Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
von ingrid.bergman.ch Mehr von diesem Publisher
29.01.2013 Aufrufe

Prozess aber war: Ingrid arbeitete mit Paavo, einer unschätzbar wertvollen Hilfe bei der Sichtung, Sortierung und Verarbeitung der Berge von Zeitungsausschnitten und Sammelalben. Als Burgess dieses ganze Material in die Finger bekam, beschloss er, Ingrids Stimme anzunehmen – der ursprünglich in der dritten Person vorgesehene Erzählstil wurde in die erste Person verlegt, und das Buch wurde zur Autobiographie "wie von Burgess aufgezeichnet". Aber als sie die ersten Musterkapitel durchlas, war Ingrid entsetzt. Burgess, der weder Biograph noch Memoirenautor war, geriet offenbar in Panik; jedenfalls entpuppte sich das Manuskript als Durcheinander, unordentlich und unbestimmt hinsichtlich der Daten und gespickt mit verdrehten Tatsachen. Als Krone des Dramas erwies sich Burgess oft unter dem Einfluss von Alkohol als arbeitsunfähig. So geriet Ingrid Bergmans Buch – gleichviel, ob als Biographie oder Autobiographie – hoffnunglos auf die lange Bank. Als nun Ingrids amerikanischer Verleger, Delacorte Press, (drei Jahre nach dem vereinbarten Termin) etwas für ihre Druckmaschinen verlangte, brachte das Ingrid zur Verzweiflung: "Es macht mich krank", sagte sie zu einem Freund, "es ist zu lang, es ist weder mein noch sein Buch, es ist unmöglich zu lesen und ich fürchte, es werde zu einem gewaltigen Flop". Als es schliesslich 1980 zur Veröffentlichung kam, war es zwar kein Reinfall (es trug immerhin ihren Namen), aber mit ihrer kritischen Einschätzung behielt sie Recht: in der Ich-Form geschriebene Passagen wechseln mit im Erzählstil über sie geschriebenen Passagen – optisch durch unterschiedliche Schrifttypen gekennzeichnet, Material wurde konfus umgeschichtet, die Ausdrucksweise liess es an Klarheit fehlen und gewisse Fakten waren schlicht falsch. Zu allem Überfluss brachte das Buch Petter in Rage, der (unberechtigterweise) glaubte, es behandle ihn als Schurken – obschon ihm Ingrid die kritischen Passagen des Manuskripts zur Genehmigung vorgelegt und jeden von ihm beanstandeten Text entfernt hatte. 574

Am 1. Mai 1976 unterbrach Ingrid ihre Arbeit am Buch um sich nach Rom zu begeben: eine Woche später feierte Roberto seinen 70. Geburtstag: Am Fünften dinierten sie zusammen mit den Zwillingen und dann, am Siebenten besuchte ihn Ingrid zuhause um sich zu verabschieden, was ihn sehr enttäuschte. Wusste sie nicht, dass er tags darauf, am 8. Mai seinen 70. Geburtstag hatte? Doch, sagte sie, aber ihre Pflichten verlangten anderswo nach ihr, und weg war sie. In Tat und Wahrheit hatte sie mit ihrem Sohn und den Töchtern insgeheim alles vorbereitet, und am nächsten Tag, als die Kinder Roberto in sein Lieblingsrestaurant führten, traf er dort Ingrid, die viele Freunde und seine ganze Familie zu einer Galafeier zusammengetrommelt hatte. Sogar seine erste und dritte Frau waren anwesend, neben Cousins, Nichten und Enkeln. "Ach – du warst das!", sagte Roberto mit einem breiten Grinsen und Tränen in den Augen, als er Ingrid umarmte. Anfangs 1977 brauchte Ingrid eine Ruhepause von ihrer zermürbenden und zunehmend unbefriedigenden Arbeit mit Burgess. Sie besuchte Freunde und ihre Töchter in New York, um anschliessend nach Choisel zurückzukehren. Zu dieser Zeit war Kristina mit Lars' Kind schwanger, und so wich Ingrid ohne melodramatische Szene oder Wutausbruch ins Raphael Hotel in Paris aus, wo sich rein zufällig auch Roberto aufhielt. Er bemerkte ihre unglückliche Verfassung und lud sie zum Abendessen ein. "Ingrid, meine Liebe", sagte er, "du bist ein nervöses Wrack, das versucht, mit seiner Vergangenheit klarzukommen. Zum Teufel mit der Vergangenheit! Sieh nach vorn – wie du es immer getan hast!" Als sie genau das zu tun versuchte, geschah es zum richtigen Zeitpunkt. Sie nahm eine Einladung des Chichester Theatre Festival in England an, wo John Clements die Regie einer Neuinszenierung von N.C. Hunters Stück "Waters of the Moon" von 1951 übernahm, das 835 Vorstellungen erlebt hatte mit drei grossen Damen der englischen Theaterbühne – Edith Evans, Sybil Thorndike und, als die Naive, Wendy Hiller (die jetzt die Thorndike-Rolle übernahm). Das Stück war harmlos, hatte aber eine gewisse wehmütige Zartheit; ausserdem ver- 575

