Projektantrag - Prof. Dr. Joachim Doebler - Homepage
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An die<br />
Arbeitsgruppe Innovative Projekte beim<br />
Ministerium für Wissenschaft und Kultur<br />
des Landes Niedersachsen<br />
- Geschäftsstelle -<br />
Postfach 920 251<br />
30441 Hannover<br />
Praxisnahe Forschung und Entwicklung an niedersächsischen Fachhochschulen<br />
A n t r a g<br />
auf Bereitstellung von Projektfördermitteln aus dem Fachhochschul-Sonderprogramm<br />
(Kapitel 0608 Titelgruppe 97/98)<br />
1. Formale Angaben<br />
1.1 Antragsteller/-in<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Joachim</strong> Döbler, Dipl.-Soz.<br />
Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel<br />
Fachbereich Sozialwesen<br />
Ludwig-Winter-Str.2<br />
38120 Braunschweig<br />
Tel.: 0531 - 2852 - 0<br />
Fax: 0531 - 2852 - 100<br />
eMail: mail@doebler-online.de j.doebler@fh-wolfenbuettel.de<br />
URL: www.doebler-online.de<br />
1.2 Kurzbezeichnung des Vorhabens<br />
„Lebensweltorientierte Sozialraumanalysen in Braunschweigs Westlichem Ringgebiet“<br />
1.3 Kooperationspartner<br />
Braunschweiger Baugenossenschaft eG (BBG)<br />
- Rolf Kalleicher, MBA (Vorstand) -<br />
Celler Str. 66-69<br />
38114 Braunschweig<br />
Tel.: 0531 - 2413 - 0<br />
Fax: 0531 - 2413 - 250<br />
eMail: welcome@baugenossenschaft.de<br />
URL: www.baugenossenschaft.de<br />
1
plankontor - Gesellschaft für Stadterneuerung und Planung mbH<br />
- Helga Rake, Sozialplanerin (Geschäftsführung) -<br />
Am Born 6 b<br />
22765 Hamburg<br />
Tel.: 040 - 391769<br />
Fax: 040 - 39 17 70<br />
eMail: plankontor.hamburg@snafu.de<br />
URL: http://www.plankontor-gmbh.net/<br />
Sozialplanung, Sozialreferat der Stadt Braunschweig<br />
- Hartmut Dybowski, Soziologe und Sozialplaner -<br />
Am Fallersleber Tore 1<br />
38100 Braunschweig<br />
Tel.: 0531 - 470 - 3358<br />
Fax: 0531 - 470 - 6044<br />
eMail: sozialreferat@braunschweig.de<br />
1.4 Beginn des Vorhabens: voraussichtlich Oktober/November 2006<br />
1.5 Dauer des Vorhabens: Laufzeit zwei Jahre<br />
2. Beschreibung des Forschungsvorhabens<br />
2.1 Kurzfassung der Vorhabenbeschreibung<br />
Wie Unruhen in den urbanen Ghettos, die Verwahrlosung öffentlicher Flächen oder die<br />
Existenz von „Parallel-Welten“ zeigen, haben wirtschaftliche und soziale Kräfte der Deregulierung<br />
vielerorts zu Prozessen der Desintegration und der sozialräumlichen Konzentration<br />
marginalisierter Bevölkerungsgruppen geführt. Das Bund-Länder-Programm<br />
„Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ von 1999 wurde als<br />
Versuch aufgelegt, gegen diese Trends mit einem partizipationsorientierten Programm<br />
neue integrative Ansätze der Stadtteilentwicklung zu fördern. Gesellschaftliche Potentiale<br />
sollen ein stärkeres Gewicht erhalten, die Quartiere als soziale Räume und Lebenswelten<br />
und nicht als Felder isolierter fachpolitischer Interventionen gesehen werden.<br />
Im Jahre 2001 gelang es der Stadt Braunschweig, den südlichen Teil des Westlichen<br />
Ringgebiets mit einer Fläche von 250 ha und einer Einwohnerzahl von über 15.000 Personen<br />
an dieses Programm anzuschließen. Trotz aller Fortschritte in den Bereichen der<br />
Sozialplanung und der Quartiersentwicklung ist es bis heute aber nicht gelungen, diese<br />
Aktivitäten durch kleinräumige und lebensweltorientierte Analysen abzusichern.<br />
Mit dem beantragten Forschungsvorhaben wird deshalb die Zielsetzung verfolgt, o.g. Akteuren<br />
Untersuchungsergebnisse an die Hand zu geben, die sich auf die sozial sinnhaften<br />
Raumaneignungen und Ortsveränderungen handelnder Individuen oder sozialer Gruppen<br />
beziehen. Methodologisch erhebt eine solche lebensweltorientierte Sozialraumanalyse<br />
den Anspruch, die durch Wahrnehmung und Handeln erzeugten Ortsbezüge, symbolischen<br />
Raumbedeutungen sowie Aktionsräume zwischen Wohnungen, Arbeitsplätzen und<br />
Infrastrukturen zu fokussieren und insgesamt den Zusammenhang von physischen Raumstrukturen,<br />
alltäglichen Nutzungsmustern, Wohnkulturen und sozialen Mentalitäten kohärent<br />
zu erschließen.<br />
2
Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass ein Methodenrepertoire zur empirischen<br />
Erfassung von Sozialräumen z.Zt. in gebündelter Form nicht vorliegt. Ziel des Forschungsvorhabens<br />
ist deshalb der Prototyp eines gut begründeten Untersuchungsinstruments,<br />
das in dem methodischen Geflecht der Sozialraumanalyse neue Wege aufzeigt,<br />
subjektorientierte Informationen über Optionen und Grenzen städtischer Siedlungsstrukturen<br />
zu gewinnen. Geplant ist ein Forschungsdesign, das der Sozialgeographie die<br />
Verteilung von Personengruppen im städtischen Raum entnimmt, der Soziometrie den<br />
Gedanken, Beziehungsgeflechte grafisch abzubilden und der Netzwerkanalyse die forschungsleitende<br />
Grundidee, Lebenswelten als Beziehungs- und Austauschsysteme zu<br />
analysieren, die für den Einzelnen zentrale Vergesellschaftungsfunktionen übernehmen.<br />
Persönliche Netzwerke sollen auf diese Weise konkreten sozialen Orten zugeordnet und<br />
soziometrisch visualisiert werden. Diese Topographie ist zugleich ein sozialräumliches<br />
Inventar persönlicher Kontakt- und Bewegungsmuster, das anschließend in zwei Richtungen<br />
aggregiert werden kann: mit Blick auf einzelne Quartiere oder auf ausgewählte<br />
soziale Gruppen. Letzteres eröffnet lohnende Optionen für kulturvergleichende Untersuchungen<br />
oder eher problemorientierte Interventionen.<br />
Insgesamt ist das Forschungsvorhaben mit Kooperationsbeziehungen zur Wohnungswirtschaft,<br />
zur kommunalen Sozialverwaltung und zu einem unabhängigen Planungsinstitut<br />
strategisch gut aufgestellt. Im Spannungsfeld von Wohnungswirtschaft, Sozialpolitik und<br />
Gemeinwesen „bedient“ das Forschungsvorhaben die Bewohner gleichermaßen als Kunden,<br />
als Bürger und als Bedarfswesen.<br />
2.2 Vorhabenbeschreibung<br />
Im Folgenden soll das Forschungsvorhaben näher charakterisiert werden.<br />
2.2.1 Arbeitsziele des Vorhabens (auf Braunschweig bezogene Textpassagen: S. Haselhuhn)<br />
Eine Studie des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft prägte Ende des 20. Jahrhunderts<br />
den Begriff der „überforderten Nachbarschaften“, um die Situation von Stadträumen<br />
mit einer räumlichen Konzentration benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu kennzeichnen.<br />
Der sozioökonomische und sozialräumliche Strukturwandel der Städte hatte<br />
verstärkt zu Prozessen der Desintegration, insbesondere der sozialräumlichen Konzentration<br />
von ökonomisch und sozial marginalisierten Bevölkerungsgruppen geführt. Die damit<br />
einhergehende Deregulierung der Wohnungsversorgung und die kulturelle und ethnische<br />
Heterogenität dieser Stadtteile stellte nicht zuletzt die Wohnungswirtschaft vor große<br />
Herausforderungen.<br />
Das Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale<br />
Stadt“ von 1999, eine innovative Variante der Städtebauförderung, konzipiert zur<br />
integrierten Stadtteilerneuerung mit baulich-städtebaulich, sozialen, ökonomischen, ökologischen<br />
und kulturellen Handlungsfeldern, erreichte Braunschweig 2001. Braunschweig<br />
hatte den südlichen Teil des Westlichen Ringgebiets (siehe die nachstehende<br />
