Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik
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Bohnen, Tomaten und Melonen zogen. Sie lebten aus diesem Garten und dem, was sie davon<br />
verkaufen konnten, aber nach drei Missernten waren sie dem Verhungern nah und folgten der<br />
Schwester, die schon ein Jahr frÄher mit ihrer Familie nach Deutschland ausgewandert war, in<br />
der Hoffnung, Arbeit zu fin<strong>den</strong>. Bis dahin eine traurige, alltÇgliche Geschichte. Eines Tages<br />
fragte mich ein Kollege, ob ich nicht eine Putzfrau gebrauchen kànne, sie sprÇche zwar kein<br />
Deutsch, sei aber sehr umsichtig.<br />
Ich suchte gerade jeman<strong>den</strong>. 8 Jahre blieb sie bei mir bis zu ihrem Tod, und ich hatte das<br />
GlÄck, einer wunderbar einfachen Frau begegnen zu kànnen, voll natÄrlicher Selbstsicherheit,<br />
Lebensklugheit und Unbestechlichkeit. Sie konnte weder lesen noch schreiben, <strong>den</strong>n sie hatte<br />
nur zwei Jahre sporadisch in die Schule gehen kànnen, weil sie ab ihrem 3. Lebensjahr in der<br />
Familie mithelfen musste. Als sie vier Jahre alt war, brachte ihr die Mutter das Sticken bei,<br />
zunÇchst kleine Deckchen, die sie auf dem Markt verkauften. SpÇter stickte sie BettwÇsche fÄr<br />
die Aussteuer anderer. Spielen konnte sie kaum. Die ersten Schuhe sollte sie bekommen zu<br />
ihrer Einschulung. Als sie heiratete und nacheinander zwei <strong>Kinder</strong> bekam, hatte sie nicht nur<br />
diese zu versorgen, sondern auch ihre schwerkranken Eltern. Nach Deutschland ging sie, als<br />
diese starben.<br />
Sie war eine kleine muntere Frau mit dunklen, lebendigen Augen, alles drÄckte sich in ihnen<br />
aus: sie konnten lachen, funkeln, nach<strong>den</strong>klich schauen, sie konnten zornig sein und sanft,<br />
und sie hatte schwarzes Kraushaar, flinke FÄÑe, zupackende HÇnde. Was immer sie zu machen<br />
hatte, sie tat es, als sei es fÄr sie eine wunderbare Herausforderung, und nach einigen<br />
Stun<strong>den</strong> Arbeit schien sie nicht mÄde und erschàpft zu sein, sondern stolz und glÄcklich Äber<br />
ihr gelungenes Werk. Bevor sie ging, nahm sie meine Hand und ihre Augen strahlten, wenn<br />
sie mit mir durch die Zimmer ging. Ihr „bene“ war nichts, was nach Anerkennung heischte.<br />
Es musste ja gut sein, da sie doch ihr Bestes gegeben hatte. Sie war sicher, dass auch ich zufrie<strong>den</strong><br />
war, und nun konnten wir uns gemeinsam freuen.<br />
Aber ihre Geschichte war auch ein Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen mit ihren jeweiligen<br />
WertmaÑstÇben und Moralvorstellungen, die uns, aber auch alle, die zu uns kommen,<br />
mit Entfremdung bedrohen. Es ist die traurige Geschichte einer jungen Frau, die voller<br />
Freude und Lei<strong>den</strong>schaft fÄr das Leben ist und doch in Deutschland zugrunde geht. Sie weiÑ<br />
schlieÑlich nicht mehr, wo sie Zuhause ist, weil sie auch in ihrer Heimat als AuslÇnderin angesprochen<br />
wird.<br />
Ein Treppensturz und eine Krebserkrankung verÇndern ihr Leben, brachen aber nicht ihre<br />
Lebenslust. UnermÄdlich baute sie am Haus ihrer Geschichte. Sie verwarf keine Erfahrung,<br />
sei sie nun schwer oder beglÄckend.<br />
Etwas was ich mit ihr lernte war, wie wichtig Erinnerungen sind. Erinnerungen sind nicht<br />
einfach etwas, was das Gehirn abgespeichert hat, sie sind je nachdem, ob wir sie als unannehmbar<br />
oder wichtig verbuchen, schon eine Deutung des Erfahrens. Maria konnte zu Anfang<br />
kaum Deutsch, aber ihr intensives BedÄrfnis, sich mitzuteilen, fand Màglichkeiten, mit ihrer<br />
Mimik und Gestik, mit italienischen Wàrtern, der Modulation ihrer Stimme und schlieÑlich<br />
immer mehr mit Worten der neuen Sprache, Vignetten ihres Lebens in meine Vorstellung zu<br />
malen. Sie wurde mir immer mehr sichtbar und auch sich selber wurde sie sichtbar. Meistens<br />
war der Hintergrund Leid und Entwertung. Wie eine zuverlÇssige StÄtze tauchten dann Erinnerungen<br />
auf, die sich mit der bedrÄcken<strong>den</strong> Wirklichkeit durchwoben und sie standhalten<br />
lieÑen.<br />
Ich bringe ein Beispiel:<br />
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