Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

dann begann sie zu weinen – zuerst nur ein paar leise Tränen, doch dann konnte sie nicht mehr aufhören. War es nicht komisch, dachte sie: wieviele Filme hatte sie gemacht – warum hatte sie sich nicht an das Ende gewöhnt? Da gab es so viel Leben und Vitalität während der Produktion – "und da war ich nun und weinte mein Herz aus. All diese wunderbaren Leute, die mir so nahe standen, die ich wohl nie mehr sehen werde. Und wer weiss, vielleicht war das auch das letzte Mal, dass ich vor meinem lieben alten Freund, der Kamera, stand." "GOOD BYE", SAGTE INGRID den Reportern an einer Pressekonferenz für "Golda" kurz vor Weihnacht. "Ich gehe nun und werde weder zum Film noch zum Theater zurückkehren. Ich habe die Schauspielerei abgeschlossen. Ich werde nun in der Welt herumreisen und mit meinen Grosskindern spielen." Und genau das tat sie in der letzten Woche von 1981, die sie mit Lars und ihrer Familie in Choisel verbrachte. Aber Ingrid wurde täglich schwächer, wie es schien – und für die einfachsten Dinge brauchte sie Hilfe. Bevor sie im Januar nach London zurückkehrte, sprach Lars mit Margaret Johnstone, die sofort einwilligte, sich im zweiten Schlafzimmer in Cheyne Gardens als Ingrids Pflegerin, Köchin und Vollzeit- Gesellschafterin einzurichten. Aber wie krank sie auch sein mochte, war Ingrid – wie Margaret feststellen musste - nicht die Patientin, die zuhause sass und ihre Wände anstarrte, wenn sie es auf irgendeine Art schaffte, das Haus zu verlassen. Gelegentlich lud sie ein oder zwei Freunde zum Nachtessen ein, ein- bis zweimal die Woche sah sie sich einen Film oder ein Bühnenstück an oder sie spazierte im kleinen Park dem Fluss entlang. Im Sinne eines letzten verzweifelten Versuchs, das Böse, das ihren Körper zerfrass, zu zerstören, unterzog sich Ingrid einem harten Chemotherapie-Programm. Zwischen Februar und Mai 1982 verbrachte sie monatlich eine Woche im St. Thomas Hospital, am Südufer der Themse. Das Resultat der Behandlung war nicht nur nutzlos, die Nebenwirkungen waren 610

grauenhaft. Während zweier Tage nach jeder Behandlung erbrach sie fürchterlich und während drei weiteren Tagen konnte sie die Spitalkost nicht anrühren. Margaret anerbot sich, ihr hausgemachte Suppen und püriertes Essen, das sie gerne mochte und das gut verdaulich war, zuzubereiten, aber Ingrid lehnte ab: "Sie sind hier alle so lieb zu mir, ich möchte sie nicht beleidigen mit dem Essen." Ihr rechter Arm war inzwischen völlig unbrauchbar geworden, weshalb sie sich zwang, ihren linken einzusetzen, um Dankesbriefe an besorgte Freunde zu schreiben. Wenn man sich so zerstört fühle, sei es nicht leicht, den Humor zu behalten, schrieb sie Griff – und dennoch behielt sie ihn. Als sie von ihrem Zimmer über die Themse zu den Houses of Parliament hinübersah, lachte sie und meinte: "Nun, nachdem ich Golda Meïr gespielt habe, kann ich von hier aus für meine nächste Rolle Mrs. Thatcher studieren." Wieder zuhause, bat sie Griff und Margaret, Theaterplätze zu buchen und einer von beiden oder Ann Todd begleitete sie. "Sie überlebte weit länger, als ihre Ärzte oder irgendjemand von uns erwartet hätten", sagte Ann später, "aber wirklich, ihr Leben war zerstört. Ein einziges Mal war von ihr etwas zu hören, was im Entferntesten nach einer Klage tönte. Als ich eines Tages an ihrem Bett sass und strickte, während sie in einem Album blätterte, bemerkte ich plötzlich, dass sie meine Hände ansah, und erinnerte mich natürlich, dass das Stricken eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war – ihr ganzes Leben lang; sie strickte immer für sich und ihre Lieben. Ganz ruhig sagte sie dann: 'Weißt du, Ann, manchmal denke ich, es wäre besser zu gehen als so weiterzukämpfen. Ich bin jetzt wirklich zu nichts mehr gut. Ich überziehe meine Zeit.'" Aber ihr eiserner Wille verliess sie nicht. Als sie und Ann eines Abends Ende April im Theater ankamen, stiessen sie im Foyer auf einen Harst von Fotographen und Reportern. Ingrid, die in der Tat sehr zerbrechlich und ausgezehrt aussah, war wütend und verlangte den Direktor: "Wer hat der Presse gesagt, dass ich komme?" fragte sie. Der arme Mann war zu- 611

dann begann sie zu weinen – zuerst nur ein paar leise Tränen,<br />

doch dann konnte sie nicht mehr aufhören. War es nicht komisch,<br />

dachte sie: wieviele Filme hatte sie gemacht – warum<br />

hatte sie sich nicht an das Ende gewöhnt? Da gab es so viel<br />

Leben und Vitalität während der Produktion – "und da war ich<br />

nun und weinte mein Herz aus. All diese wunderbaren Leute,<br />

die mir so nahe standen, die ich wohl nie mehr sehen werde.<br />

Und wer weiss, vielleicht war das auch das letzte Mal, dass ich<br />

vor meinem lieben alten Freund, der Kamera, stand."<br />

"GOOD BYE", SAGTE INGRID den Reportern an einer<br />

Pressekonferenz für "Golda" kurz vor Weihnacht. "Ich gehe<br />

nun und werde weder zum Film noch zum Theater zurückkehren.<br />

Ich habe die Schauspielerei abgeschlossen. Ich werde nun<br />

in der Welt herumreisen und mit meinen Grosskindern spielen."<br />

Und genau das tat sie in der letzten Woche von 1981, die<br />

sie mit Lars und ihrer Familie in Choisel verbrachte.<br />

Aber <strong>Ingrid</strong> wurde täglich schwächer, wie es schien –<br />

und für die einfachsten Dinge brauchte sie Hilfe. Bevor sie im<br />

Januar nach London zurückkehrte, sprach Lars mit Margaret<br />

Johnstone, die sofort einwilligte, sich im zweiten Schlafzimmer<br />

in Cheyne Gardens <strong>als</strong> <strong>Ingrid</strong>s Pflegerin, Köchin und Vollzeit-<br />

Gesellschafterin einzurichten. Aber wie krank sie auch sein<br />

mochte, war <strong>Ingrid</strong> – wie Margaret feststellen musste - nicht<br />

die Patientin, die zuhause sass und ihre Wände anstarrte,<br />

wenn sie es auf irgendeine Art schaffte, das Haus zu verlassen.<br />

Gelegentlich lud sie ein oder zwei Freunde zum Nachtessen<br />

ein, ein- bis zweimal die Woche sah sie sich einen Film oder<br />

ein Bühnenstück an oder sie spazierte im kleinen Park dem<br />

Fluss entlang.<br />

Im Sinne eines letzten verzweifelten Versuchs, das Böse,<br />

das ihren Körper zerfrass, zu zerstören, unterzog sich <strong>Ingrid</strong><br />

einem harten Chemotherapie-Programm. Zwischen Februar<br />

und Mai 1982 verbrachte sie monatlich eine Woche im St.<br />

Thomas Hospital, am Südufer der Themse. Das Resultat der<br />

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