Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
von ingrid.bergman.ch Mehr von diesem Publisher
29.01.2013 Aufrufe

Die Proben nahmen im Januar 1971 einen erstaunlich ruhigen Verlauf, vielleicht weil sich Ingrid keinen Illusionen hingab und wusste, dass sie auf Frith Banburys Regie hinsichtlich Shaws Subtilitäten angewiesen war. Dennoch hatte sie ihre eigene Meinung. "Das darfst du nicht tun, weil die Leute ihn ansehen müssen, während er spricht", wies Banbury Ingrid zurecht, als sie sich bewegte, während ein anderer Darsteller seinen Dialog sprach. "Aber meine Reaktion darauf ist wichtig", konterte sie. "Nicht seine Worte, meine Reaktion. Schliesslich bestimmt im Leben oft die nicht sprechende Person den Verlauf einer Handlung." Diese Lektion hatte sie von Hitchcock gelernt und in diesem Fall war sie auch absolut im Recht. Die Premiere vom 18. Februar im Cambridge Theatre, nach einem zweiwöchigen Probelauf in Brighton, überraschte einige Kritiker: wozu eine Neuinszenierung eines unbedeutenden Shaws und wozu eine Schwedin in der Rolle einer britischen Aristokratin? Und warum stotterte Ingrid (nach ihren eigenen Worten) "in den ersten Aufführungen wie üblich mit meinem Dialog herum?" Sie hatten den Nagel auf den Kopf getroffen, denn es war weit entfernt von Shaws besten Stücken, Ingrid begriff nicht sehr viel davon und ihre Rolle war für sie nicht geeignet. Trotz alledem, Beaumont kannte sein Publikum – das dem Stück dann eine Laufzeit von neun Monaten bescherte – und was den Dialog anbetraf, war dieser für Ingrid während der ersten Woche immer etwas risikobehaftet. Sie konnte in diesem Stück aber auch grossartig sein, und ihre polyvalente Diktion verschiedener Dialoge brachte genau den beabsichtigten feinen Humor hervor. Wenn von einem Schurken behauptet wurde, er sei ein vernünftiger Mann geworden, entgegnete sie mit einem leicht bittern Trällern: "Oh, du glaubst, er habe sich so stark verändert?" INGRID HATTE DIESEN SOMMER verschiedene ruhige Dinners mit Hitchcock; er drehte in London "Frenzy", und sie plauderten, höhlten eine Flasche Champagner, beklagten den neuen Stil der Filmemacher und feierten eine Freundschaft, die 550

nun über siebenundzwanzig Jahre lang andauerte. Durch "Brassbound" kamen nun zwei neue Freundschaften dazu – die zu ihrem Co-Star Joss Ackland, der die Hauptrolle spielte, und die zu Griffith James, Company und Stage Director der Produktionsgesellschaft. An Sonntagen kam Ingrid öfters zu Ackland, um mit seinen Kindern im Richmond Park Rad zu fahren. Was Griff James betrifft, begrüsste er Ingrid anlässlich der ersten Probe, zu der sie mit etwa viertelstündiger Verspätung eintraf, mit einem leichten Tadel: seine Professionalität und Strenge gefielen ihr, womit sich sehr bald eine feste Allianz bildete. Für den Rest ihres Lebens war Griff ihr ein treuer Freund, der an all ihren Auftritten in England und Amerika beteiligt war. Im Hochsommer war Ingrid dankbar für die Ruhe auf Dannholmen, wohin sie ihre Kinder mitbrachte. "Weißt du", sagte sie zu einem Freund, "Mutterschaft ist eher eine Frage der Qualität als der Quantität. Ich meine, geht es nicht in erster Linie darum, wie man die Zeit mit seinen Kindern verbringt, als um die Dauer? Ich sehe meine Kinder nicht sehr oft, aber wenn, dann gehöre ich ihnen mit Haut und Haar." Das war ihre Mutterschafts-Philosophie, obschon sie einsah, dass sie ungewöhnlich sei. "Ich wollte den Erfolg, einen grossen Erfolg als Schauspielerin, ein Zuhause und Kinder. Ich bin glücklich, alles zu haben. Wenn der Preis dafür zu hoch war, hoffe ich nur, dass ich ihn allein bezahlt habe. Meine Kinder haben auch daran bezahlt. Ihre Wege waren gesäumt von zerbrochenen Heimen." Und dafür fühlte sie sich ein Leben lang schuldig – was es vielleicht verständlich macht, warum sie sich in ihrem späten Leben oft mit mütterlicher Zärtlichkeit um Einsame kümmerte, seien es nun Freunde oder Kollegen gewesen. Diesen Sommer engagierte Lars einen jungen finnischen Universitätsabgänger mit einer Mordsbegabung für die Logistik der Haushaltsführung und mit den Fähigkeiten eines Weltklasse-Chefs. In den folgenden Jahren wurde Paavo Turtiainen ein enger Freund von Lars und Ingrid, und er war es auch, der ihr 551

