Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik
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pendel sich wegbewegt, verwelkt die herrliche BlÄte und versinkt im dunklen Wasser. Aber<br />
immer neue, noch herrlichere, ganz einmalige BlÄten entstehen unter dem Lichtpendel.<br />
Momo bemerkt, dass es nicht nur die Farben sind, sondern dass im Licht auch KlÇnge sind,<br />
die sie zunÇchst nicht zu unterschei<strong>den</strong> weiÑ; sie scheinen ihr wie das Rauschen des Windes,<br />
wie Brausen, wie das Donnern der Brandung, wie sich stÇndig wandelnder SphÇrengesang,<br />
der sie vollkommen erfÄllt. Das klingende Licht rief offenbar die unterschiedlichen Zeit-<br />
BlÄten in ihrer einmaligen und unwiederholbaren Gestalt aus <strong>den</strong> dunklen Tiefen des Wassers<br />
hervor.<br />
Was fÄr ein Bild: Die menschliche Seele als tiefer, dunkler See, aus dessen SchwÇrze die herrlichsten<br />
BlÄten emporwachsen, wenn ihnen das Licht von oben entgegenkommt.<br />
Das Licht aber ist die Aufmerksamkeit, ist die Achtung und Liebe, die wir unserem Leben<br />
schenken. Oft scheint es so, als stÄrme das Leben Äber uns hinweg, als seien nicht wir seine<br />
Gestalter, und das fÄhrt nicht selten dazu, dass wir uns fremd darin fÄhlen, als sei es nicht das<br />
unsere und sehnen uns nach einem anderen.<br />
Wir nehmen die Stun<strong>den</strong>blumen nicht an uns, wenn wir sie nicht beachten, und kennen entsprechend<br />
ihre Kostbarkeit und Einmaligkeit nicht.<br />
Stellen sie sich ihr Leben als ein groÑes GefÇÑ vor, in das sie ihre Jahresblumen stellen. Ist es<br />
nicht eigentlich wunderbar, wenn der StrauÑ gràÑer und gràÑer wird? Vielleicht gibt es groÑe<br />
und strahlende BlÄten darin, vielleicht auch zarte, die zittern, wenn ein Lufthauch sie berÄhrt.<br />
Vielleicht sind manche nicht ganz erblÄht und es macht sie traurig, wenn sie an die Jahre <strong>den</strong>ken,<br />
fÄr die sie stehen. Und schauen sie die Farben an, sie drÄcken die Lebensstimmung aus,<br />
in der sie waren: da gibt es vielleicht Blautàne, die leuchten, die die Seele weiten, die ZÇrtlichkeit<br />
ausdrÄcken, Stille und ZuverlÇssigkeit oder vielleicht KÄhle und Reserviertheit.<br />
Und da gibt es noch die vielen Rottàne: das kànigliche Karmesin, das heitere Zinnober, das<br />
strahlende Orange oder das zarte Rosa, um nur wenige zu benennen. Egal, ob sie wie die Sonnenblume<br />
im warmen Orangegelb leuchten oder im kÄhleren Chromgelb, sie sind Ausdruck<br />
der jeweiligen Befindlichkeit. Wir kànnten lange so weitermachen, <strong>den</strong>n es gibt viele Farbnuancen<br />
und entsprechend viele unterschiedliche Formen. In jedem StrauÑ gibt es wohl auch die<br />
eine oder andere Distel, die sticht, wenn man sie berÄhrt, wie Zeiten, in <strong>den</strong>en wir verletzt<br />
wur<strong>den</strong> und uns wehren mussten, und es gibt auch die Stiele, die ihre BlÇtter verloren haben,<br />
oder die Blumen, die Knospen blieben, weil die UmstÇnde sie nicht erblÄhen lieÑen.<br />
Aber jeder StrauÑ, mit all seinen BlÄten, ist einmalig in Farbe, GràÑe und Form.<br />
Die Jahresblumen sind, wie sie sind. Sie lassen sich nicht nachtrÇglich verÇndern. Der kreative<br />
Akt ist die Gestaltung des StrauÑes. Sie wissen: kein StrauÑ, wenn er lieblos zusammengezwÇngt<br />
wird, ist schàn – und seien die BlÄten auch noch so groÑartig. Die eigentliche Kunst<br />
ist das Bin<strong>den</strong> oder Stecken.<br />
Haben Sie nicht alle die Erfahrung gemacht, dass Sie auf Jahre, die Sie als schwer erlebt haben,<br />
nach einiger Zeit einen anderen Blick haben konnten und dass dieser Ihnen eine neue<br />
Sichtweise ermàglichte? Manchmal braucht man <strong>den</strong> Abstand, um eine solche Jahresblume<br />
wÄrdigen zu kànnen, und dann darf sie ihren Platz haben in dem groÑen StrauÑ und trÇgt zu<br />
seiner Schànheit bei.<br />
Ich màchte Ihnen von einer Frau erzÇhlen, bei der ich mit<strong>erleben</strong> konnte, dass „Sich erinnern<br />
heiÑt, am Haus seiner Geschichte zu bauen“. Wenn wir uns nicht verloren fÄhlen wollen,<br />
mÄssen wir uns ein solches bauen:<br />
Sie war mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen <strong>Kinder</strong>n aus Sizilien gekommen. Sie waren<br />
immer arm gewesen, hatten nur einen kleinen Garten mit OlivenbÇumen, zwischen <strong>den</strong>en sie<br />
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