Grafik) mit Verspätung als Programmgebiet angemeldet. Die baulich/städtebaulich wie<br />
auch soziokulturelle Heterogenität dieses Gebiets spiegelt seine wechselhafte, stark von<br />
der Industrie geprägte Geschichte wider.<br />
3
Westliches Ringgebiet,<br />
Braunschweig<br />
Schon 1994 waren in einer vorbereitenden Untersuchung durch das Stadtplanungsamt<br />
Braunschweig die Mängel und Qualitäten des Gebiets beschrieben worden, insbesondere<br />
baulich/städtebauliche, verkehrstechnische und infrastrukturelle Mängel, sowie Nutzungskonflikte<br />
im Bereich Wohnen – Industrie/Gewerbe, insbesondere aber im Bereich<br />
Wohnen/Freiraum – Verkehr, die nun mit Hilfe des Programms „Soziale Stadt“ beseitigt<br />
werden sollten. (Der Braunschweiger Förderantrag zum Programm „Soziale Stadt“ von<br />
2000 stützt sich auf diese Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen von 1994).<br />
„Mit diesem auf Partizipation, Integration und Kooperation angelegten Programm wird<br />
ein neuer integrativer Politikansatz der Stadtteilentwicklung gefördert“, so beschreibt die<br />
Bundestransferstelle Soziale Stadt beim Deutschen Institut für Urbanistik das Programm<br />
„Soziale Stadt“. „Gesellschaftliche Potentiale und Interessen erhalten stärkeres Gewicht,<br />
die Quartiere werden als soziale Räume und Lebenswelten und nicht als Felder isolierter<br />
fachpolitischer Interventionen gesehen, und für ihre Entwicklung werden im Zusammenwirken<br />
von Bewohnerschaft, lokalen und professionellen Akteuren integrative Konzepte<br />
erarbeitet und umgesetzt.“ Sozialraum- und Lebensweltorientierung als Organisationsprinzipien<br />
der „Sozialen Stadt“ erfordern also als Grundlage einerseits die Abgrenzung<br />
und Identifikation von Sozialräumen, andererseits ihre analytische Durchdringung,<br />
um die internen Strukturen, manifestiert durch das Verhalten und die Raumnutzung der<br />
Bewohner/Innen unter Berücksichtigung ihrer Wahrnehmung und subjektiven Konstruktion,<br />
sichtbar zu machen. Hierbei spielen die Potentiale der städtischen Kohäsion und<br />
Vernetzung eine nicht zu vernachlässigende Rolle.<br />
Was das Westliche Ringgebiet als das größte soziale Stadtgebiet Niedersachsens mit einer<br />
Fläche von 250 ha und einer Einwohnerzahl von über 15.000 Personen betrifft, sind<br />
bis heute kleinräumige und lebensweltorientierte Analysen nicht erfolgt. Angeregt durch<br />
die Eigeninteressen einer Wohnungsbaugesellschaft, wurde allerdings ein beispielhaftes<br />
Freiflächenentwicklungskonzept für einen kleinen Teilbereich des Gebietes in Auftrag<br />
gegeben.<br />
Ein vorläufiger Rahmenplan für das Westliche Ringgebiet wurde 2004 vorgelegt. In ihm<br />
ist das Sanierungsgebiet auf der Grundlage geografisch/geschichtlicher Merkmale in fünf<br />
4
Teilbereiche gegliedert, die hauptsächlich in ihren baulich/städtebaulichen Strukturen untersucht<br />
wurden. Obwohl der vorläufige Rahmenplan das Westliche Ringgebiet als ein<br />
„Ort besonderer sozialer Probleme wie Arbeitslosigkeit, hohe Sozialhilferate, hoher Migrantenanteil“<br />
beschreibt, „der gleichzeitig eine Auffangfunktion für Menschen hat, die<br />
andernorts in Braunschweig kein Unterkommen finden“, wurde dies empirisch nicht weiter<br />
differenziert; auch nicht der überproportionale Einwohnerschwund, besonders der<br />
Rückgang der Kinder im Gebiet, der als bedenklich eingestuft wurde.<br />
Parallel zum vorläufigen Rahmenplan ist für das Westliche Ringgebiet vom Quartiersmanagement<br />
in den letzten drei Jahren jeweils ein integriertes Handlungskonzept erstellt<br />
worden, das als Leitbild der Stadtteilentwicklung im Rahmen des Programms „Soziale<br />
Stadt“ die Funktion hat, die vielfältigen Handlungsfelder und Akteure im Quartier miteinander<br />
zu vernetzen. Inwieweit die wenigen, auf das Gesamtgebiet bezogenen Sozialdaten,<br />
die dort Eingang gefunden haben, mit dem entsprechenden Handlungsprogramm<br />
für das Westliche Ringgebiet in Verbindung stehen, ist nicht ablesbar. Das Handlungsprogramm<br />
und einige Bürgerbefragungen beziehen sich auf das Westliche Ringgebiet als<br />
Stadtteil, obwohl dieser schon strukturell nicht als solcher wahrnehmbar ist.<br />
Fassen wir explorativ die für das Westliche Ringgebiet vorliegenden empirischen Untersuchungen<br />
zusammen, so dominieren Untersuchungs- und Planungsansätze, die Hypothesen<br />
zur städtischen Raumentwicklung in makro-soziologischen Aussagen formulieren.<br />
Sozialraumorientierung bezieht sich auf politisch und geographisch abgegrenzte Räume<br />
und thematisiert deren infrastrukturelle Bedeutung für die Bewohner. Gewinn dieses Ansatzes<br />
ist ein überschaubares Planungsareal, das eine klare Eingrenzung von „Problemgebieten<br />
mit Entwicklungsbedarf“ und eine Strukturierung von Planungs- und Steuerungsproblemen<br />
zu ermöglichen scheint.<br />
Allerdings ist auch mit der Definition des „Westlichen Ringgebiets“ im Rahmen des<br />
Entwicklungsprogramms „Soziale Stadt“ noch keine Sozialraumorientierung im sozialwissenschaftlichen<br />
Sinn erreicht. Hierzu sind Kriterien und Analysedimensionen erforderlich,<br />
die zum einen eine kleinräumige Identifikation von Habitaten ermöglichen, zum<br />
anderen der Tatsache Rechnung tragen, dass Sozialräume durch handelnde Personen<br />
konstituiert werden. Lebenswelten und von Planern festgelegte Sozialräume stimmen nur<br />
in Ausnahmefällen wirklich überein. Räume als Bezugspunkte und „Wirkzonen“ (Schütz/<br />
Luckmann) sozialen Handelns werden in konstruktivistischen Leistungen definiert. Dabei<br />
sind die in Handlungen eingewobenen sozialen Differenzierungen (Intimität und Öffentlichkeit,<br />
Arbeit und Freizeit, Heimat und Fremde, Integration und Segregation usw.) als<br />
habituelle Praxen (Bourdieu) an Systeme der räumlichen Gliederung von Lebenswelt gebunden.<br />
Im Rahmen einer lebensweltorientierten Sozialraumanalyse sollen also nicht sozialstrukturell<br />
homogene, verwaltungsrechtlich eingegrenzte oder städtebaulich zusammengehörige<br />
Gebiete analysiert werden, sondern Wirkzonen und Wege, die räumlich flexibel zu<br />
fassen sind, weil sie sich auf die sozial sinnhaften Raumaneignungen und Ortsveränderungen<br />
handelnder Individuen oder sozialer Gruppen beziehen. Methodologisch erfordert<br />
eine solche lebensweltorientierte Sozialraumanalyse die empirische Bestimmung von<br />
Zonen, Wegen, Orten und Grenzen, wie sie in Strukturen und Prozessen der Wahrnehmung,<br />
Nutzung und symbolischen Bedeutungszuweisung generiert werden.<br />
Untersuchungsansätze greifen allerdings zu kurz, wenn sie sich hierbei ausschließlich<br />
subjekttheoretisch auf die Deutungen und Interpretationen von Individuen konzentrieren.<br />
5
Wir brauchen eine Vorstellung davon, welche Freiheiten be- und umbaute Räume lassen,<br />
wie sich Machtstrukturen in den Sozialraum einschreiben, wie Inklusions- und Exklusionsprozesse<br />
ablaufen und wie die Dynamik des sozialen Wandels neue Raum- und Bewegungsmuster<br />
generiert. Im Kontext der Re-Urbanisierungsdebatte haben stadtsoziologische<br />
Studien deutlich gemacht, wie auf einzelne Stadträume wirtschaftliche und soziale<br />
Kräfte der Deregulierung und Flexibilisierung wirken, so dass die inneren Gliederungsmerkmale<br />
