Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

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29.01.2013 Aufrufe

en, dass man Tod und Leben nicht auswechseln kann. Das wird zusÇtzlich blockiert durch Vorstellungen, in denen das Leben durch ein anderes einfach ausgetauscht wird. ErzÇhlt man einem Kind, dass der Opa jetzt im Himmel bei den Engeln lebt, oder sieht es im Fernsehen Comic-Figuren, die in tausend Teile zerrissen werden und Sekunden spÇter wieder wie vorher aussehen, wird es ihm zusÇtzlich erschwert, zu verstehen, dass der Tod unwiderruflich ist. Kinder, die eine enge Bezugsperson verloren haben, haben manchmal bereits klare Vorstellungen vom Tod. FÄr viele Kinder dieser Alterstufe ist der Tod aber etwas ZufÇlliges. Menschen sterben dann, wenn der bàse RÇuber kommt oder sie von einem Auto Äberfahren werden. Man kann ewig leben, wenn man GlÄck hat oder ganz besonders vorsichtig ist. RealitÇt und Fantasie vermischen sich auch oft, deshalb ist es wichtig, den Kindern genau zu erklÇren, woran ein Mensch gestorben ist und dass das Kind daran nicht schuld ist, auch wenn z. B. im Streit unter Geschwistern ein Todeswunsch geÇuÑert worden war. Kinder kànnen wenig mit Umschreibungen anfangen: „Die Oma ist eingeschlafen” kann zu Angst vor dem Einschlafen fÄhren, „Der Opa ist an einem besseren Ort” kann in den Kindern den Wunsch wecken, auch dorthin zu wollen. Die Kinder nehmen solche ErklÇrungen wàrtlich und sie kànnen dann Ångste oder SehnsÄchte entwickeln. Fragen der Kinder gilt es, ehrlich und ihrem VerstÇndnishorizont entsprechend zu beantworten, so dass auch spÇter nichts zurÄck genommen werden muss. Kinder dÄrfen und sollen die GefÄhle der Erwachsenen mitbekommen und dabei auch lernen, dass Weinen und tiefe Traurigkeit etwas Normales sind, etwas, das zum Leben gehàrt. Wichtig ist es auch, die Kinder im Zusammenhang mit dem Todesfall nicht fortzuschicken, sie fÄhlen sich sonst verlassen und verwirrt, weil man sie ausgeschlossen hat. Sie sollen an màglichst vielen VorgÇngen rund um die Beerdigung in der Familie teilnehmen kànnen und vielleicht auch die Màglichkeit haben, ein kleines Andenken an den oder die Verstorbene auszuwÇhlen. Grundschulkinder 6 bis 9 Jahre Kinder dieses Alters haben unterschiedliche Wahrnehmungen von Tod, trotzdem sind sie in der Lage, den Tod als Tatsache zu erfassen. Sie kànnen unterscheiden zwischen RealitÇt und Fantasie. In ihrem Weltbild unterscheiden sie zwischen belebt und unbelebt. Ein Teil der Kinder dieses Alters personifiziert den Tod. Es handelt sich ihrer Vorstellung nach um eine eigene, separate Person oder der Tote selbst ist der Tod. Oft wird er als Engel in menschenÇhnlicher Gestalt, der im Himmel lebt, oder als Skelett, das ein Komplize des Teufels ist, gesehen. Dieses Wesen kann sich unsichtbar machen, ist ganz leise, tanzt mit den Geistern, hinterlÇsst FuÑspuren, schickt Vorboten und agiert meist in der Dunkelheit. Der Tod holt die Bàsen und Ungehorsamen. Man kann ihm also entrinnen, wenn man brav, schnell und geschickt ist. Die Kinder beginnen, die Bedeutung des Todes zu verstehen, und haben ein sachlich nÄchternes Interesse an den ÅuÑerlichkeiten des Todes. Sie interessieren sich auch dafÄr, was aus den Toten wird und haben zum Teil sehr konkrete Vorstellungen, die aber kaum mit Emotionen verbunden sind – die Toten liegen im Sarg unter der Erde, sie kànnen nicht mehr atmen, haben die Augen zu. Die Kinder wissen auch, dass es neben dem Alter noch andere Todesursachen gibt, wie zum Beispiel Krankheit und Unfall. In dieser Altersgruppe fangen Kinder an, aus Wut TodeswÄnsche gegen Mutter, Vater oder Geschwister zu ÇuÑern. Die Kinder realisieren langsam, dass auch sie sterben kànnen, dass der Tod alle Menschen treffen kann, auch die, die ihnen nahe stehen. Die Angst vor dem eigenen Tod zeigt sich in Ångsten vor Gewalteinwirkungen, zum Beispiel in der Angst, erschossen zu werden. Cowboyspiele sind sehr beliebt und eine Màglichkeit, mit diesen Ångsten umzugehen. 48

