Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

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29.01.2013 Aufrufe

Christian Fleck Begleitung von Kindern kranker Erwachsener durch Ehrenamtliche. Eine besondere Herausforderung An welche Situation kann man hier denken? Eine Hospizhelferin kommt in eine Familie, um einen erwachsenen Kranken zu begleiten, und trifft dort auch auf ein oder mehrere Kinder. Sie màglicherweise mitbetreuen – wenn ja, wie – das kann auf sie zukommen oder auch nicht. Die Anwesenheit von Kindern stellt eine besondere Thematik fÄr die Hospizhelferin dar. Wenn Erwachsene im Themenbereich „Sterben, Tod und Trauer“ mit Kindern und Jugendlichen umgehen, ist die Unsicherheit von Erwachsenen oft recht groÑ. Es ist schon genug, wenn der Erwachsene selbst unsicher ist – irgendwo lebt ja auch sein eigenes Inneres Kind in ihm, in welchem Zustand es auch immer sein mag. Zu jung fÖr das Thema? Welchen Sinn hat es, wenn manchmal gesagt wird, das Kind sei zu jung, um zu verstehen, was Tod bedeutet, zu jung, um sich mit diesem Thema zu beschÇftigen? Einen guten Sinn hat es ja, sonst wÄrde so etwas nicht gesagt werden. Hier geht es um Schutz vor Schmerz, vor der RealitÇt des Todes. Sie wollen das Kind bewahrt sehen vor Trauer, es soll nicht mit etwas belastet werden, das es ihrer Meinung nach noch gar nicht erfassen kann. – Damit ist noch nicht gesagt, ob es sich bei dem Kind nun um das „Innere Kind” dessen handelt, der das Kind schÄtzen will, oder um das real vor ihm stehende Kind. Kinder sind sich der RealitÇt von Leid, Tod und Trauer bewusster, als Erwachsene oft annehmen. Sie gehen in der Regel ganz natÄrlich damit um. Sie haben je nach Alter ihre eigenen Vorstellungen von den Begriffen „Leben“ und „Tod“. Um Kinder zu verstehen und sie zu unterstÄtzen, ihnen helfen zu kànnen, ist es fÄr Erwachsene hilfreich, sich zuallererst selbst mit diesem Themenkreis auseinanderzusetzen. Warum? Sie selbst persànlich haben Ihr eigenes „Inneres Kind” immer dabei. Kinder vergessen nicht, im schlechtesten Fall sind sie nachtragend, besonders „Innere Kinder“ tragen gern nach, und zwar die heftigen Dinge der eigenen Lebens- und Lerngeschichte. Jeder Trauerprozess aktiviert frÄhere Trauer wieder. Erfahrungen von Krankheit und Verlust und vielem anderen, Schànem und Schwerem, bilden die Lerngeschichte eines Menschen, so auch die eigene persànliche Geschichte: Menschen mit den Erfahrungen von Krankheit, Leid, von Sterben, Tod und Trauer. Ich als Erwachsener, der ich heute bin, habe hier bereits meine Erfahrungen, die prÇgen mich, bestimmen meine Sicht von mir selbst, meine Sicht der Welt, meine Sicht von dem, wie Kinder in bestimmten Situationen sinnvoller Weise zu begleiten und zu unterstÄtzen sind. Wenn eine neue Erfahrung hinzukommt, wird diese eingebaut in das Vorhandene – und zu einem sinnvollen Ganzen verwoben „Wir erfinden eine Geschichte, die wir fÖr unser Leben halten” (F. DÖrrenmatt) Besonders interessant wird es, wenn es sich um Themen der ganz praktischen Lebenspraxis handelt, die wir als fÄr uns wichtig erachten, die weniger wichtigen geraten da durchaus in den Hintergrund, sie gehen nicht verloren, aber machen sich nicht bemerkbar. Wer sich hier persànlich engagiert, macht sich zugleich auf einen persànlichen Lernweg, in seiner Situation als Erwachsener: Lernen fÄr Erwachsene – es bedeutet hier: 44 o die Integration der bisherigen Lernerfahrungen in das eigene Leben; o die Zustimmung zur eigenen Lebens- und Lerngeschichte („Das ist meine Lebens- und Lerngeschichte – und sie ist nicht abgeschlossen, seit gestern Abend …”);