der Quartiere mit unterschiedlichen Mustern raum-zeitlicher Aktivitäten korrespondieren.<br />
Diese Muster können, wie in den Metropolen zu beobachten ist, ganze Quartiere<br />
verändern. Auf der individuellen Wissensebene lagern sich die Strukturmerkmale<br />
von Quartieren als kognitive Repräsentationen mit neuen Wirkzonen und Wegen ab, die<br />
es unter Umständen erforderlich machen, dass die raum-zeitlichen „Fahrpläne der<br />
persönlichen Lebensführung“ (AG Bielefelder Soziologen) umgeschrieben werden.<br />
Andererseits stellt sich die Frage, ob oder inwieweit im Zuge der modernisierungsbedingten<br />
Umbrüche und Pluralisierungstendenzen die Bedeutung der unmittelbaren räumlichen<br />
Umgebung für die Lebenswelt der meisten Adressantinnen nicht eher im Abnehmen begriffen<br />
ist. Impliziert die zunehmende Diversität der Milieus, so ist zu fragen, nicht Prozesse<br />
der Verinselung (anlassbezogene Räume) und eine zunehmende Diskontinuität sozialer<br />
Beziehungen, die uns zwingen, vernetzte soziale Räume ohne territoriale Grenzen<br />
zu denken oder diese zumindest nach Lebensstilgruppen zu differenzieren?<br />
Unter Zugrundelegung der skizzierte Forschungsdesiderate und Planungsaufgaben verfolgt<br />
das Forschungsvorhaben „Lebensweltorientierte Sozialraumanalysen in Braunschweigs<br />
Westlichem Ringgebiet“ die folgenden fünf Zielsetzungen:<br />
1. Der städtischen Sozialplanung und dem Quartiersmanagement werden die Ergebnisse<br />
einer Untersuchung an die Hand zu geben, die Prozesse der Stadt(raum)erneuerung,<br />
der Sozialplanung und des Quartiersmanagements neu orientieren oder zumindest die<br />
vorhandenen Planungs- und Partizipationsansätze ergänzen können.<br />
2. Die strategische Anlage des Forschungsvorhabens ermöglicht es darüber hinaus, die<br />
bereits etablierten Netzwerkstrukturen im Westlichen Ringgebiet zu erweitern und<br />
konsequent auf die Quartiersbevölkerung statt ihre „stellvertretenden Deuter“ auszurichten.<br />
3. Mit den erwarteten Ergebnissen verbindet sich die Hoffnung, dass öffentliche Mittel<br />
auf der Grundlage quartiers- und lebensweltbezogener Untersuchungen gezielter bestimmten<br />
Arealen und Projekten im Fördergebiet zugute kommen.<br />
4. Als Ergebnis des Forschungsvorhabens ist der Prototyp eines gut begründeten und<br />
konzeptionell abgesicherten Untersuchungsinstruments zu erwarten, der in dem verzweigten<br />
methodischen Wegesystem der Sozialraumanalyse (Riege/Schubert, 51)<br />
neue und begehbare Wege aufzeigt, subjektorientierte Informationen (sozialräumliches<br />
Inventar persönlicher Kontakt und Bewegungsmuster) über Optionen und Grenzen<br />
städtischer Siedlungsstrukturen zu gewinnen.<br />
5. Das Forschungsvorhaben ist schließlich geeignet, den künftigen Projektschwerpunkt<br />
„Offene Lernformen in gemeindenahen Sozialräumen“ im neu akkreditierten BA-<br />
Studiengang „Soziale Arbeit“ durch einen Forschungs- und Qualifizierungsverbund<br />
zu profilieren.<br />
6
2.2.2 Stand des Wissens<br />
Rekapitulieren wir im Folgenden den Forschungsstand, auf den sich unsere Arbeiten stützen<br />
können, so sind vor allem Untersuchungen heranzuziehen, die subjekt-theoretische<br />
und raum-zeitliche Perspektiven miteinander verschränken. Die nachstehende<br />
Bibliographie dokumentiert hierzu eine große, aber eben auch disparate und interdisziplinär<br />
kaum integrierte Breite an Erklärungsansätzen. Der Anspruch, hier wissenschaftssystematisch<br />
Ordnung zu schaffen, wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht einlösbar;<br />
deshalb sind allenfalls Akzentsetzungen möglich. Diese sollen sich auf wenige<br />
Konzepte mit analytisch großer Reichweite und sozialpolitischer Relevanz konzentrieren.<br />
Ähnlich ernüchternd fiel bereits vor 30 Jahren Walters (1975) Resümee aus, als er mit<br />
seinem 3-bändigen Standardwerk zur Sozialisationsforschung den Versuch unternahm,<br />
die Beiträge zu einer sozialwissenschaftlichen Sozialökologie auszuloten. Es ist vor allem<br />
dem informationstechnologischen Fortschritt und in der Folge einem sozialtechnologischen<br />
Planungsverständnis zuzuschreiben, dass sich methodologisch und theoretisch<br />
vor allem Forschungsansätze behaupten konnten und können, die sich räumlichgeographisch<br />
auf die Verteilung von Ressourcen konzentrieren.<br />
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in Bestrebungen, die „Lebenslage“ als soziologisches<br />
Konzept zur Sozialstrukturanalyse und als Leitkonzept sozialpolitischen Handelns<br />
(Backes 1997) in Anschlag zu bringen. Die in diesem Konzept angelegte dialektische<br />
Beziehung von „Verhältnissen“ und „Verhalten“ hat am prägnantesten bei Ingeborg<br />
Nahnsen (1975) eine Interpretation erfahren, die räumliche Dimensionen mit Handlungsorientierungen<br />
verschränkt. Nahnsen unterscheidet die fünf Bereiche des Versorgungs-<br />
und Einkommensspielraums, des Kontakt- und Kooperationsspielraums, des Lern- und<br />
Erfahrungsspielraums, des Muße- und Regenerationsspielraums sowie des Dispositions-<br />
und Partizipationsspielraums. Obwohl der hier entfaltete Raumbegriff primär metaphysischen<br />
Charakter hat, bietet er sich als systematische Grundlage für ein Untersuchungskonzept<br />
an, das sozialstrukturelle Analysen zur Verteilung materieller und immaterieller<br />
Güter mit Analysen verschränkt, welche die von Nahnsen definierten Handlungsoptionen<br />
physikalisch je bestimmten Bewegungen, Orten und Stadträumen zuordnen.<br />
Dies gilt analog auch für Bourdieus „Raum der Lebensstile“. Bei dem hier beschriebenen<br />
sozialen Raum handelt es sich zwar um eine „abstrakte Darstellung, ein Konstrukt, das<br />
analog einer Landkarte einen Überblick bietet“ (Bourdieu S. 277); analytisch liegt es jedoch<br />
nahe, die in der Zurschaustellung von Kulturgütern oder habituellen Inszenierung<br />
von Statuslagen wirksamen Distinktionsstrategien je abgrenzbaren Stadtinseln und Territorien<br />
zuzuordnen (vgl. exemplarisch Schubert 1999), die zugleich als ortsgebundene<br />
Symbol- und Repräsentationssystemen fungieren. Zudem kann Bourdieus „Habitus“-<br />
Begriff als sozialstrukturell gebrochene Auslegung kultureller Wohnmodelle entwickelt<br />
werden, die mit Lebensentwürfen und Lebensstilen die Auslegung und Modifikation bewohnbarer<br />
Räume und Lebensumwelten ins Spiel bringt.<br />
Besondere Erwähnung verdienen auch die Beiträge zum Konzept und zur Empirie der<br />
Lebensführung (exemplarisch Kudera/Voß 2000). Im dialektischen Spannungsfeld von<br />
gesellschaftlicher Entwicklung und selbstverantwortlicher Lebensführung operationalisieren<br />
die vorliegenden Studien den Begriff der „Moderne“, ohne explizit auf sozialräumliche<br />
Aspekte der Lebensführung einzugehend. Die von Zeiher (2002) vorgelegte Untersuchung<br />
zeigt aber, wie die alltägliche Lebensführung raum-zeitlichen Zwängen<br />
unterworfen wird und wie die Zeitökonomie zentrale Steuerungsfunktionen für die<br />
Bewegung zwischen den Stadträumen übernimmt. Sie folgt damit früheren Arbeiten, die<br />
7
zwischen den Stadträumen übernimmt. Sie folgt damit früheren Arbeiten, die wir mit der<br />
Theorie der „verinselten Kindheit“ (Zeiher/Zeiher 1994) und dem Leitkonzept „Kinderwelten“<br />
