Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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29.01.2013 Aufrufe

sämtliche Besucherrekorde der betreffenden Häuser. Niemand in der Kompanie hatte eine Ahnung von ihrer kürzlich überstandenen Operation. Im Gegenteil: sie war bei bester Laune und fröhlich und verbreitete nicht den geringsten Anflug von dem, was gelegentlich als "Starallüren" bezeichnet wird. Im Shubert Theatre in Century City, Los Angeles, ereignete sich ein besonders schlimmer Vorfall, als ein altes Bühnensofa unter dem Druck der jahrelangen inneren Verwüstung zusammenzubrechen drohte. In der Meinung, es sei termingerecht instandgesetzt worden, liess sich Ingrid bei ihrem Einsatz darauf niederfallen, was den Federn aber gar nicht passte, die sie auf den Boden zurückwarfen. Das Publikum hielt zunächst den Atem an und stimmte aber sofort in Ingrids Gelächter ein. Danach verlief alles ruhig, doch zehn Minuten später hatte sie einen neuen Einsatz für dieselbe Handlung, wobei sie den Vorfall von vorhin vergass und wieder auf dem widerspenstigen Sofa landete. Wieder allgemeine Heiterkeit. "Die Leute haben sich amüsiert wie noch nie", meinte Griff James und fügte bei, er hätte wohl den Preis für eine zweite Vorstellung am Ausgang kassieren können. Man kann sich sehr leicht andere Stars des sogenannten "golden age" vorstellen – andere Berühmtheiten, die ihren Ruhm bis zum Letzten auskosten – die der Bühnen- Crew dafür die Hölle bereitet und deren Entlassung verlangt hätten.Doch es gab in Los Angeles weitere Gelegenheiten zur Improvisation, die allerdings etwas schmerzhafter verliefen. Als Ingrid zwischen der Samstags-Matinée und der Abendvorstellung mit Griff und einigen Kollegen von einem leichten Imbiss ins Theater zurückspurtete, übertrat sie ihren Fuss fürchterlich. Bis sie zu ihrer Garderobe humpelte, war der Fuss stark angeschwollen, und der Hausarzt stellte fest, dass zwei kleine Knochen im Fuss gebrochen waren, weshalb dieser sofort eingegipst werden müsse. Der Theater-Direktor geriet in Panik, die Schauspieler waren ratlos und die Produzenten steckten die Köpfe zum Kriegsrat zusammen, weil die Vorstellung ausverkauft und nicht genügend Geld für Rückzahlungen vorhanden war. Nur Ingrid behielt die Ruhe. "Jetzt seid doch vernünftig", sagte sie. "Sagt dem Publikum einfach, was passiert ist, er- 564

muntert sie, an der Bar einen Drink zu genehmigen und lasst meinen Fuss eingipsen, dann wird sich der Vorhang etwas verspätet heben." "Sie weigerte sich einfach, das Publikum zu enttäuschen", sagte Gielgud. "Sie forderte sofort einen Rollstuhl an und arrangierte sämtliche szenischen Vorgänge neu. Und mit dieser Behinderung spielte sie tapfer während Wochen." Als die Vorstellung an jenem Abend (um halb zehn) endlich begann, gab es keinen leeren Platz mehr im Saal. Die Zuschauer hatten mit dieser verrückt improvisierten Vorstellung den Spass ihres Lebens – und niemand mehr als die ehrfurchtgebietende Ingrid. Sie wirbelte herum, nahm sich jeden einzelnen Schauspieler vor, doch diese stiessen auf der Bühne dann und wann unweigerlich zusammen, und mehr als einmal platzte Ingrid in die Szene oder verhedderte sich am Teppich. Wie sich Griff erinnerte, bekam das Publikum ein Spiel im Spiel zu sehen, und es ist durchaus möglich, dass die Tücken der Improvisation mehr Vergnügen bereiteten, als Maughams Stück selbst. Der Generaldirektor der Show kabelte ihr von London: "Die ganze Welt liegt Ihnen zu Füssen" – worauf Ingrid antwortete: "There's no business like toe business". *) NACHDEM INGRID ALS DIE NERVÖSE MISSIONARIN in "Murder on the Orient Express" für die beste Nebenrolle nominiert worden war, betrachtete man es als guten Werbeeffekt für ihre Tour, ein paar Vorstellungen von "The Constant Wife" in Boston fallenzulassen und Ingrid anstatt dessen an die Oscar-Verleihung nach Hollywood zu entsenden. Lars traf sie am Flughafen in Boston und gemeinsam reisten sie weiter nach Los Angeles, wo sie ihrem alten Freund Jean Renoir, der kränkelte und an das Haus gebunden war, einen Besuch abstattete. Als sie ihren dritten Academy Award entgegennehmen durfte, war sie erstaunt - und wie gewohnt so offen wie dank- *) Wortspiel in Anlehnung an den Musical-Titel "No Business Like Show Business". bar. Wie viele Andere damals und später, konnte Ingrid nicht 565

