Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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29.01.2013 Aufrufe

ichtete Elliot Martin, "aber Ingrid hatte ein Rückgrat aus Stahl und bot den Burschen an diesem Tag die Stirn. Dennoch war sie gleichzeitig eine angenehme, sanfte Person". Sein Cast, fügte er bei, habe Ingrid dabei brillant und liebenswürdig unterstützt, mit Dewhurst und Hill habe sie sich schnell angefreundet. "Alle in der Kompanie beteten sie an", erinnerte sich Arthur Hill nach Jahren. "Ingrid arbeitete mit ihrem Instinkt und nicht mit dem Intellekt, und in dieser Beziehung hätte sie die Rolle wohl besser nicht angenommen – nicht weil sie nicht dazu fähig gewesen wäre, sondern weil das Stück ein echter Schlamassel war! Und natürlich war sie auch etwas in Sorge um ihren ersten Bühnenauftritt in Amerika nach über zwanzig Jahren. Sie verliess sich auf Ruth Roberts' Hilfe bei der Diktion und auf José für die Regie. "Mein Gott", schrie Colleen Dewhurst nachdem sie eine Woche lang mit Ingrid gearbeitet hatte, "ich wusste ja, wie gut sie aussieht. Aber das war ja lächerlich! Jetzt (mit zweiundfünfzig) sieht sie besser aus, als ich mit dreissig! Sie trinkt ihren Whisky, ist eine Nachteule und treibt ihre Spässe und sieht immer noch grossartig aus. Was immer sie mimisch von sich gibt, ist echt und stimmt – nichts gekünstelt." Wie Ingrid Lars gegenüber zugab, hatte sie an Quintero mehr auszusetzen, als er an ihr, und die Atmosphäre war viel angespannter als seinerzeit mit John Frankenheimer oder Ted Kotcheff. Zeitweise fand er sie gar nicht so "anbetungswürdig". "Zugegeben, ich trieb den armen José zur Verzweiflung. Es ist ja bekannt, wie sicher ich meiner Sache bin." Die Wahrheit ist allerdings, dass sie ihrer Sache gar nicht so sicher war – daher die Zusammenstösse. Während den Proben rief sie Quintero laut zu: "Oh, das ist falsch!" und dann äusserte sie sich auch noch zu den Kommentaren, die andere Schauspieler zu seiner Regieführung abgaben. Diese Szenen wiederholten sich so oft, bis der Regisseur "ausrastete, mich anbrüllte und mich ausschimpfte" – und später sah sie ein, dass er damit vollkommen im Recht war. 530

Die Verbindung von tiefer Sorge um das Stück und dem ebenso festen Vertrauen in ihr Talent führte Ingrid in eine nervöse Anspannung, die sich während einer gewissen Zeit wie ein Virus in der Produktion festsetzte. Was Hill und Dewhurst erkannt hatten, wurde Ingrid zu spät bewusst: nämlich, dass gewisse Dinge in diesem Stück sich nicht leicht (wenn überhaupt) lösen liessen, dass aber ein unperfekt dargebotenes O'Neill-Stück immer noch besser ist, als vieles andere, was 1967 als Theater durchging. Elliot Martin und José Quintero hatten den mutigen Entschluss gefasst, das letzte Stück eines grossen Schriftstellers aufzuführen, und so führte die Kompanie ihre Arbeit spielerisch zu Ende. Die Premiere am 12. September in Los Angeles erwies sich zunächst als Reinfall. Langer Applaus begleitete ihren ersten Auftritt, doch plötzlich erstarrte Ingrid: sie hatte ihren Dialog ganz einfach vergessen. Nach einem schrecklichen Moment lieferte ihr der Souffleur die erste Zeile, womit die Panne behoben war. Doch ungeachtet der Probleme, hatten die drei Hauptdarsteller die Kritiker von Los Angeles für sich gewonnen. Bezüglich Ingrids Verkörperung der fürchterlichen Deborah, kam ihr Monolog im ersten Akt in metallisch klingender Stimme daher, voller Erstaunen über ihre eigene Boshaftigkeit: "Wirklich, Deborah", sprach sie zu sich selbst, als ob sonst noch jemand im Raum anwesend wäre, "ich beginne wirklich zu glauben, du seist etwas verrückt!" Ihre Augen leuchteten, ein leichtes Lächeln kräuselte sich auf ihren Lippen. "Du solltest dich in Acht nehmen. Eines Tages kannst du dich derart tief in diesem romantischen Bösen verlieren, dass du den Weg zurück nicht mehr findest. Nun gut, soll es geschehen! Ich würde mich ja gerne verlieren. Doch wie stupid. Diese krankhaften, endlosen Selbstgespräche!" Nach einer kurzen Pause richtete sie ihren Körper auf und hob ihre Stimme an, um einen inneren Entschluss anzudeuten: 531