Die Pr<strong>ob</strong>en nahmen im Januar 1971 einen erstaunlich<br />

ruhigen Verlauf, vielleicht weil sich <strong>Ingrid</strong> keinen Illusionen<br />

hingab und wusste, dass sie auf Frith Banburys Regie hinsichtlich<br />

Shaws Subtilitäten angewiesen war. Dennoch hatte sie ihre<br />

eigene Meinung. "Das darfst du nicht <strong>tu</strong>n, weil die Leute ihn<br />

ansehen müssen, während er spricht", wies Banbury <strong>Ingrid</strong><br />

zurecht, <strong>als</strong> sie sich bewegte, während ein anderer Darsteller<br />

seinen Dialog sprach. "Aber meine Reaktion darauf ist wichtig",<br />

konterte sie. "Nicht seine Worte, meine Reaktion. Schliesslich<br />

bestimmt im Leben oft die nicht sprechende Person den Verlauf<br />

einer Handlung." Diese Lektion hatte sie von Hitchcock gelernt<br />

und in diesem Fall war sie auch absolut im Recht.<br />

Die Premiere vom 18. Februar im Cambridge Theatre,<br />

nach einem zweiwöchigen Pr<strong>ob</strong>elauf in Brighton, überraschte<br />

einige Kritiker: wozu eine Neuinszenierung eines unbedeutenden<br />

Shaws und wozu eine Schwedin in der Rolle einer britischen<br />

Aristokratin? Und warum stotterte <strong>Ingrid</strong> (nach ihren<br />

eigenen Worten) "in den ersten Aufführungen wie üblich mit<br />

meinem Dialog herum?" Sie hatten den Nagel auf den Kopf<br />

getroffen, denn es war weit entfernt von Shaws besten Stücken,<br />

<strong>Ingrid</strong> begriff nicht sehr viel davon und ihre Rolle war für<br />

sie nicht geeignet. Trotz alledem, Beaumont kannte sein Publikum<br />

– das dem Stück dann eine Laufzeit von neun Monaten<br />

bescherte – und was den Dialog anbetraf, war dieser für <strong>Ingrid</strong><br />

während der ersten Woche immer etwas risik<strong>ob</strong>ehaftet.<br />

Sie konnte in diesem Stück aber auch grossartig sein,<br />

und ihre polyvalente Diktion verschiedener Dialoge brachte<br />

genau den beabsichtigten feinen Humor hervor. Wenn von einem<br />

Schurken behauptet wurde, er sei ein vernünftiger Mann<br />

geworden, entgegnete sie mit einem leicht bittern Trällern:<br />

"Oh, du glaubst, er habe sich so stark verändert?"<br />

INGRID HATTE DIESEN SOMMER verschiedene ruhige<br />

Dinners mit Hitchcock; er drehte in London "Frenzy", und sie<br />

plauderten, höhlten eine Flasche Champagner, beklagten den<br />

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