o die konkrete Gestaltung von Dingen des praktischen Lebens – z. B. wie gestalte ich meinen Kontakt zu jemand, den ich begleite – wenn mir das wichtig ist. All das ist der Hintergrund, wozu in all den Fortbildungsmodellen fÄr Hospizhelfer sich Elemente finden, in denen sie sich selbst erfahren und dabei weniger Wissen speichern, als vielmehr fÄr sich und mit sich selbst immer wieder neu „lernen”. „Wo Wissen bewahrt wird, wird Lernen verhindert.” (Heinz J. Kersting, 2004) Wer Wissen besitzt, braucht nicht zu lernen, er verhindert die Integration von neuem Wissen in sein persànliches Lernen. Dennoch kann Begegnung mit Kindern in diesen Situationen leichter geschehen, wenn eine Ahnung davon vorhanden ist, was Tod und Trauer fÄr Kinder in den verschiedenen Altersstufen bedeuten kann. Das stÇrkste Erlebnis, die intensivste Erfahrung von Trauer machen wir wahrscheinlich alle beim Tod eines geliebten Menschen. Aber nicht nur Tod und Krankheit sind Anlass zur Trauer – gerade auch bei Kindern gibt es die verschiedensten Situationen, in denen sie trauern – das Weggehen der Mutter, der Verlust eines geliebten Kuscheltieres, der Abschied vom Kindergarten, von der Schule, von einer gewohnten Umgebung z. B. durch Umzug, der Tod eines Haustieres … Uns Erwachsenen fÇllt es oft schwer, das GefÄhl der Trauer anzunehmen und bewusst zu erleben – und das, obwohl es zu unserem Leben gehàrt wie auch die Liebe. Kinder gehen mit Verlusten und Abschieden anders um. Eines gilt fÄr Kinder und Erwachsene gleich: Je frÄher gelernt und eingeÄbt werden kann, mit den GefÄhlen von Schmerz und Trauer umzugehen, um so eher ist es màglich, die groÑen und kleinen Abschiede und Verluste im Leben eines Menschen, eines Kindes, zu gestalten und diese GefÄhle auch ernst zu nehmen. Wie Kinder Tod und Trauer erleben Wenn Sie mit trauernden Kindern zu tun haben, kànnen Sie die Meinung mancher hàren, dass Kinder leicht abzulenken sind, schnell vergessen und dass man ihnen die Trauer auch ausreden kann. Das ist aber nicht so. Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie weinen vor allem nicht immer dann, wenn es von ihnen „erwartet” wird. Das heiÑt: Sie wollen dann traurig sein dÄrfen, wann sie es fÄr richtig halten. Kindliche Trauer ist sprunghaft und wird von Erwachsenen nicht immer gesehen oder richtig verstanden. Gertrud Ennulat verwendet dafÄr ein meiner Meinung nach sehr schànes Bild: Die Trauer von Erwachsenen wird oft mit dem Waten durch einen Fluss verglichen, dessen Ufer nicht zu erkennen ist. Kinder stolpern in PfÄtzen der Trauer hinein und springen wieder weiter. LÇngere TrauerzustÇnde wÇren eine zu groÑe Bedrohung fÄr ihre Person, die sich ja erst im Aufbau befindet. Das Bild von der TrauerpfÄtze, in welche das Kind springt, zeigt die Dynamik seiner Trauer. Manches Mal ist die PfÄtze groÑ und besonders matschig, dann wieder spritzt es nur wenig. Kinder kànnen in einem Moment furchtbar traurig sein und im nÇchsten wieder ganz fràhlich, so als hÇtte man einen Schalter betÇtigt. Kinder wollen immer wieder hàren, wie es war, als der Opa verunglÄckte, das Kaninchen starb, oder wo das Kuscheltier vergessen und nicht wieder gefunden wurde. Durch diese immer wieder gestellten Fragen machen sie sich auf die Suche nach Antworten, diese Suche ist zugleich Teil ihrer Trauerverarbeitung. Wichtig ist es dann, den Fragen der Kinder zuzuhàren und sie geduldig zu beantworten. Die Kinder wollen oft keine neuen Antworten hàren, sondern sind mit den alten zufrieden. 45

o die konkrete Gestaltung von Dingen des praktischen Lebens – z. B. wie gestalte ich<br />

meinen Kontakt zu jemand, <strong>den</strong> ich begleite – wenn mir das wichtig ist.<br />

All das ist der Hintergrund, wozu in all <strong>den</strong> Fortbildungsmodellen fÄr Hospizhelfer sich Elemente<br />

fin<strong>den</strong>, in <strong>den</strong>en sie sich selbst erfahren und dabei weniger Wissen speichern, als vielmehr<br />

fÄr sich und mit sich selbst immer wieder neu „lernen”.<br />

„Wo Wissen bewahrt wird, wird Lernen verhindert.” (Heinz J. Kersting, 2004)<br />

