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Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

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Ich bin in meinem Leben vielen Menschen begegnet, die von auÑen gesehen ein schweres<br />

Leben hatten. Sie waren entweder durch eine Krankheit eingeschrÇnkt oder sonst durch eine<br />

leidvolle Geschichte. Und ich bin <strong>den</strong>en unendlich dankbar, die aus Katastrophen auferstan<strong>den</strong><br />

sind, die das, was ihnen das Leben entgegenbrachte, nicht als falsch, unannehmbar,<br />

als Strafe oder Ungerechtigkeit bewerteten, wenn es hart war, und als selbstverstÇndlich,<br />

wenn es gut war, sondern die es nicht so bewerteten, aber es anpackten als einen nur fÄr sie<br />

erdachten Werkstoff, mit dem sie ihr Leben gestalten durften.<br />

Diese Menschen sind kostbar fÄr mich und ich habe Äber sie geschrieben, um ihr Leben dem<br />

meinen einzuprÇgen und um sie auch anderen Menschen zur VerfÄgung zu stellen, die sie<br />

nicht kennenlernen durften.<br />

Als ich Christine einmal fragte, ob ich meinen Stu<strong>den</strong>ten einige Bilder von ihr zeigen dÄrfe,<br />

schaute sie mich lÇchelnd an und sagte: „Wenn du meinst, dass ich ihnen etwas damit sagen<br />

kànnte, fÇnde ich das sehr schàn“, und nach einer Weile „und wenn ich tot bin, lebe ich vielleicht<br />

mit meinen Bildern in <strong>den</strong> Menschen, <strong>den</strong>en du sie zeigst, weiter.“<br />

Nun lebt Christine auch ein bisschen in Ihnen weiter.<br />

Wir sollten einander unsere Geschichten erzÇhlen, <strong>den</strong>n mit jedem Zuhàrer und der Resonanz,<br />

die unsere Geschichte in ihm auslàst, wird ihr Klang voller.<br />

Wir wissen, wie viele Menschen, besonders Soldaten, die nach langen Jahren der Gefangenschaft<br />

endlich nach Hause zurÄckkehrten, stumm blieben, ob des Grauens von Krieg und Gefangenschaft,<br />

weil ihre Angehàrigen, die die Ausbombung und Vertreibung Äberstan<strong>den</strong> hatten<br />

und nun mit dem Aufbau beschÇftigt waren, die Horrorgeschichten der SpÇtheimkehrer<br />

nicht mehr hàren konnten und wollten.<br />

Viele von ihnen starben, nachdem sie so Schreckliches Äberlebt hatten, weil sie ihre eigene<br />

Geschichte nicht mehr ertragen konnten. Sie hÇtten dringend Menschen gebraucht, die bereit<br />

gewesen wÇren, ihnen zuzuhàren und ihnen zu helfen, in all dem Grauen die Leistung aufzuspÄren,<br />

die das bloÑe âb<strong>erleben</strong> schon bedeutete, und die sich interessiert hÇtten fÄr die<br />

SchlÄsse, die sie aus ihren leidvollen Erfahrungen gezogen hatten. Das hÇtte ihnen vielleicht<br />

geholfen, aus einem gestaltlosen Haufen unertrÇglicher Bilder und Erfahrungen ein Haus ihrer<br />

Geschichte zu bauen. So lange sie noch in Gefangenschaft waren, hatten sie die Hoffnung,<br />

irgendwann nach Hause zu kommen zu <strong>den</strong> vertrauten Menschen, aber das Zuhause war in<br />

<strong>den</strong> meisten FÇllen verloren und die vertrauten Menschen waren oft fremd gewor<strong>den</strong> und in<br />

der neuen Heimat fan<strong>den</strong> sie oft keinen Platz mehr, kaputt wie sie waren. Eine WÄrdigung<br />

ihres bis dahin gelebten Lebens hÇtte ihnen vielleicht die Kraft gegeben fÄr einen Neuanfang.<br />

Das Leben eines je<strong>den</strong> Menschen hat Bedeutung. Meistens warten wir darauf, dass andere<br />

Menschen uns sie zusprechen. In Wirklichkeit geht es darum, dass wir sie selber entdecken.<br />

Michael Ende hat in seinem Roman „Momo“ ein wunderbares Bild fÄr unsere Zeit gefun<strong>den</strong>:<br />

Seine kleine Romanheldin ist ein freies, unbestechliches StraÑenkind mit einem unverstellten<br />

Blick fÄr die Wirklichkeit. Im Haus des Meisters Hora, dem Herrn der Zeit, kann sie das<br />

wunderbare AufblÄhen und Vergehen der Stun<strong>den</strong>blumen beobachten. Dazu geht Meister<br />

Hora mit ihr an einen Ort, in dem sie weder sprechen noch fragen darf.<br />

Er fÄhrt Momo in einen Raum mit einer gewaltigen Kuppel, in dem eine gol<strong>den</strong>e DÇmmerung<br />

herrscht. Durch eine kreisrunde äffnung in der Mitte fÇllt senkrecht eine SÇule von Licht auf<br />

einen run<strong>den</strong> Teich mit reglos schwarzem Wasser, der wie ein dunkler Spiegel daliegt. Die<br />

LichtsÇule schwingt mit majestÇtischer Langsamkeit ohne Schwere Äber dem Wasser, aus<br />

dem jeweils eine groÑe BlÄtenknospe steigt. Je nÇher das Lichtpendel kommt, umso weiter<br />

àffnet sich die BlÄte, bis sie unter seinem Licht voll erblÄht ist. Sie ist von so betàrender<br />

Schànheit und ihr Duft ist wie der Inbegriff dessen, wonach man sich sehnt. Wenn das Licht-<br />

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