FÄr ein Kind dieses Alters ist es wichtig, dass es die Wahrheit erfÇhrt, warum ein Mensch gestorben ist. Dabei ist genau darauf zu achten, wie das Kind reagiert, welche GefÄhle es zeigt. Eltern sollten sich Zeit nehmen, um Äber Ångste und Sorgen zu sprechen, und dem Kind zuhàren und so gut, wie es nur màglich ist, ihm das GefÄhl von dauerhafter, verlÇsslicher Sicherheit vermitteln. FÄr die Kinder ist es auch hilfreich, in die Planung und DurchfÄhrung der Trauerfeier mit einbezogen zu werden, vielleicht auch einen eigenen kleinen Beitrag zu leisten, wenn sie es màchten. Schulkinder 9 bis 12 Jahre Nach dem neunten Lebensjahr akzeptieren Kinder in der Regel den Tod als ein NaturphÇnomen. Sie erkennen, dass der Tod alle Lebewesen betrifft und unausweichlich ist. Auch sie mÄssen eines Tages sterben. Diese realistischen Vorstellungen beruhen auf Erfahrungen und Beobachtungen biologischer und physiologischer VorgÇnge. Sie wissen, dass der Tod eintritt, wenn die Organe versagen, der Puls nicht mehr spÄrbar ist, der Mensch keine Temperatur mehr hat und nicht mehr atmet. Sie màchten genau wissen, wie sich der Kàrper eines Sterbenden oder eines Toten verÇndert, wie sich der Kàrper eines Toten anfÄhlt. Sie haben keine Scheu, einen Verstorbenen zu berÄhren, zu streicheln – sofern es ihnen die Erwachsenen gestatten. Den Erwachsenen fÇllt es oft nicht leicht, die Fragen zu beantworten, da es Themen sind, Äber die man ja eigentlich nicht spricht. FÄr die Kinder ist es absolut notwendig, dass sie diese Fragen stellen dÄrfen und auch Antworten darauf bekommen. Die Erkenntnis, dass Tod und Leben etwas vàllig Unterschiedliches sind, fÄhrt zu unheimlichen Vorstellungen und manchmal zu einer Vorliebe fÄr Gruselgeschichten. Was fÄr Kinder hilfreich ist, ist Zuwendung, auch kàrperliche. Das Kind braucht Ermutigung zum Weinen, auch Ermutigung, Äber den verstorbenen Menschen, den erlittenen Verlust zu sprechen. Jugendliche Die Vorstellung vom Tod entspricht bei Jugendlichen verstandesmÇÑig der der Erwachsenen. Sie fÄrchten vor allem die Belastungen der Schmerzen, des Sterbens und die Frage, was nach dem Tod mit ihnen geschieht. Auch GefÄhle von Angst, Unsicherheit und die Schwierigkeit, Äber ihre GefÄhle zu reden, belasten sie. Sie sind auf der Suche nach ihrer eigenen IdentitÇt, die mit der Frage nach dem Sinn des Lebens verknÄpft ist, bei der auch immer Endlichkeit und Tod des Menschen eine Rolle spielen. Der SÄddeutsche Rundfunk veranstaltete vor einigen Jahren einen Wettbewerb, in dem er Jugendliche unter dem Motto „Schreib ein StÄck” zum Mitmachen aufforderte. Ein Drittel der TeilnehmerInnen zwischen 14 und 18 Jahren behandelte in irgendeiner Form das Thema „Suizid“. Jugendliche befinden sich in einer âbergangsphase vom Kind zum Erwachsenen. Die Suche nach ihrer IdentitÇt ist oft mit Angst und Unsicherheit verbunden, die durch die âberwÇltigung von kàrperlichem Wachstum und dem Erlangen der SexualitÇt noch verstÇrkt wird. Dadurch kànnen Suizidfantasien entstehen, die den Qualen dieser kummervollen Zeit ein Ende setzen sollen. Die Hoffnungslosigkeit der Heranwachsenden ist fÄr Eltern, LehrerInnen und ErzieherInnen oft nicht zu erkennen, da sie meist hinter einer arroganten, gelangweilten oder aufmÄpfigen Maske versteckt ist. Auf diese Art entfremden sich Jugendliche und Erwachsene immer mehr voneinander, sodass oft kaum ein Spielraum bleibt fÄr GesprÇche Äber Ångste, Sorgen und den Sinn des Lebens. Sie Äberspielen ihre Verletzlichkeit, indem sie besonders cool wirken wollen und es so den Erwachsenen nicht gerade leicht machen, mit ihnen in Kontakt zu kommen. 49

en, dass man Tod und Leben nicht auswechseln kann. Das wird zusÇtzlich blockiert durch<br />

Vorstellungen, in <strong>den</strong>en das Leben durch ein anderes einfach ausgetauscht wird. ErzÇhlt man<br />

einem Kind, dass der Opa jetzt im Himmel bei <strong>den</strong> Engeln lebt, oder sieht es im Fernsehen<br />

Comic-Figuren, die in tausend Teile zerrissen wer<strong>den</strong> und Sekun<strong>den</strong> spÇter wieder wie vorher<br />

aussehen, wird es ihm zusÇtzlich erschwert, zu verstehen, dass der Tod unwiderruflich ist.<br />

