Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

verstehen, warum François Truffauts Film "La nuit américaine" ("Day for Night"), der im vergangenen Jahr den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hatte, jetzt wieder nominiert wurde, und zwar diesmal für sein Screenplay. Ausserdem wurde Ingrids alte Freundin Valentina Cortese (die mit ihr als Co-Star in "Der Besuch der alten Dame" auftrat und die sie seit ihren ersten Tagen in Rom kannte) für die beste Nebenrolle in "Day for Night" nominiert. Als sie nun ihren Oscar in Empfang nehmen konnte, überraschte Ingrid alle: 566 "Ich bedanke mich recht herzlich. Es ist immer schön, einen Oscar zu erhalten, der sich in letzter Zeit allerdings als sehr vergesslich und unpünktlich erwiesen hat – weil letztes Jahr, als "Day for Night" gewann, ich es nicht fassen konnte, dass Valentina Cortese nicht nominiert war, nachdem sie eine so wunderbare Leistung gezeigt hat. Und nun stehe ich, ihre Rivalin, hier und mag das überhaupt nicht. Wo bist du? (Sie suchte dann ihre Freundin im Publikum und Cortese erhob sich und blies Ingrid einen Kuss zur Bühne) Ah, dort bist du - vergib mir, Valentina, ich wollte das nicht!" Das Publikum tobte mit Applaus, und die Zuschauer rund um die Welt sahen, wie eine dankbare Gewinnerin ihre Auszeichnung mit der Freundin teilte, die den Award ihres Erachtens weit eher verdient hätte. "Sicher, es war sehr schön", sagte sie einen Monat nach der Verleihung, "aber ich denke, ich habe den Oscar nicht verdient. Die Leute waren so beeindruckt davon, dass ich einen so langen Monolog in einer einzigen Aufnahme bewältigte – aber das war ja nichts im Vergleich zu meinem viel anspruchsvolleren Neunminuten-Monolog unter Hitch in 'Under Capricorn'!". Lars begleitete Ingrid bei festlichen Gelegenheiten und in jeder schwierigen Situation bis an's Ende ihres Lebens, und er passte seine Verpflichtungen unabdingbar den Erfordernissen ihres täglichen Lebens wie auch den ernsteren Bedürfnissen an. Aber ihre Ehe war vorbei, und schon bald beschlossen sie, sich gütlich zu trennen; während mehrerer Jahre erfuhr

niemand in ihrem Freundeskreis etwas davon. Ingrids Lebenspriorität war ihre Karriere, "das kam immer zuerst", wie Lars sich ausdrückte, "und dann kamen ihre Kinder und dann ihr Ehemann." Dem hatte sie nichts entgegenzusetzen: "Mein ganzes Leben war Schauspielrei. Ich hatte meine Ehemänner und meine Familien. Ich liebe sie alle und bin mit allen im Kontakt, aber in meinem Innersten fühle ich, dass ich dem Show Business gehöre." ALS "THE CONSTANT WIFE" am 14. April in New York ankam, war Ingrid erschöpft und sie hinkte noch immer; aber sie war vom Gips befreit und dem Rollstuhl entkommen. Wie üblich schimpften die Kritiker über ihren Auftritt in dem, was sie ein Drittklasse-Stück nannten. Aber ihr Spiel war, den Nörglern zum Trotz, ein kleines Juwel von verhaltener, reifer Komödie. Ohne Szenen zu stehlen oder zu übertreiben fand Ingrid das korrekte Timing und die richtigen Pausen, die jeden kleinen Moment ins richtige Licht seiner Bedeutung rückten. Während einer Szene mit Brenda Forbes (in der Rolle von Constances Mutter) gibt es folgenden beiläufigen Wortwechsel: "Übrigens", sagt Forbes, "was ist eigentlich Treue?" Ingrid erhob sich vom Sofa: "Mutter, darf ich das Fenster öffnen?" "Es ist offen." "In diesem Fall – darf ich es schliessen?" Sie schliesst es. "Wenn eine Frau deines Alters eine solche Frage stellt, muss ich etwas Symbolisches tun." Diese Art Konversation wäre für ein Publikum von 1975 nicht weiter erinnerungswürdig, aber Ingrids Bühnenarbeit – stehen, springen, zögern, gestikulieren und mit beissender Ironie sprechen – generierte beim Publikum verständnisinniges Gelächter. 567

verstehen, warum François Truffauts Film "La nuit américaine"<br />

("Day for Night"), der im vergangenen Jahr den Oscar für den<br />

besten ausländischen Film gewonnen hatte, jetzt wieder nominiert<br />

wurde, und zwar diesmal für sein Screenplay. Ausserdem<br />

wurde <strong>Ingrid</strong>s alte Freundin Valentina Cortese (die mit ihr <strong>als</strong><br />

Co-Star in "Der Besuch der alten Dame" auftrat und die sie seit<br />

ihren ersten Tagen in Rom kannte) für die beste Nebenrolle in<br />

"Day for Night" nominiert. Als sie nun ihren Oscar in Empfang<br />

nehmen konnte, überraschte <strong>Ingrid</strong> alle:<br />

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"Ich bedanke mich recht herzlich. Es ist immer schön,<br />

einen Oscar zu erhalten, der sich in letzter Zeit allerdings<br />

<strong>als</strong> sehr vergesslich und unpünktlich erwiesen hat<br />

– weil letztes Jahr, <strong>als</strong> "Day for Night" gewann, ich es<br />

nicht fassen konnte, dass Valentina Cortese nicht nominiert<br />

war, nachdem sie eine so wunderbare Leis<strong>tu</strong>ng<br />

gezeigt hat. Und nun stehe ich, ihre Rivalin, hier und<br />

mag das überhaupt nicht. Wo bist du? (Sie suchte dann<br />

ihre Freundin im Publikum und Cortese erh<strong>ob</strong> sich und<br />

blies <strong>Ingrid</strong> einen Kuss zur Bühne) Ah, dort bist du -<br />

vergib mir, Valentina, ich wollte das nicht!"<br />

Das Publikum t<strong>ob</strong>te mit Applaus, und die Zuschauer<br />

rund um die Welt sahen, wie eine dankbare Gewinnerin ihre<br />

Auszeichnung mit der Freundin teilte, die den Award ihres Erachtens<br />

weit eher verdient hätte. "Sicher, es war sehr schön",<br />

sagte sie einen Monat nach der Verleihung, "aber ich denke,<br />

ich habe den Oscar nicht verdient. Die Leute waren so beeindruckt<br />

davon, dass ich einen so langen Monolog in einer einzigen<br />

Aufnahme bewältigte – aber das war ja nichts im Vergleich<br />

zu meinem viel anspruchsvolleren Neunminuten-Monolog unter<br />

Hitch in 'Under Capricorn'!".<br />

Lars begleitete <strong>Ingrid</strong> bei festlichen Gelegenheiten und<br />

in jeder schwierigen Si<strong>tu</strong>ation bis an's Ende ihres Lebens, und<br />

er passte seine Verpflich<strong>tu</strong>ngen unabdingbar den Erfordernissen<br />

ihres täglichen Lebens wie auch den ernsteren Bedürfnissen<br />

an. Aber ihre Ehe war vorbei, und schon bald beschlossen<br />

sie, sich gütlich zu trennen; während mehrerer Jahre erfuhr

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