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Kinder_erleben_den_T.. - Peter Godzik

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Noch einmal: Ritualhandlungen sind die LeinwÇnde, auf <strong>den</strong>en wir unsere GefÄhlswelt entwerfen,<br />

um fÄr einen Augenblick mit allen Sinnen uns zu entdecken und das, was uns wirklich<br />

bewegt, aus dem Inneren zu schàpfen. Und in diese Welt zu bringen.<br />

Die eigene Wahrhaftigkeit, hier schlieÑt sich der Kreis. Rituale begleiten uns Menschen durch<br />

unsere gesamte Kulturgeschichte. Auch wenn sie eine gewisse Zeit lang in der Menschheitsgeschichte<br />

in <strong>den</strong> Untergrund gerieten und verschÄttet waren, so gehàren sie doch offenbar zu<br />

unserem genetischen Erbe und sind in uns Menschen tief verwurzelt. Dieses offenbart sich in<br />

einer umfassen<strong>den</strong> Sehnsucht der Menschen nach tragfÇhigen und heilsamen Ritualen. Gerade<br />

in <strong>den</strong> Krisen des Lebens bedarf es immer wieder neu geschàpfter Rituale. Nicht nur in <strong>den</strong><br />

Krisen, sondern auch wenn es einem gut geht, wenn man dankbar ist, wenn die Seele lacht<br />

und das Herz vor Freude springt, auch dann kommt es darauf an, fÄr sich und fÄr die Menschen,<br />

mit <strong>den</strong>en man zusammen lebt, Rituale zu haben. Lasst uns ein Fest feiern und dieses<br />

so gestalten, dass wir Dankbarkeitsrituale miteinander schàpfen! Wir kànnen dankbar sein,<br />

auch wenn wir manchmal verhindert sind, und auch, wenn wir manchmal nicht weiter wissen.<br />

Wir kànnen dankbar sein, weil wir, so wie wir leben mit <strong>den</strong> Menschen, die uns verbun<strong>den</strong><br />

sind, mit uns selber hier in dieser Welt vereint sind. Alle Sorgen und alle Nàte, das wissen wir<br />

alle, sind vorhan<strong>den</strong> und die gilt es, zu bewegen und zu betrachten. Um eines Tages Làsungen<br />

zu fin<strong>den</strong>, die uns tràsten und heilen – und Sie wissen selbst aus der Begleitung, dass eher das<br />

Negative zum Tragen kommt als das, wofÄr man dankbar sein kann.<br />

In der Begleitung eines 16-jÇhrigen Jungen ist mir das widerfahren. Er war in seinem ganzen<br />

kurzen Leben und fÄr sein Leben nicht dankbar. Als dann noch sein Vater verstarb, war er nur<br />

noch wÄtend auf diese Welt, auf die Menschen. Wir haben einen langen Weg miteinander<br />

gehen kànnen, auf dem das Aushalten dieser Wut und dieser nicht vorhan<strong>den</strong>en Dankbarkeit<br />

fÄr sein eigenes Leben schwer zu tragen war. Aber es war zu ertragen. Wir sind durch einen<br />

langen Prozess gegangen mit lÇhmender Sprachlosigkeit und wir haben uns erst Äber die Musik<br />

seinen Lebensausdruck im Dialog gefun<strong>den</strong>. Das bedeutet, dass manchmal Worte nicht<br />

nàtig sind, sondern dass mit Hilfe des Summens, des Tones, der Melodie, vielleicht auch des<br />

Tanzes, alles das, was bewegt, auf dem Weg zu einem Ritual etwas zu entdecken ist, was wir<br />

vielleicht gar nicht mit Worten ausdrÄcken kànnen, sondern nur durch unsere Kàrperhaltung,<br />

Bewegung und Mimik, sozusagen die Sinne, die uns so einmalig machen. Die Sinne, mit <strong>den</strong>en<br />

wir gemeinsam etwas entdecken kànnen, eine kleine Spur, eine kleine Ahnung. Die Freude<br />

– die Trauer, die Dankbarkeit – die Undankbarkeit sind Pole, die immer wieder im Dialog<br />

sind – es gibt, glaube ich, unter uns niemand, der jetzt schon seit 5 Wochen nur undankbar<br />

und schlecht gelaunt ist. Wir sollten uns immer wieder darauf besinnen, dass es neben all <strong>den</strong><br />

schlechten Dingen doch auch unendlich viele gute Dinge gibt, die sichtbare Zeichen des Lebens<br />

entdecken lassen.<br />

Kommen wir noch einmal darauf zurÄck, dass wir Menschen àfters in <strong>den</strong> Krisen des Lebens<br />

Rituale suchen. Aber wir kànnen auch in <strong>den</strong> Hochfesten und in <strong>den</strong> Zeiten der Freude und<br />

der Dankbarkeit Rituale fÄr die Krisen des Lebens entwerfen. Nur wenn wir die Lebensfreude,<br />

die LebenssehnsÄchte, die Lebenslei<strong>den</strong>schaft in uns haben, kànnen wir auch in einer inneren<br />

Haltung vieles bewegen miteinander, fÄreinander und auch fÄr die Menschen, die nichts<br />

mehr bewegen kànnen, weil sie todkrank sind. Ihnen dort die Màglichkeit zu geben, fÄr all<br />

das Gelebte dankbar zu sein und kleine Freu<strong>den</strong> in der Vergangenheit zu suchen. Das ist eine<br />

groÑe Aufgabe, weil sie die Màglichkeit gibt, wenn wir die Lebensthemen „Sterben, Tod und<br />

Trauer“ in unseren gesellschaftlichen Kontext stellen und sie sozusagen als Entwicklungsarbeit<br />

begreifen, noch viele Menschen anzustecken mit dem Virus der Lebenslei<strong>den</strong>schaft, der<br />

Lebenslust und der Sinnlichkeit. Die Lebensthemen „Sterben, Tod und Trauer“ sind nicht<br />

ohne Sinnlichkeit und ohne Erotik zu leben. Wenn wir nicht wissen, was Freude ist, dann<br />

kànnen wir noch nicht einmal erahnen, was Trauer ist. Dieses in Verbindung zu bringen, ist<br />

eine groÑe Aufgabe und sie wÄrde, glaube ich, dazu beitragen, dass es in unserer Gesellschaft<br />

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