<strong>Kinder</strong>, die eine enge Bezugsperson verloren haben, haben manchmal bereits klare Vorstellungen<br />

vom Tod.<br />

FÄr viele <strong>Kinder</strong> dieser Alterstufe ist der Tod aber etwas ZufÇlliges. Menschen sterben dann,<br />

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sich auch oft, deshalb ist es wichtig, <strong>den</strong> <strong>Kinder</strong>n genau zu erklÇren, woran ein Mensch<br />

gestorben ist und dass das Kind daran nicht schuld ist, auch wenn z. B. im Streit unter Geschwistern<br />

ein Todeswunsch geÇuÑert wor<strong>den</strong> war.<br />

<strong>Kinder</strong> kànnen wenig mit Umschreibungen anfangen: „Die Oma ist eingeschlafen” kann zu<br />

Angst vor dem Einschlafen fÄhren, „Der Opa ist an einem besseren Ort” kann in <strong>den</strong> <strong>Kinder</strong>n<br />

<strong>den</strong> Wunsch wecken, auch dorthin zu wollen. Die <strong>Kinder</strong> nehmen solche ErklÇrungen wàrtlich<br />

und sie kànnen dann Ångste oder SehnsÄchte entwickeln.<br />

Fragen der <strong>Kinder</strong> gilt es, ehrlich und ihrem VerstÇndnishorizont entsprechend zu beantworten,<br />

so dass auch spÇter nichts zurÄck genommen wer<strong>den</strong> muss. <strong>Kinder</strong> dÄrfen und sollen die<br />

GefÄhle der Erwachsenen mitbekommen und dabei auch lernen, dass Weinen und tiefe Traurigkeit<br />

etwas Normales sind, etwas, das zum Leben gehàrt. Wichtig ist es auch, die <strong>Kinder</strong> im<br />

Zusammenhang mit dem Todesfall nicht fortzuschicken, sie fÄhlen sich sonst verlassen und<br />

verwirrt, weil man sie ausgeschlossen hat. Sie sollen an màglichst vielen VorgÇngen rund um<br />

die Beerdigung in der Familie teilnehmen kànnen und vielleicht auch die Màglichkeit haben,<br />

ein kleines An<strong>den</strong>ken an <strong>den</strong> oder die Verstorbene auszuwÇhlen.<br />

Grundschulkinder 6 bis 9 Jahre<br />

<strong>Kinder</strong> dieses Alters haben unterschiedliche Wahrnehmungen von Tod, trotzdem sind sie in<br />

der Lage, <strong>den</strong> Tod als Tatsache zu erfassen. Sie kànnen unterschei<strong>den</strong> zwischen RealitÇt und<br />

Fantasie. In ihrem Weltbild unterschei<strong>den</strong> sie zwischen belebt und unbelebt.<br />

Ein Teil der <strong>Kinder</strong> dieses Alters personifiziert <strong>den</strong> Tod. Es handelt sich ihrer Vorstellung<br />

nach um eine eigene, separate Person oder der Tote selbst ist der Tod. Oft wird er als Engel in<br />

menschenÇhnlicher Gestalt, der im Himmel lebt, oder als Skelett, das ein Komplize des Teufels<br />

ist, gesehen. Dieses Wesen kann sich unsichtbar machen, ist ganz leise, tanzt mit <strong>den</strong> Geistern,<br />

hinterlÇsst FuÑspuren, schickt Vorboten und agiert meist in der Dunkelheit. Der Tod<br />

holt die Bàsen und Ungehorsamen. Man kann ihm also entrinnen, wenn man brav, schnell und<br />

geschickt ist.<br />

Die <strong>Kinder</strong> beginnen, die Bedeutung des Todes zu verstehen, und haben ein sachlich nÄchternes<br />

Interesse an <strong>den</strong> ÅuÑerlichkeiten des Todes. Sie interessieren sich auch dafÄr, was aus <strong>den</strong><br />

Toten wird und haben zum Teil sehr konkrete Vorstellungen, die aber kaum mit Emotionen<br />

verbun<strong>den</strong> sind – die Toten liegen im Sarg unter der Erde, sie kànnen nicht mehr atmen, haben<br />

die Augen zu. Die <strong>Kinder</strong> wissen auch, dass es neben dem Alter noch andere Todesursachen<br />

gibt, wie zum Beispiel Krankheit und Unfall. In dieser Altersgruppe fangen <strong>Kinder</strong> an,<br />

aus Wut TodeswÄnsche gegen Mutter, Vater oder Geschwister zu ÇuÑern.<br />

Die <strong>Kinder</strong> realisieren langsam, dass auch sie sterben kànnen, dass der Tod alle Menschen<br />

treffen kann, auch die, die ihnen nahe stehen. Die Angst vor dem eigenen Tod zeigt sich in<br />

Ångsten vor Gewalteinwirkungen, zum Beispiel in der Angst, erschossen zu wer<strong>den</strong>. Cowboyspiele<br />

sind sehr beliebt und eine Màglichkeit, mit diesen Ångsten umzugehen.<br />

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