muntert sie, an der Bar einen Drink zu genehmigen und lasst<br />

meinen Fuss eingipsen, dann wird sich der Vorhang etwas verspätet<br />

heben."<br />

"Sie weigerte sich einfach, das Publikum zu enttäuschen",<br />

sagte Gielgud. "Sie forderte sofort einen Rolls<strong>tu</strong>hl an<br />

und arrangierte sämtliche szenischen Vorgänge neu. Und mit<br />

dieser Behinderung spielte sie tapfer während Wochen." Als die<br />

Vorstellung an jenem Abend (um halb zehn) endlich begann,<br />

gab es keinen leeren Platz mehr im Saal. Die Zuschauer hatten<br />

mit dieser verrückt improvisierten Vorstellung den Spass ihres<br />

Lebens – und niemand mehr <strong>als</strong> die ehrfurchtgebietende <strong>Ingrid</strong>.<br />

Sie wirbelte herum, nahm sich jeden einzelnen Schauspieler<br />

vor, doch diese stiessen auf der Bühne dann und wann<br />

unweigerlich zusammen, und mehr <strong>als</strong> einmal platzte <strong>Ingrid</strong> in<br />

die Szene oder verhedderte sich am Teppich. Wie sich Griff<br />

erinnerte, bekam das Publikum ein Spiel im Spiel zu sehen,<br />

und es ist durchaus möglich, dass die Tücken der Improvisation<br />

mehr Vergnügen bereiteten, <strong>als</strong> Maughams Stück selbst.<br />

Der Generaldirektor der Show kabelte ihr von London: "Die<br />

ganze Welt liegt Ihnen zu Füssen" – worauf <strong>Ingrid</strong> antwortete:<br />

"There's no business like toe business". *)<br />

NACHDEM INGRID ALS DIE NERVÖSE MISSIONARIN in<br />

"Murder on the Orient Express" für die beste Nebenrolle nominiert<br />

worden war, betrachtete man es <strong>als</strong> guten Werbeeffekt<br />

für ihre Tour, ein paar Vorstellungen von "The Constant Wife"<br />

in Boston fallenzulassen und <strong>Ingrid</strong> anstatt dessen an die Oscar-Verleihung<br />

nach Hollywood zu entsenden. Lars traf sie am<br />

Flughafen in Boston und gemeinsam reisten sie weiter nach<br />

Los Angeles, wo sie ihrem alten Freund Jean Renoir, der kränkelte<br />

und an das Haus gebunden war, einen Besuch abstattete.<br />

Als sie ihren dritten Academy Award entgegennehmen<br />

durfte, war sie erstaunt - und wie gewohnt so offen wie dank-<br />

*) Wortspiel in Anlehnung an den Musical-Titel "No Business Like Show Business".<br />

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