ichtete Elliot Martin, "aber <strong>Ingrid</strong> hatte ein Rückgrat aus Stahl<br />

und bot den Burschen an diesem Tag die Stirn. Dennoch war<br />

sie gleichzeitig eine angenehme, sanfte Person". Sein Cast,<br />

fügte er bei, habe <strong>Ingrid</strong> dabei brillant und liebenswürdig unterstützt,<br />

mit Dewhurst und Hill habe sie sich schnell angefreundet.<br />

"Alle in der Kompanie beteten sie an", erinnerte sich Arthur<br />

Hill nach Jahren. "<strong>Ingrid</strong> arbeitete mit ihrem Instinkt und<br />

nicht mit dem Intellekt, und in dieser Beziehung hätte sie die<br />

Rolle wohl besser nicht angenommen – nicht weil sie nicht<br />

dazu fähig gewesen wäre, sondern weil das Stück ein echter<br />

Schlamassel war! Und natürlich war sie auch etwas in Sorge<br />

um ihren ersten Bühnenauftritt in Amerika nach über zwanzig<br />

Jahren. Sie verliess sich auf Ruth R<strong>ob</strong>erts' Hilfe bei der Diktion<br />

und auf José für die Regie.<br />

"Mein Gott", schrie Colleen Dewhurst nachdem sie eine<br />

Woche lang mit <strong>Ingrid</strong> gearbeitet hatte, "ich wusste ja, wie gut<br />

sie aussieht. Aber das war ja lächerlich! Jetzt (mit zweiundfünfzig)<br />

sieht sie besser aus, <strong>als</strong> ich mit dreissig! Sie trinkt ihren<br />

Whisky, ist eine Nachteule und treibt ihre Spässe und sieht<br />

immer noch grossartig aus. Was immer sie mimisch von sich<br />

gibt, ist echt und stimmt – nichts gekünstelt."<br />

Wie <strong>Ingrid</strong> Lars gegenüber zugab, hatte sie an Quintero<br />

mehr auszusetzen, <strong>als</strong> er an ihr, und die Atmosphäre war viel<br />

angespannter <strong>als</strong> seinerzeit mit John Frankenheimer oder Ted<br />

Kotcheff. Zeitweise fand er sie gar nicht so "anbe<strong>tu</strong>ngswürdig".<br />

"Zugegeben, ich trieb den armen José zur Verzweiflung. Es ist<br />

ja bekannt, wie sicher ich meiner Sache bin." Die Wahrheit ist<br />

allerdings, dass sie ihrer Sache gar nicht so sicher war – daher<br />

die Zusammenstösse. Während den Pr<strong>ob</strong>en rief sie Quintero<br />

laut zu: "Oh, das ist f<strong>als</strong>ch!" und dann äusserte sie sich auch<br />

noch zu den Kommentaren, die andere Schauspieler zu seiner<br />

Regieführung abgaben. Diese Szenen wiederholten sich so oft,<br />

bis der Regisseur "ausrastete, mich anbrüllte und mich ausschimpfte"<br />

– und später sah sie ein, dass er damit vollkommen<br />

im Recht war.<br />

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