />

Das heiÑt, die Familienangehàrigen, die Geschwister gehen drum herum. Das heiÑt, sie vermei<strong>den</strong><br />

es, gehen ihm aus dem Weg.<br />

Oder aber man geht auf das Thema zu. Das hieÑe, sich noch einmal bewusst und intensiv mit<br />

der eigenen Geschichte zu befassen. DafÄr wÇre es zunÇchst wichtig, sich an die einzelnen<br />

BruchstÄcke der eigenen Geschichte zu erinnern und zu versuchen, daraus etwas ZusammenhÇngendes<br />

zu machen. Das muss gar nicht in allen Einzelheiten stimmen, aber die Fakten als<br />

solche sind richtig. Und – jetzt kommen die kleinen, entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Schritte – die GefÄhle<br />

dazu mÄssen zugelassen wer<strong>den</strong>. Um es deutlich zu machen: Ich war bei <strong>den</strong> Pfadfindern und<br />

bin vor kurzem einem alten Mitglied meiner Gruppe begegnet. Der hat sich meinen Vortrag<br />

angehàrt und hinterher gesagt: „Das habe ich doch alles schon von Dir gewusst.“ Darauf habe<br />

ich ihn gefragt: „Hast Du auch von <strong>den</strong> GefÄhlen gewusst?“ „Nein!“ sagte er. „DarÄber haben<br />

wir nie geredet.“<br />

Das ist typisch und zeigt, dass dieser so entschei<strong>den</strong>de Teil vàllig ausgespart ist. Darauf zuzugehen<br />

bedeutet also, die Geschichte zu vervollstÇndigen, sie mit GefÄhlen aufzula<strong>den</strong>. Und –<br />

dies ist ein weiterer Schritt – dieses vor sich auszusprechen. Damit wird es àffentlich. Vor<br />

sich selbst und <strong>den</strong> anderen.<br />

Eine màgliche Form hierfÄr ist das Schreiben einer Biografie. Es anderen mitzuteilen kann<br />

auch heiÑen, es anderen Betroffenen zu erzÇhlen. Màgliche Fragestellungen wÇren hier:<br />

„Wollen Sie mal hàren, was ich erlebt habe? Und màgen Sie mir von Ihrem Erlebten erzÇhlen?“<br />

Und: „Wie sind Sie <strong>den</strong>n damit zurecht gekommen?“ Es gibt jetzt sogenannte Kriegskindergruppen<br />

unter professioneller Hilfe, die sich einmal die Woche treffen und austauschen.<br />

Entschei<strong>den</strong>d ist dabei, dass es eine professionelle Leitung gibt, die helfen kann, wenn jemand<br />

mehr UnterstÄtzung braucht.<br />

Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Partnerin, der Partner und die eigenen <strong>Kinder</strong>.<br />

Gerade die eigenen <strong>Kinder</strong>. Viele Åltere beklagen sich, dass die <strong>Kinder</strong> nie nachgefragt<br />

hÇtten. Die <strong>Kinder</strong> wiederum sagen, unsere Eltern haben ja nichts erzÇhlt. Ich vermute, dass<br />

die Eltern schon erzÇhlt haben. Ich erinnere mich da an meine eigenen. Die haben gesagt:<br />

„Vati, es ist so schrecklich, wir wollen das nicht hàren.“ Ich <strong>den</strong>ke, <strong>Kinder</strong> wÄnschen sich<br />

67

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!