verbinden können und die methodologisch den Anspruch erheben, mit der Benennung<br />
von Orten, an denen sich Kinder aufhalten, auch selbst-gestaltende Anteile zu<br />
identifizieren. (Berg 1991, Zeiher/Zeiher 1994)<br />
Zeit- und raumpolitische Erwartungen wecken auch die bislang vorliegenden Ergebnisse<br />
des im Rahmen des sozialökologischen Förderschwerpunktes vom BMBF geförderten<br />
Projekts „VERA - Verzeitlichung des Raumes“. Analysiert werden, analog zum Konzept<br />
der Lebensführung, die dramatischen Veränderungen räumlicher und zeitlicher Alltagsmuster<br />
städtischer Bevölkerungen in den Arbeitsbeziehungen der Wissensgesellschaft.<br />
Im Rahmen des Vorhabens werden unterschiedliche Arbeits- und Lebensformen und deren<br />
alltägliche Zeitstrukturen herausgearbeitet, ihre Beziehungen zu unterschiedlichen<br />
städtischen und regionalen Räumen analysiert, zeitgeographisch und elektronisch kartographiert<br />
(Verkehrsstromanalysen, Passantenzählungen) und dabei Wechselwirkungen<br />
zwischen den Raum-Zeit-Pfaden von Akteuren und den Attraktoren auf der Strukturseite<br />
aufgewiesen. Besondere Beachtung verdienen die mit einem hohen methodischen Aufwand<br />
betriebenen „Realexperimente“, die Betroffene sowie stadtregional Verantwortliche<br />
aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie zivilgesellschaftliche Akteure einbeziehen<br />
(vgl. ausführlich: http://www.vera-research.de/4555/48341.html).<br />
Ungeachtet der hier nur angerissenen Breite des Forschungsstandes ist weder das Thema<br />
des gelebten Raumes noch die Logik lebensweltorientierter Sozialraumanalysen leicht zu<br />
fassen. „Obwohl es jeden von uns offenbar umfassend berührt, entzieht es sich dem Versuch<br />
einer äußeren Analyse [...] Zahlreiche Fachleute haben das Wohnungsproblem geradezu<br />
klinischen Beobachtungsmethoden unterzogen, und doch provoziert es immer neue<br />
Diagnosen, die nur zu häufig in der Partikularität einzelner Fallstudien verhaftet bleiben.“<br />
(Barbey 1984: 10)<br />
Diese Partikularität korrespondiert mit einer Pluralisierung des stadträumlichen Verständnisses,<br />
das als Artefakt einer zunehmenden <strong>Prof</strong>essionalisierung der Berufsgruppen,<br />
die an stadträumlichen Definitions- oder Interventionsprozessen beteiligt sind, zu bewerten<br />
ist. In verschiedenen analytischen, konzeptionellen und planerischen Auseinandersetzungen<br />
mit dem Raum finden eigenständige und sich gegenseitig abgrenzende Schwerpunktsetzungen<br />
statt. Das Problem der mit Raum befassten Disziplinen ist, dass sie jeweils<br />
nebeneinander nur Teilausschnitte erfassen.<br />
Als unbefriedigend ist schließlich auch die methodische Seite der Sozialraumanalyse zu<br />
bewerten. Riege/Schubert (2005) stellen in ihrem neu erschienenen Lehrbuch gleich zu<br />
Beginn ihrer Einleitung heraus: Zurzeit liegt ein Methodenrepertoire zur empirischen Erfassung<br />
von Sozialräumen nicht in gebündelter Form vor, geschweige denn in erprobten<br />
Resultaten. Bemerkenswerterweise enthalten auch neuere Veröffentlichungen zur qualitativen<br />
Sozialforschung wenig bis keine Beiträge über die empirische Analyse von Sozialräumen,<br />
so dass Untersuchungen eher auf – disziplinär zudem versäulte – Prototypen als<br />
auf abgesicherte Instrumente angewiesen sind.<br />
Ungeachtet der hier skizzierten konzeptionellen und methodologischen Insuffizienzen<br />
soll die nachfolgende schematische Darstellung eine visuelle Orientierungshilfe geben. In<br />
konzentrischen Kreisen werden Raumstrukturen abgebildet, die von Orten verhäuslichter<br />
Intimität, über die Wohnung, das Haus, das Quartier, den Stadtteil, die Stadt und die Nation<br />
ein räumliches Kontinuum konstruiert. Diesem Kontinuum werden Kategorien wie<br />
8
„Wohnkultur“, „Netzwerk“, „Clique“, „Infrastruktur“ oder „öffentlicher Raum“ zugeordnet,<br />
die auf unterschiedliche analytische Zugänge verweisen.<br />
Politik/Herrschaft<br />
Regulierung<br />
Wirtschaft<br />
Verteilung<br />
Heuristik zur analytischen Erschließung von Sozialräumen<br />
Stadtplanung<br />
Nation : Staat<br />
Region : Stadt : Land<br />
Stadtteil : Gemeinde<br />
Architektur<br />
Quartier<br />
Intimität<br />
Bewegung : Kommunikation<br />
Wohnung<br />
Infrastruktur<br />
Haus<br />
öffentl.<br />
Raum<br />
Platz<br />
Sozialstruktur<br />
Habitus<br />
Wohnkultur<br />
Clique<br />
Nachbarschaft<br />
Heimat<br />
Netzwerk : Geselligkeit<br />
(Sozial)Raum<br />
Handlungsstrukturen<br />
Nutzung/Aneignung<br />
Döbler (2006)<br />
Ausgehend von einer solchen Phänomenologie des Sozialraumes ist es im nächsten<br />
Schritt erforderlich, Wirkungszusammenhänge zu untersuchen. Diese werden in der<br />
obenstehenden Grafik drei Akteursgruppen bzw. Funktionssystemen zugeordnet: dem<br />
System der (Wohnungs)-Politik und dessen Anspruch, die Stadt als architektonisch gestalteten<br />
und sozial belebten Raum zu planen und zu regulieren; dem System der (Wohnungs)-<br />
Wirtschaft und dessen produktiven bzw. allokativen Funktion; den sich in Handlungen<br />
und Interaktionen objektivierenden Sinnsystemen bzw. „Lebenswelten“ der<br />
Stadtbewohner.<br />
Gestützt auf unterschiedliche interdisziplinäre Bezüge, erhebt diese letzte – für uns zentrale<br />
– analytische Perspektive den Anspruch, die durch Wahrnehmung und Handeln erzeugten<br />
Ortsbezüge (Treinen 1965; Norberg-Schulz 1982; Bausinger/ Köstlin 1980),<br />
symbolischen Raumbedeutungen sowie Aktionsräume zwischen Wohnungen, Arbeitsplätzen<br />
und Infrastrukturen zu fokussieren und insgesamt den Zusammenhang von physischen<br />
Raumstrukturen, alltäglichen Nutzungsmustern, Wohnkulturen und sozialen Mentalitäten<br />
kohärent zu erschließen.<br />
2.2.3 Bisherige Arbeiten des Antragstellers<br />
Der Antragsteller lehrt an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel am Fachbereich<br />
Sozialwesen. Sein Lehrgebiet wird nach der Akkreditierung und Umstellung des<br />
Studiengangs auf den Bachelor-Abschluss Veranstaltungen zur allgemeinen Soziologie,<br />
zur Sozialstruktur- und Lebenslagenanalyse sowie zur Theorie des sozialen Sektors um-<br />
9
fassen. Als projektorientiertes Schwerpunktangebot sollen „offene Lernformen in gemeindenahen<br />
Sozialräumen zur Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements und Förderung<br />
lernender Regionen“ angeboten werden.<br />
Ergänzend zu den projektorientierten Arbeiten im Sozialraum „Westliches Ringgebiet“,<br />
wie unter Punkt 2.2.5 dargestellt, verdienen Forschungserfahrungen, die sich auf die historisch<br />
besonderen Erfahrungen von Stadt als Wohn- und Lebensraum beziehen, besondere<br />
Erwähnung: Im Zeitraum von 1990 bis 1992 war der Antragsteller verantwortlich<br />
für die Organisation und Durchführung des mit Mitteln der „Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft“ (DFG) finanzierten Forschungsvorhabens „Wohnen und<br />
Wohnraumlenkung im Nachkriegs-Hamburg“. Ziele des am Institut für Politische<br />
Wissenschaft der Universität Hamburg angesiedelten Projekts waren zum einen die<br />
Analyse der spezifischen Eingriffsrechte, mit denen die Organe der „Wohnraumlenkung“<br />
ausgestattet waren, zum anderen die Beschäftigung mit den alltäglichen Erfahrungen der<br />
von Wohnnot und Regulierung betroffenen Personengruppen. Die Ergebnisse des<br />
