Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik
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Martin Mommsen von Geisau<br />
Morgenimpuls<br />
„Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir hÅchstens eine zur Sprache und<br />
auch diese bloÑ zufÄllig und ohne die Sorgfalt, die sie verdiente. Unter all <strong>den</strong> stummen Erfahrungen<br />
sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine FÄrbung<br />
und seine Melodie geben. Wenn wir uns dann, als ArchÄologen der Seele, diesen SchÄtzen<br />
zuwen<strong>den</strong>, entdecken wir, wie verwirrend sie sind. Der Gegenstand der Betrachtung weigert<br />
sich stillzustehen, die Worte gleiten am Erlebten ab, und am Ende stehen lauter WidersprÖche<br />
auf dem Papier. Lange Zeit habe ich geglaubt, das sei ein Mangel, etwas, das es zu<br />
Öberwin<strong>den</strong> gelte. Heute <strong>den</strong>ke ich, dass es sich anders verhÄlt: dass die Anerkennung der<br />
Verwirrung der KÅnigsweg zum VerstÄndnis dieser vertrauten und doch rÄtselhaften Erfahrungen<br />
ist.“ (Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon, 3. Aufl. 2006, S. 28)<br />
Mercier lÇsst <strong>den</strong> fiktiven Goldschmied der Worte von Almeida Prado in seinem Krimi wunderbare<br />
Gedanken und Beobachtungen aussprechen, die gut in unsere Arbeit mit Patienten<br />
Äbertragen wer<strong>den</strong> dÄrfen und rasch Bilder von verwirren<strong>den</strong>, aber auch entwirren<strong>den</strong> Erfahrungen<br />
in mir wecken. Von einem màchte ich Ihnen erzÇhlen.<br />
„Ich bin schwanger! Wir bekommen ein Kind!“ Eine elektrisierende Botschaft, die je<strong>den</strong> feinfÄhligen<br />
Menschen, der von guten Freun<strong>den</strong> in ihr Leben einbezogen wird, tief unter die Haut<br />
geht. Der Wunsch, nicht nur Freund, sondern dem Kind auch ein besonderer Lebensbegleiter<br />
durch dick und dÄnn zu sein, Pate sein zu dÄrfen, ist eines der wundervollen Geschenke des<br />
Lebens. Mit dem Wachsen des Bauches, der Geburt, dem Wiegen und Halten, dem Beobachten<br />
und dankbaren Erkennen tÇglich wachsender Fortschritte mÄndet der Wunsch in die konkreten<br />
Planungen der Taufe und deren Vorbereitungen. Eine aufregende Zeit. Die Taufe als<br />
Kristallisationspunkt, als Herzensdiamant, der unsere ganze Hoffnung und Sehnsucht in das<br />
gelingende und von Gott getragene Leben in all seinen Regenbogenfarben funkeln lÇsst. Die<br />
Einladungen sind geschrieben: Ort und Datum stehen in der Ferne fest.<br />
Jedoch diffuse Bauchschmerzen beim Paten machen drei Monate vor der Taufe einen Arztbesuch<br />
notwendig. Die Diagnose im St. Franziskus-Hospital war auch gleichzeitig aufgrund der<br />
InoperabilitÇt und Nichtheilbarkeit des Pankreaskrebses mit Metastasenbildung in der Leber<br />
und in <strong>den</strong> Knochen der Beginn einer palliativen Behandlung. Aufgrund seines rapi<strong>den</strong><br />
Krankheitsverlaufes mit kurzzeitiger Entlassung in die hÇusliche AtmosphÇre zeichnete sich<br />
die NichterfÄllung seines noch ausstehen<strong>den</strong> gràÑten Wunsches ab: die Patenschaft fÄr das<br />
MÇdchen seiner Freunde. Die DurchfÄhrung der Taufe konnte auch aus kàrperlichen und organisatorischen<br />
GrÄn<strong>den</strong> nicht vorverlegt wer<strong>den</strong>. In unseren langen GesprÇchen entstand die<br />
Idee, eine Patensegnung durchzufÄhren, die auch die befreundete Familie gerne annahm.<br />
Trotz starker ErschàpfungszustÇnde freute sich der Patient auf eine Salbung mit gesegnetem<br />
äl und deren besonderer Bedeutung des Heilens.<br />
WÇhrend der Vorbereitung wuchs der Vorschlag, dass das zweieinhalbjÇhrige Kind auch ihn,<br />
<strong>den</strong> sterben<strong>den</strong> Patienten, salben und segnen darf. Und so geschah es: ZunÇchst segnete der<br />
Patient das Kind mit dem äl an HÇn<strong>den</strong> und Stirn und versprach, es als Engel aus dem Himmel<br />
in seinem Leben immer zu begleiten. Und das Kind segnete ihn auch an <strong>den</strong> HÇn<strong>den</strong> und<br />
auf der Stirn – ganz wach und bewusst und aufmerksam der tiefen Bedeutung, die diesem<br />
Zeichen von <strong>den</strong> Erwachsenen beigemessen wurde.<br />
Es gibt immer wieder Momente des Kairos in der Begleitung von Patienten. Wie durch ein<br />
Wunder berÄhrte ihn die Salbung durch das kleine Kind zutiefst. Er, der selbst sein Sterben<br />
durchstrukturieren und alles klÇren und vorbereiten wollte, wurde durch die Zeichenhaftigkeit<br />
und durch die Liebe zu dem kleinen Kind in die RealitÇt seines eigenen gefÄhlsmÇÑigen Sterbens<br />
hineingefÄhrt. Der Weg, <strong>den</strong> er ihr zum Leben wÄnschte, wurde auch sein von dem Kind<br />
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