Prozess aber war: <strong>Ingrid</strong> arbeitete mit Paavo, einer unschätzbar<br />

wertvollen Hilfe bei der Sich<strong>tu</strong>ng, Sortierung und Verarbei<strong>tu</strong>ng<br />

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Als Burgess dieses ganze Material in die Finger bekam, beschloss<br />

er, <strong>Ingrid</strong>s Stimme anzunehmen – der ursprünglich in<br />

der dritten Person vorgesehene Erzählstil wurde in die erste<br />

Person verlegt, und das Buch wurde zur Aut<strong>ob</strong>iographie "wie<br />

von Burgess aufgezeichnet".<br />

Aber <strong>als</strong> sie die ersten Musterkapitel durchlas, war <strong>Ingrid</strong><br />

entsetzt. Burgess, der weder Biograph noch Memoirenautor<br />

war, geriet offenbar in Panik; jedenfalls entpuppte sich das<br />

Manuskript <strong>als</strong> Durcheinander, unordentlich und unbestimmt<br />

hinsichtlich der Daten und gespickt mit verdrehten Tatsachen.<br />

Als Krone des Dramas erwies sich Burgess oft unter dem Einfluss<br />

von Alkohol <strong>als</strong> arbeitsunfähig. So geriet <strong>Ingrid</strong> <strong>Bergman</strong>s<br />

Buch – gleichviel, <strong>ob</strong> <strong>als</strong> Biographie oder Aut<strong>ob</strong>iographie –<br />

hoffnunglos auf die lange Bank. Als nun <strong>Ingrid</strong>s amerikanischer<br />

Verleger, Delacorte Press, (drei Jahre nach dem vereinbarten<br />

Termin) etwas für ihre Druckmaschinen verlangte, brachte das<br />

<strong>Ingrid</strong> zur Verzweiflung: "Es macht mich krank", sagte sie zu<br />

einem Freund, "es ist zu lang, es ist weder mein noch sein<br />

Buch, es ist unmöglich zu lesen und ich fürchte, es werde zu<br />

einem gewaltigen Flop". Als es schliesslich 1980 zur Veröffentlichung<br />

kam, war es zwar kein Reinfall (es trug immerhin ihren<br />

Namen), aber mit ihrer kritischen Einschätzung behielt sie<br />

Recht: in der Ich-Form geschriebene Passagen wechseln mit<br />

im Erzählstil über sie geschriebenen Passagen – optisch durch<br />

unterschiedliche Schrifttypen gekennzeichnet, Material wurde<br />

konfus umgeschichtet, die Ausdrucksweise liess es an Klarheit<br />

fehlen und gewisse Fakten waren schlicht f<strong>als</strong>ch.<br />

Zu allem Überfluss brachte das Buch Petter in Rage, der<br />

(unberechtigterweise) glaubte, es behandle ihn <strong>als</strong> Schurken –<br />

<strong>ob</strong>schon ihm <strong>Ingrid</strong> die kritischen Passagen des Manuskripts<br />

zur Genehmigung vorgelegt und jeden von ihm beanstandeten<br />

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