Forschungsprojekts wurden an folgenden Stellen publiziert:<br />
- Bunkerexistenz und Zwangseinquartierung. Wohnungspolitik im Nachkriegs-Hamburg,<br />
in: standpunkt: sozial. hamburger forum für soziale arbeit 3 (1993), S.73-76<br />
- Vom Leben in Fassadenschluchten. Operation Gomorrha: Vor 50 Jahren wurde Hamburg<br />
zerstört, in: Forschung. Mitteilungen der DFG 3 (1993), S.4-8<br />
- Life beneath the Facades of Bombed-out Streets. Housing Policy in post-war Hamburg,<br />
in: german research. Reports of the DFG 1 (1994), S.4-7<br />
- Zwischen Zuzugsverbot und Wohnraumberechtigung, in: Damals - Das aktuelle Geschichtsmagazin<br />
6 (1994), S.39/40<br />
- Wohnungsnot im Nachkriegs-Hamburg. Struktur- und Formelemente der Wohnraumlenkung,<br />
in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte [Deutsches Institut für Urbanistik]<br />
2 (1994), S.8-13<br />
- Life beneath the Facades of Bombed-out Streets. Housing Situation in post-war Hamburg,<br />
in: Indian Architect & Builder, Vol.9, No.3 (1995), S.102-107<br />
Weitere Publikationen über die WebSite des Antragstellers.<br />
2.2.4 Ausführliche Beschreibung des Arbeitsplanes<br />
Im Folgenden soll der dem Forschungsvorhaben zugrunde liegende Arbeitsplan ausführlich<br />
erläutert werden. Gegenstand der Darstellung ist zunächst der forschungslogische<br />
Aufbau der Untersuchung. Dies erfolgt in Anlehnung an die für sozialwissenschaftliche<br />
Forschungsvorhaben übliche Methodologie und unter Berücksichtigung der besonderen<br />
wissenschaftstheoretischen Bedingungen empirischer Sozialforschung. Daran anschließend<br />
gibt ein Zeitplan einen groben Überblick, soweit dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
der Forschungsplanung möglich ist. Die Zeitleiste integriert die vier Bereiche Projektadministration,<br />
Forschungslogischer Ablauf, Fachöffentlichkeit/Netzwerk und Lehre. Außerdem<br />
sind Zeitfenster für Forschungsreisen spezifiziert.<br />
Forschungslogischer Ablauf der Untersuchung<br />
Der forschungslogische Aufbau der Untersuchung kann in drei Schritten dargestellt werden:<br />
10
Schritt I: Konkretisierung von Sozialräumen/Auswahl von Personengruppen<br />
1. Identifikation signifikanter Akteure<br />
2. Einladung signifikanter und fachlich involvierter Akteure: Vorstellung und Diskussion<br />
des Forschungsvorhabens<br />
3. Strukturierte Stadtteilbegehung (Exploration)<br />
a. Identifikation kleinräumiger Quartiere und Habitate (Zonierung)<br />
b. „Beschreibung“ sozialräumlicher Merkmale und territorialer Grenzen<br />
c. Vorauswahl untersuchungs- bzw. planungsrelevanter Quartiere<br />
d. Festlegung von Merkmalen für eine „bewusste Auswahl“ 1 von Personengruppen<br />
4. Sozialstrukturelle Validierung der identifizierten Quartiere<br />
a. Auswahl und Eingrenzung der Untersuchungs- und Erhebungseinheit<br />
b. Sekundäranalytische Abgleichung mit vorhandenen Untersuchungen (s. Literatur)<br />
c. Dimensionsanalyse (Strukturierung des Problems, Entwicklung von Variablen)<br />
Schritt II: Durchführung der Untersuchung<br />
1. Strategische Fortschreibung der Forschungsplanungen<br />
2. Entwicklung und Spezifikation eines „Analyse-Instruments zur lebensweltorientierten<br />
Sozialraumanalyse“ (wie nachfolgend erläutert)<br />
3. Vorbereitung der Interviews/Befragungen<br />
a. Entwicklung des Erhebungsinstruments<br />
b. Klärung und Vorbereitung der Erhebung mit den Kooperationspartnern (BBG,<br />
Plankontor, städtische Sozialplanung)<br />
4. Befragung der ausgewählten Personengruppen<br />
5. Eingabe und Auswertung der Ergebnisse<br />
Schritt III: Präsentation und Interpretation der Untersuchungsergebnisse<br />
1. Präsentation der Untersuchungsergebnisse (Forschungsdesiderate)<br />
2. Relevanzorientierte Bewertung der Untersuchungsergebnisse (Gruppendiskussion)<br />
a. Diskussion der Ergebnisse im Horizont lebensweltlicher und planungspolitischer<br />
Relevanzen<br />
b. Konkretisierung von Potentialen und Entwicklungsbedarfen<br />
c. Sozialräumliche Empfehlungen zur Quartiersentwicklung<br />
3. Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse<br />
In der nachfolgenden Darstellung sind die Arbeitsschritte I und II in einem workflow<br />
dargestellt, das den forschungslogischen Aufbau der empirischen Untersuchung wiedergibt.<br />
Besonders zu erläutern ist die unter II.2 aufgeführte Entwicklung und Spezifikation<br />
eines „Instruments zur lebensweltorientierten Sozialraumanalyse“.<br />
1 Vgl. Friedrichs, J.: Methoden empirischer Sozialforschung, 14. Aufl., Opladen 1980, S.130f<br />
11
Lebenslagenanalyse<br />
nach Nahnsen<br />
Forschungslogischer Aufbau der empirischen Untersuchung<br />
Methodenentwicklung:<br />
Analyse-Instrument<br />
Subjektorientierte<br />
Netzwerkanalyse<br />
Netzwerkanalyse<br />
nach Boissevain<br />
Stadtteilbegehung<br />
Definition der<br />
Untersuchungseinheit<br />
Auswahl<br />
planungsrelevanter<br />
Gruppen<br />
Identifikation<br />
planungsrelevanter<br />
Quartiere<br />
Sekundäranalytische<br />
Validierung<br />
Erhebung<br />
Auswertung<br />
Aggregierung<br />
nach Gruppen<br />
Individuelle<br />
Sozialräume<br />
Aggregierung<br />
nach Quartieren<br />
Döbler (2006)<br />
Geplant ist ein Forschungsdesign, das Methoden der Sozialgeographie, der Soziometrie<br />
und der Netzwerkanalyse integriert: hierbei ist der Sozialgeographie die sozialstrukturelle<br />
Verteilung von Personengruppen im städtischen Raum entnommen, der Soziometrie<br />
der Gedanke, (emotionale) Beziehungsgeflechte grafisch (Soziogramm) abzubilden und<br />
der (subjektorientierten) Netzwerkanalyse die forschungsleitende Grundidee, Lebenswelten<br />
als Beziehungs- und Austauschsysteme zu analysieren, die für den Einzelnen zentrale<br />
Vergesellschaftungsfunktionen übernehmen. Dieser Ansatz ermöglicht die Identifikation<br />
von Netzwerksegmenten, die Beschreibung von Strukturmerkmalen wie Größe, Dichte<br />
oder Verteilung im Raum sowie die Analyse von Wirkungszusammenhängen. Besondere<br />
Beachtung verdienen ferner – ohne hier im Detail die analytischen Potentiale von Netzwerkuntersuchungen<br />
auszuloten – Fragen zur Wahlfreiheit, Reziprozität oder Institutionalisierung<br />
von Beziehungen. Aus der je speziellen Kombination o.g. Merkmale können<br />
wir auf die Potentiale, aber auch Leistungsgrenzen und Nutzungsspielräume schließen.<br />
Aus der Sicht von Akteuren bestimmen persönliche Relevanzsetzungen, emotional aufgeladene<br />
Interpretationsschemata sowie milieu- und kulturspezifische Orientierungen, in<br />
welchen Grenzen und wie Netzwerke konstituiert und „genutzt“ werden können. In akteursbezogener<br />
Perspektive sind Netzwerke sinnhaft strukturiert durch individuelle<br />
Handlungsorientierungen; strukturtheoretisch jedoch sind diesen Handlungsfreiheiten<br />
Grenzen gesetzt, die sich aus der jeweiligen Ressourcenausstattung (Lebenslage) oder<br />
aus Umweltfaktoren (Infrastruktur) ableiten lassen.<br />
Zielsetzung des Forschungsvorhabens ist es, individuelle Netzwerke in diesem struktur-<br />
und subjekttheoretischen Spannungsfeld zu untersuchen und zu räumlichen Gegebenheiten<br />
der Stadt, des Quartiers oder der Wohnung in Beziehung zu setzen. Konzeptionelle<br />