Wer Wissen besitzt, braucht nicht zu lernen, er verhindert die Integration von neuem Wissen<br />

in sein persànliches Lernen.<br />

Dennoch kann Begegnung mit <strong>Kinder</strong>n in diesen Situationen leichter geschehen, wenn eine<br />

Ahnung davon vorhan<strong>den</strong> ist, was Tod und Trauer fÄr <strong>Kinder</strong> in <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Altersstufen<br />

bedeuten kann.<br />

Das stÇrkste Erlebnis, die intensivste Erfahrung von Trauer machen wir wahrscheinlich alle<br />

beim Tod eines geliebten Menschen. Aber nicht nur Tod und Krankheit sind Anlass zur Trauer<br />

– gerade auch bei <strong>Kinder</strong>n gibt es die verschie<strong>den</strong>sten Situationen, in <strong>den</strong>en sie trauern –<br />

das Weggehen der Mutter, der Verlust eines geliebten Kuscheltieres, der Abschied vom <strong>Kinder</strong>garten,<br />

von der Schule, von einer gewohnten Umgebung z. B. durch Umzug, der Tod eines<br />

Haustieres …<br />

Uns Erwachsenen fÇllt es oft schwer, das GefÄhl der Trauer anzunehmen und bewusst zu <strong>erleben</strong><br />

– und das, obwohl es zu unserem Leben gehàrt wie auch die Liebe. <strong>Kinder</strong> gehen mit<br />

Verlusten und Abschie<strong>den</strong> anders um.<br />

Eines gilt fÄr <strong>Kinder</strong> und Erwachsene gleich: Je frÄher gelernt und eingeÄbt wer<strong>den</strong> kann, mit<br />

<strong>den</strong> GefÄhlen von Schmerz und Trauer umzugehen, um so eher ist es màglich, die groÑen und<br />

kleinen Abschiede und Verluste im Leben eines Menschen, eines Kindes, zu gestalten und<br />

diese GefÄhle auch ernst zu nehmen.<br />

Wie <strong>Kinder</strong> Tod und Trauer <strong>erleben</strong><br />

Wenn Sie mit trauern<strong>den</strong> <strong>Kinder</strong>n zu tun haben, kànnen Sie die Meinung mancher hàren, dass<br />

<strong>Kinder</strong> leicht abzulenken sind, schnell vergessen und dass man ihnen die Trauer auch ausre<strong>den</strong><br />

kann. Das ist aber nicht so. <strong>Kinder</strong> trauern anders als Erwachsene. Sie weinen vor allem<br />

nicht immer dann, wenn es von ihnen „erwartet” wird. Das heiÑt: Sie wollen dann traurig sein<br />

dÄrfen, wann sie es fÄr richtig halten.<br />

Kindliche Trauer ist sprunghaft und wird von Erwachsenen nicht immer gesehen oder richtig<br />

verstan<strong>den</strong>. Gertrud Ennulat verwendet dafÄr ein meiner Meinung nach sehr schànes Bild:<br />

Die Trauer von Erwachsenen wird oft mit dem Waten durch einen Fluss verglichen, dessen<br />

Ufer nicht zu erkennen ist. <strong>Kinder</strong> stolpern in PfÄtzen der Trauer hinein und springen wieder<br />

weiter. LÇngere TrauerzustÇnde wÇren eine zu groÑe Bedrohung fÄr ihre Person, die sich ja<br />

erst im Aufbau befindet. Das Bild von der TrauerpfÄtze, in welche das Kind springt, zeigt die<br />

Dynamik seiner Trauer. Manches Mal ist die PfÄtze groÑ und besonders matschig, dann wieder<br />

spritzt es nur wenig. <strong>Kinder</strong> kànnen in einem Moment furchtbar traurig sein und im nÇchsten<br />

wieder ganz fràhlich, so als hÇtte man einen Schalter betÇtigt.<br />

<strong>Kinder</strong> wollen immer wieder hàren, wie es war, als der Opa verunglÄckte, das Kaninchen<br />

starb, oder wo das Kuscheltier vergessen und nicht wieder gefun<strong>den</strong> wurde. Durch diese immer<br />

wieder gestellten Fragen machen sie sich auf die Suche nach Antworten, diese Suche ist<br />

zugleich Teil ihrer Trauerverarbeitung. Wichtig ist es dann, <strong>den</strong> Fragen der <strong>Kinder</strong> zuzuhàren<br />

und sie geduldig zu beantworten. Die <strong>Kinder</strong> wollen oft keine neuen Antworten hàren, sondern<br />

sind mit <strong>den</strong> alten zufrie<strong>den</strong>.<br />

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