Ansätze zur Entwicklung eines geeigneten Analyse-Instruments finden wir, wie unter<br />
2.2.2 erläutert, in dem von Ingeborg Nahnsen (1975) entwickelten Lebenslagenbegriff,<br />
der es nahelegt, individuelle Handlungsoptionen stadträumlich auszuloten. Quer dazu<br />
12
ietet das von Boissevain schon 1973 entwickelte Zonenmodell analytisch lohnende Optionen,<br />
auch die Aufschichtung persönlicher Netzwerke physikalisch je bestimmten Bewegungen,<br />
Orten und Stadträumen zuzuordnen:<br />
- Erstens, die „persönliche Zone“ umfaßt Personen, mit denen man in der Regel zusammenlebt<br />
und an die man emotional gebunden ist; diese Zone deckt sich in der Regel<br />
mit der eigenen Wohnung.<br />
- Zweitens, die „intime Zone“ betrifft Personen, zu denen man häufig Kontakt hat;<br />
hierzu zählen Eltern, Verwandte oder auch enge Freunde; diese Zone erstreckt sich<br />
von der Freundschaftspflege in den „eigenen vier Wänden“ über die Cliquenbildung<br />
an symbolischen Orten innerhalb oder außerhalb des Quartiers bis zum sozialräumlichen<br />
Muster der „Intimität auf Distanz“ (Rosenmayr), wie es für moderne Familien-<br />
und Partnerbeziehungen charakteristisch ist.<br />
- <strong>Dr</strong>ittens, die „effektive Zone“, in der die Kontaktpflege mit wichtigen, aber weniger<br />
signifikanten Personen erfolgt; und viertens, die „nominale Zone“, die Personen mit<br />
geringer Bedeutung und niedriger Kontaktfrequenz vorbehalten ist. Für beide Zonen<br />
wird es interessant sein zu untersuchen, welche Personen ihr zugerechnet werden und<br />
wie sich diese räumlich über die Stadt/das Quartier verteilen. Diesen Zonen sind u.U.<br />
auch Personen zuzuordnen, denen funktional, also im Hinblick auf Aufgaben der Reproduktion<br />
und der Sozialisation eine Bedeutung zukommt.<br />
- Netzwerktheoretisch relevant, aber sozialräumlich zu vernachlässigen ist die fünfte<br />
„erweiterte Zone“, in der jene Personen verortet sind, die man über <strong>Dr</strong>itte kennt.<br />
Schema zur Entwicklung des<br />
Erhebungsinstruments zur lebensweltorientierten Sozialraumanalyse<br />
Versorgungs- und<br />
Einkommensspiel-<br />
raum<br />
Kontakt- und<br />
Kooperationsspielraum<br />
Lern- und Erfah-<br />
rungsspielraum<br />
Muße- und Regenerations-<br />
spielraum<br />
Dispositions- und<br />
Partizipationsspielraum<br />
persönliche<br />
Zone<br />
intime<br />
Zone<br />
effektive<br />
Zone<br />
nominale<br />
Zone<br />
X X<br />
X X X X<br />
? ? ? ?<br />
X X X X<br />
X X<br />
erweiterte<br />
Zone<br />
Kombiniert man nun die Konzepte von Nahnsen und Boissevain, so entsteht eine Matrix,<br />
die lebenslagenspezifische Handlungsspielräume zur persönlichen Aufschichtung der Sozialwelt<br />
in Beziehung setzt. Ziel ist es, die einzelnen Felder dieser Matrix in einem Erhebungsinstrument<br />
abzubilden (Operationalisierung), das strukturelle und individuelle Optionen<br />
informeller Netzwerke erfasst.<br />
In einem zweiten Schritt soll es ermöglicht werden, die so gewonnenen Konstruktionen<br />
persönlicher Netzwerke konkreten sozialen Orten zuzuordnen und soziometrisch zu visualisieren.<br />
Auf diese Weise entstehen räumliche Muster der Vergesellschaftung und<br />
Identitätsbildung. Simmels räumliche Aufschichtung des Alltags wird auf diese Weise<br />
13
operationalisiert als persönliche Topographie. Diese Topographie ist zugleich ein sozialräumliches<br />
Inventar persönlicher Kontakt- und Bewegungsmuster, das anschließend, wie<br />
auch der nachstehenden Darstellung des forschungslogischen Ablaufs zu entnehmen ist,<br />
in zwei Richtungen aggregiert werden kann: mit Blick auf einzelne Quartiere oder auf<br />
ausgewählte soziale Gruppen. Letzteres eröffnet lohnende Optionen für kulturvergleichende<br />
Untersuchungen oder eher problemorientierte Interventionen.<br />
Forschungskritisch ist anzumerken, dass insbesondere die Kartographierung der Kontakt-<br />
und Bewegungsmuster als technisch voraussetzungsvoll einzuschätzen ist. Dies bestätigt<br />
auch ein vergleichender Blick auf das unter 2.2.2 beschriebene BMBF–Projekt „VERA -<br />
Verzeitlichung des Raumes“. Im Rahmen des gesetzten Finanzrahmens wird es deshalb<br />
kaum möglich sein, große Datenmengen zu verarbeiten. Dies würde die IT-gestützte Entwicklung<br />
eines eigenen Instruments zur Erfassung und Auswertung sozio-topischer<br />
Daten (Kartierung) erforderlich machen. Dem von Riege/Schubert (2005) konstatierten<br />
Forschungsstand entsprechend, wird hier also der Versuch unternommen, das vorhandene<br />
Methodenrepertoire durch einen Prototypen zu ergänzen, der geeignet ist, insbesondere<br />
die Lücken in der lebensweltorientierten Erkundung von Aktionsräumen bzw. „gelebten“<br />
Räumen mit einem neuen Untersuchungsansatz aufzufüllen.<br />
Zeitplan<br />
Nachfolgend sollen die Methoden und Arbeitsschritte zur Erreichung des Forschungszieles<br />
erläutert und in einem Zeitplan dargestellt werden. Wie der nachstehenden Übersichtstabelle<br />
zu entnehmen ist, ist das Forschungsvorhaben so konzipiert, dass Elemente<br />
von Forschung, Entwicklung und Lehre zu einem Forschungs- und Qualifizierungsverbund<br />
integriert werden, der Studierende in die Vermittlung von Grundlagen, in Feldstudien<br />
und die fachliche Netzwerkpflege (Studienreise, Teilnahme an Konferenzen/Präsentationen)<br />
einbinden will. Die Lehrinhalte sind nach theoretischen und methodischen<br />
Anteilen spezifiziert.<br />
Hier nicht abgebildet sind Rückkoppelungen mit den Kooperationspartnern und externen<br />
Fachvertretern. Die Koordinierungssitzungen mit „plankontor“ und der städtischen Sozialplanung<br />
sollen, wie auch den Erläuterungen im Finanzierungsplan zu entnehmen ist, im<br />
14-tägigen Rhythmus erfolgen. Dieser hohe zeitliche Aufwand ist vor allem mit erheblichen<br />
methodologischen Anforderungen zu begründen: diese betreffen erstens die Eingrenzung<br />
der Erhebungseinheit, zweitens die Operationalisierung des hier entwickelten<br />
Netzwerkkonzepts, drittens die technische Umsetzung der Datenerhebung und viertens<br />
die Diskussion/ Interpretation der Ergebnisse im Kontext der städtischen Sozialplanung.<br />
Deshalb sind im Hinblick auf die strategische Planung und methodisch-operative Umsetzung<br />
des Forschungsvorhabens mehrere Fachtreffen mit Vertretern der folgenden wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen geplant (alternativ Teilnahme an Fachkonferenzen, noch nicht<br />
spezifiziert). Diese sind im Forschungsvorhaben zeitlich so plaziert, dass ein fachlicher<br />
Input im Anschluss an die Explorativphase eine Präzisierung des Methodenrepertoires<br />
gewährleistet und eine Diskussion der Zwischenergebnisse möglich ist:<br />
Zur theoretischen und methodologischen Konzeptualisierung der Studie:<br />
- Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover/Wien [ARL],<br />
Arbeitskreis „Lebensstile, soziale Lagen, Siedlungsstruktur“<br />
Zur „Sozialen und integrativen Stadtentwicklung“:<br />
14
- Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Land NRW [ILS NRW],<br />
Dortmund<br />
- Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik [IfS], Berlin<br />
Zur Umsetzung von Projekten im stadträumlichen Verbund (Quartiersmanagement):<br />
- Stiftung Sozialpädagogisches Institut „Walter May“ [SPI], Berlin, Geschäftsbereich<br />
Stadtentwicklung<br />
Relativ kurz kann die Eingangsphase „Netzwerkarbeit“ angesetzt werden, da, wie auch<br />
den Arbeitsvoraussetzungen zu entnehmen ist, mit den Partnern seit längerer Zeit eine erfolgreiche<br />
Arbeitsbeziehung gepflegt wird und der Antragsteller darüber hinaus über Studienprojekte<br />
mit den Entwicklungen und Organisationsstrukturen in Westlichen Ringgebiet<br />
vertraut ist. Das Vorhaben kann insbes. im explorativen Teil und im Bereich der Präsentation<br />
folgende Organisationen einbeziehen:<br />
Soziale Stadt<br />
Quartiersmanagement – Stadtteilbüro – Sanierungsbeirat – Sanierungsträger GOS<br />
Städtische Verwaltung<br />
Sozialplanung – Gesundheitsplanung – Stadterneuerung – Stadtplanung – Grünplanung<br />
– Jugendförderung – Fachbereich Kinder, Jugend und Familie vor Ort –<br />
ASD<br />
Print Projekt, Niedersachsen:<br />
„Gestalte deine Stadt“ (Bildungsvereinigung Arbeit und Leben) – Schulsozialarbeit<br />
in der Sophienschule<br />
Initiativen<br />
braunschweiger forum – Verein für bürgernahe Stadtplanung – Stadtteilkonferenz<br />
Süd<br />
Wohnungswirtschaft<br />
Braunschweiger Baugenossenschaft – NIWU (Niebelungen Wohnungsbau)<br />
Vereine<br />
Mütterzentrum/Mehrgenerationenhaus – Werkhaus AntiRost<br />
Soziale Einrichtungen<br />
AWO-Bezirksverband – Stadtteilladen West – Kinderschutzbund – Spielstube<br />
Hebbelstraße – Jugendzentrum <strong>Dr</strong>achenflug<br />
15
1 BO<br />
2<br />
Lebensweltorientierte Sozialraumanalyse in Braunschweigs Westlichem Ringgebiet<br />
Zeitplan<br />
11/06 12/06 01/07 02/07 03/07 04/07 05/07 06/07 07/07 08/07 09/07 10/07 11/07 12/07 01/08 02/08 03/08 04/08 05/08 06/08 07/08 08/08 09/08 10/06<br />
Forschungsstandanalyse<br />
Exploration<br />
3 Netzwerkarbeit<br />
Präzisierung<br />
des Methodenrepertoires<br />
Def. Untersuchungseinheit<br />
Pretest<br />
Datenerhebung<br />
Phase I<br />
Zwischenbericht<br />
Vorstellung und Diskussion<br />
der Zwischenergebnisse (Forum)<br />
Datenerhebung<br />
Phase II<br />
4 „Sozialraumanalyse“ „Lebenswelten“<br />
„Sozialforschung I“ „Sozialforschung II“<br />
5 FR FR<br />
Leiste 1: Projektadministration (BO = Büroorganisation)<br />
Leiste 2: Forschungslogischer Ablauf<br />
Leiste 3: Fachöffentlichkeit; Netzwerk<br />
Leiste 4: Lehre<br />
Leiste 5: Forschungsreisen (FR)<br />
Dateneingabe<br />
Interpretation<br />
Betreuung<br />
Diplomarbeiten<br />
Vorstellung und Diskussion<br />
der Ergebnisse (Forum II)<br />
Abschlussbericht<br />
16
2.2.5 Arbeitsvoraussetzungen<br />
Zwischen dem Antragsteller und den Kooperationspartnern, der „Braunschweiger Baugenossenschaft“,<br />
„plankontor“ und der Sozialplanung im Sozialreferat der Stadt Braunschweig,<br />
bestehen bereits erfolgreiche Kooperationsbeziehungen. Diese gehen auf mehrere<br />
Studienprojekte und Vorhaben zur Organisations- und Infrastrukturentwicklung zurück,<br />
die z.T. im Westlichen Ringgebiet Braunschweigs angesiedelt waren/sind und als<br />
Beiträge zur Quartiersentwicklung auch eine mediale Resonanz gefunden haben.<br />
In Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement „Westliches Ringgebiet“ (plankontor<br />
Hamburg) und dem Arbeitskreis Industriegeschichte wurden von 2003 bis 2005 mehrere<br />
Erzählcafés angeboten. Gestützt auf Zeitzeugen und Prozesse kollektiver Erinnerung,<br />
konnten Zugänge zu industriellen Wohn- und Arbeitswelten geschaffen und mündliche<br />
Überlieferungen als Trittsteine auf dem Weg zu einem „narrativen Industriemuseum“ gesichert<br />
werden. Darüber hinaus ist es mit den gut besuchten Erzählwerkstätten gelungen,<br />
weitere quartiersbezogene bürgerschaftliche Aktivitäten anzustoßen.<br />
Zur institutionellen Absicherung des projektorientierten Studienschwerpunktes „Offene<br />
Lernformen in gemeindenahen Sozialräumen“ wurde mit der Braunschweiger Baugenossenschaft<br />
(BBG), die im Westlichen Ringgebiet erhebliche Wohnungskontingente vorhält,<br />
Anfang 2006 eine Kooperationsvereinbarung mit 3-jähiger Laufzeit abgeschlossen.<br />
Gegenstand der public private partnership ist die kostenfreie Nutzung einer Wohnung für<br />
ein Kinderbetreuungsangebot. Dieses Angebot soll als Plattform fungieren, von der aus<br />
gemeinsam mit der BBG weitere Infrastrukturprojekte mit Gemeinwesenorientierung<br />
entwickelt werden.<br />
Von zentraler Bedeutung für den hier vorgelegten Antrag ist eine seit mehreren Jahren<br />
erfolgreiche Kooperation mit der Sozialplanung im Sozialreferat der Stadt Braunschweig.<br />
Dieser Kooperation, die sich auch auf gemeinsame Lehrveranstaltungen zu den Themenkomplexen<br />
„Sozialplanung“ und „Sozialforschung“ sowie die gemeinsame Konzeptualisierung<br />
und Durchführung der „Braunschweiger Foren Alterssozialpolitik“ stützt, kommt<br />
hinsichtlich Planung und Durchführung des hier beantragten Forschungsvorhabens eine<br />
forschungsstrategische Schlüsselfunktion zu:<br />
- Der Themenzuschnitt mit der besonderen Fokussierung lebensweltlicher Perspektiven<br />
ist Desiderat einer gemeinsamen Forschungsstandbewertung, die eine Reihe bereits<br />
abgeschlossener empirischer Untersuchungen zur Sozialstruktur des Westlichen<br />
Ringgebietes einbezieht. Diese – z.T. unveröffentlichten – Untersuchungen werden<br />
für eine eingehende Forschungsstandanalyse zugänglich gemacht.<br />
- Zusammen mit dem Baudezernat ist die Sozialplanung federführend hinsichtlich des<br />
sozialen Erneuerungsprozesses im Westlichen Ringgebiet. Im Rahmen des Programms<br />
"Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt" übernimmt<br />
die Sozialplanung die Funktion, regelmäßig integrierte Handlungskonzepte vorzulegen<br />
und deren Umsetzung mit dem Quartiersmanagement „plankontor“ abzustimmen.<br />
- Die Sozialplanung ist zuständig für die Generierung von Daten über die Entwicklung<br />
von Lebensbedingungen der Menschen in ihren Quartieren zur Unterstützung von<br />
Stadt- und Fachplanungen wie der präventiven und bürgerbezogenen Stadtteilarbeit.<br />
Das Referat verfügt über ein eigenes Instrumentarium zur Sozialraumanalyse, das mit<br />
17
dem Statistischen Amt der Stadt abgestimmt ist und Hintergrunddaten für die hier geplanten<br />
kleinräumigen und lebensweltbezogenen Untersuchungen liefern wird.<br />
Insgesamt ist das Forschungsvorhaben mit den hier skizzierten Kooperationsbeziehungen<br />
zur Wohnungswirtschaft, zur kommunalen Sozialverwaltung und zu einem unabhängigen<br />
Planungsinstitut strategisch gut aufgestellt. Im Spannungsfeld von Wohnungswirtschaft,<br />
Sozialpolitik und Gemeinwesen „bedient“ das Forschungsvorhaben gleichermaßen Interessen,<br />
die Bewohner als Kunden, als Bürger und als Bedarfswesen fokussieren.<br />
Zur Unterstützung des Projekts sollen Studierende eingebunden werden. Dies wird vorrangig<br />
über das o.g. Studienprojekt erfolgen; ergänzend dazu kann die erfolgreiche Vergabe<br />
von Diplomarbeiten zum Themenfeld „Sozialraumanalysen“ fortgeschrieben werden.<br />
Der erforderliche Betreuungsaufwand kann über Stundenkontingente im Rahmen<br />
der regulären Lehrverpflichtung erbracht werden. Ggf. wird bei der Forschungskommission<br />
der Fachhochschule eine Lehrentlastung beantragt.<br />
Die Projektadministration wird routinemäßig über eine bereits eingespielte Internetverbindung<br />
erfolgen. Hierfür hält das Rechenzentrum der FH entsprechende IT-Technologie<br />
vor: BSCW Shared Workspace System – eine Software für die professionelle Dokumentenverwaltung<br />
in verteilten Arbeitsgruppen und die Planung von Projekten.<br />
Erforderlich sind darüber hinaus regelmäßige Planungs- und Koordinierungssitzungen<br />
auf drei Ebenen:<br />
a) fachhochschul-intern<br />
b) 14-tägige Abstimmung mit den Projektpartnern Sozialplanung der Stadt Braunschweig<br />
und „plankontor“<br />
c) halbjährliche Koordinierungsgespräche mit dem Kooperationspartner BBG sowie<br />
weitere Abstimmungen zur Einbindung von Mietern der BBG.<br />
Auf die vorhandene Ausstattung wie Software, Rechnerkapazitäten etc. kann im Projekt<br />
zuruckgegriffen werden. Allerdings wird diese Ausstattung vorwiegend für Lehrveranstaltungen<br />
genutzt. Sie muss daher um einen eigenen, für Projektaufgaben eingerichteten<br />
Rechner (Laptop) ergänzt werden. Die sächliche Ausstattung (Arbeitsraum, Möbel, sonstige<br />
Arbeitsmittel) wird von der Fachhochschule übernommen.<br />
"Letter of intent" in den Anlagen.<br />
2.2.6 Schrifttum<br />
Stadtteilentwicklung Braunschweig<br />
Groeger-Roth, F.: Zwischenbilanz: Wo steht die soziale Stadt in Niedersachsen? LAG Soziale<br />
Brennpunkte Niedersachsen e.V., Impulsreferat unveröffentlicht, gehalten, Braunschweig<br />
März 2004<br />
Grundmann, Dierk (Architekturbüro): Rahmenplan Westliches Ringgebiet, Erläuterungsbericht,<br />
Stadt Braunschweig Stadtplanungsamt FB 61, Braunschweig 2004<br />
Köhne-Finster, Sabine: Und es kommt jeden Tag etwas Neues auf mich zu. Eine empirische Untersuchung<br />
zur Lebenssituation ehemaliger Wohnungsloser im Westlichen Ringgebiet/<br />
Braunschweig. Forschungsbericht Nr. 62, Institut für Sozialwissenschaften der TU BS,<br />
Braunschweig 2005<br />
18
Köhne-Finster, Sabine: Genderaspekte in der sozialen Stadtteilentwicklung. Eine empirische Untersuchung<br />
im Westlichen Ringgebiet/ Braunschweig. Forschungsbericht Nr. 64, Institut für<br />
Sozialwissenschaften der TU BS, Braunschweig 2005<br />
Prenner, K / Wanzelius, H: Qualitative Spielraumanalyse, Stadtteilbereich Wilhelmitor (06), Forschungsprojekt<br />
der FH BS/WF, Braunschweig 1996<br />
Spalink-Sievers, Johanna: Flächenentwicklungskonzept Hebbelstr./Jahnstr. Westliches Ringgebiet,<br />
Stadt Braunschweig, Fachbereich Stadtplanung u. Umweltschutz, 2003<br />
Stadt Braunschweig/Plankontor GmbH: Integriertes Handlungskonzept für das Westliche Ringgebiet<br />
im Rahmen des Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf- die soziale<br />
Stadt“ für das Jahr 2003, Braunschweig 2005<br />
Stadt Braunschweig Dezernat V Sozialplanung, Soziale Stadt in Braunschweig - Aktionsfelder,<br />
Ziele und Maßnahmen im Dezernat V, Arbeitspapier, Braunschweig, Januar 2004<br />
Stadt Braunschweig, Dezernat V (Hrsg.): Befragung der Senioren 66+ im westlichen Ring zur<br />
Lebenssituation und Gesundheit, Braunschweig 2004<br />
Stadt Braunschweig/Plankontor GmbH: Integriertes Handlungskonzept für das Westliche Ringgebiet<br />
im Rahmen des Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf- die soziale<br />
Stadt“ für das Jahr 2003, Braunschweig 2004<br />
Stadt Braunschweig/Plankontor GmbH: Integriertes Handlungskonzept für das Westliche Ringgebiet<br />
im Rahmen des Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf- die soziale<br />
Stadt“ für das Jahr 2003, Braunschweig 2003<br />
Stadt Braunschweig: Soziale Stadt, Operationales Programm und Förderantrag im Rahmen der<br />
Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt, Braunschweig 2000<br />
Stadt Braunschweig, Stadtplanungsamt: Westliches Ringgebiet, Ergebnis der vorbereitenden Untersuchungen,<br />
Braunschweig 1994<br />
Allgemeine Literatur<br />
Aigner/Miosga: Stadtregionale Kooperationsstrategien. Neue Herausforderungen und Initiativen<br />
deutscher Großstadtregionen. Kallmünz 1994<br />
Alisch, M. (Hg.): Stadtteilmanagement, Opladen 1998<br />
Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche<br />
Wirklichkeit 1: Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie, Reinbek 1973<br />
ARGEBAU Ausschuss für Bauwesen und Städtebau und Ausschuss für Wohnungswesen: Leitfaden<br />
zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ Fassung 2000,<br />
www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/arbeitspapiere/band3/3-argebau.shtml<br />
Backes, Gertrud: Lebenslage als soziologisches Konzept zur Sozialstrukturanalyse, in: Zs. für<br />
Sozialreform 43 (1997)<br />
Barbey, G.: WohnHaft. Essay über die neuere Geschichte der Massenwohnung (Bauwelt Fundamente<br />
67), Braunschweig/Wiesbaden 1984<br />
Baecker, D.: Die Dekonstruktion der Schachtel: Innen und Außen in der Architektur, in: Luhmann/Bunsen/Baecker,<br />
Unbeobachtbare Welt: Über Kunst und Architektur, Bielefeld 1990<br />
Berg, Ch. (Hg.): Kinderwelten, Frankfurt a. M. 1991<br />
Berger/Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der<br />
Wissenssoziologie, 4.Aufl., Reutlingen 1974<br />
Böhme/Schuleri-Hartje: Zusammenleben in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf, in:<br />
Soziale Stadt - info 8. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik, April 2002<br />
19
Boissevain/Mitchell (eds.): Network Analysis: Studies in Human Interaction, The Hague 1973<br />
Boissevain, J.F.: Friends of Friends. Networks, Manipulators and Coalitions, Oxford 1974<br />
Bourdieu, P.: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt 1987<br />
Bourdieu, P.: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in: Wentz, M. (Hg.): Stadt-<br />
Räume. Frankfurt a.M./New York 1991<br />
Brede/Kohaupt/Kujath: Ökonomische und politische Determinanten der Wohnungsversorgung,<br />
Frankfurt 1975<br />
Clar/Friedrichs/Hempel: Zeitbudget und Aktionsräume von Stadtbewohnern (Beiträge zur Stadtforschung<br />
4), Hamburg 1979<br />
Dangschat, J.S.: Soziale Milieus und Lebensstile in Raum und Zeit, in: Dangschat/Hamedinger<br />
(Hg.): Lebensstile, Soziale Milieus und Siedlungsstrukturen. Hannover 2006<br />
Dangschat, J.S. : Wohnquartiere als Ausgangspunkt sozialer Integrationsprozesse, in: Kessel/ Otto<br />
(Hg.): Territorialisierung des Sozialen. Regieren über soziale Nahräume, Wiesbaden 2005<br />
Dangschat, J.S.: Raum als Dimension sozialer Ungleichheit und Ort als Bühne der Lebensstilisierung?<br />
- Zum Raumbezug sozialer Ungleichheit und von Lebensstilen, in : Schwenk, O. (Hg.),<br />
Lebensstil zwischen Kulturwissenschaft und Sozialstrukturanalyse, Opladen 1996<br />
Deinet, U.: Der qualitative Blick auf Sozialräume als Lebenswelten, in: Deinet/Krisch (Hg.): Der<br />
sozialräumliche Blick der Jugendarbeit. Opladen 2002<br />
Deutsches Institut für Urbanistik: Strategien für die Soziale Stadt. Erfahrungen und Perspektiven-<br />
Umsetzung der Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf -<br />
die „soziale Stadt“, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2003<br />
Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Die soziale Stadt. Eine erste Bilanz des Bund-Länder-<br />
Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf- die soziale Stadt, Bundesministerium<br />
für Verkehr Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002<br />
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