Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman
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ter. Sie war zu alt für Natalia, doch hat das niemanden gekümmert. Was also nun? Und eben dann, wie auf Bestellung, meldete sich Kay Brown im März am Telefon. Sie hatte eine Anfrage von Theater-Direktor Elliot Martin, der an einem unvollendeten Text von Eugene O'Neills letztem Stück "More Stately Mansions" arbeitete. Der Schriftsteller hatte angeordnet, dass nach seinem Tod alle seine unvollendeten Stücke zu vernichten seien, aber dieses eine tauchte in einer Bibliothek der Universität Yale auf und wurde, im Einverständnis mit O'Neills Witwe, 1962 in Stockholm zu einer provisorischen Aufführung gebracht. Nun teilte sich José Quintero, der 1946 "The Iceman Cometh" und eine Dekade später "Long Day's Journey into Night" leitete, mit Martin in die Textüberarbeitung, indem sie das sprühende Märchen einer neurotischen Familie im Boston des 19. Jahrhunderts schnitten und neu arrangierten. "Das unvollendete Manuskript war etwa eineinviertel Inch dick, wie O'Neill es geschrieben hatte, und in dieser Form hätte es einer fünfstündigen Aufführung entsprochen", erinnerte sich Elliot Martin. "Unvollständig und ungenau, war es auch über viele Seiten in O'Neills winziger Handschrift geschrieben." Im September wollte Martin das neue, zweitausendplätzige Ahmanson-Theater in Los Angeles mit der amerikanischen Premiere von "More Stately Mansions" eröffnen, wozu er zusätzlich zu den beiden andern begabten Schauspielern, Colleen Dewhurst und Arthur Hill, unbedingt Ingrid gewinnen wollte. Sie sollte die Rolle von Deborah Harford übernehmen, einer Ehefrau und Mutter, die so gierig auf Besitztum und die Seelen anderer ausgerichtet war, dass sie sich in einer fiktiven Welt von Machtwahn verlor. Sehr ähnlich wie Christa Mannon in "Mourning Becomes Electra" (eine Rolle, die Ingrid dieses Jahr ebenfalls ins Auge fasste), plant und erduldet Deborah vieles, um die Kontrolle über ihren introvertierten, idealistischen Sohn gegenüber dessen ebenso entschlossener Frau zu behalten. In einer inzestösen Fantasie verloren und rachsüchtig, befindet sie sich im Zentrum eines Strudels von Materialismus und 528
Habgier, die nicht nur eine Familie, sondern – andeutungsweise – auch eine ganze entartete Gesellschaft infizieren. "More Stately Mansions" war von "A Touch of the Poet" inspiriert und teilte das Schicksal der Melody-Familie; es war eines der neun Stücke im von O'Neill geplanten Zyklus zum Thema des Schnittpunkts zwischen amerikanischer Sozial- und Familiengeschichte. Vor mehr als zwanzig Jahren, als Ingrid Anna Christie spielte, wurde sie vom Schriftsteller persönlich eingeladen, sich für die gesamten geplanten Serien zu verpflichten. Als Martin und Quintero am 2. April zur Besprechung des Scripts in Choisel eintrafen, betrachtete sie die Angelegenheit somit als eine Erfülling ihrer Theater-Laufbahn. Mit Lars' Zustimmung sagte Ingrid sofort zu, diese zutiefst unsympathische Rolle zu spielen. Im Juli begab sie sich nach Dannholmen, wo sie las und das in Arbeit befindliche Stück studierte, täglich auf den sonnenexponierten Felsen sass und in ihren Gedanken vom Rauschen des Meeres begleitet wurde. Inzwischen ist die Kunde vom Aufbegehren gewisser Verwaltungsräte des Ahmanson durchgedrungen, denen zufolge Ingrid Bergmans Name umsatzschädigend sei – ob denn nicht Jessica Tandy die bessere Wahl wäre? Martin und Quintero blieben fest, der Verwaltungsrat fügte sich murrend, und alle erwarteten Ingrid Bergmans erstmalige Rückkehr zur Amerikanischen Bühne seit über 20 Jahren. AM 3. AUGUST traf sie in Los Angeles ein und stand einem 175-köpfigen Korps der Weltpresse gegenüber. Aus Rücksicht auf den Umstand, dass sie Isabella in letzter Zeit übermässig viel Zeit gewidmet hatte und nun auch ihr Zwilling dringend etwas Zuwendung durch die Mutter benötigte, brachte sie die kleine Ingrid zu einem langen Besuch in Kalifornien mit. "Am Flughafen stellten die Reporter einige grobe Fragen zu Dingen, die mittlerweile achtzehn Jahre zurücklagen", be- 529
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Habgier, die nicht nur eine Familie, sondern – andeu<strong>tu</strong>ngsweise<br />
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Familiengeschichte. Vor mehr <strong>als</strong> zwanzig Jahren, <strong>als</strong> <strong>Ingrid</strong><br />
Anna Christie spielte, wurde sie vom Schriftsteller persönlich<br />
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Als Martin und Quintero am 2. April zur Besprechung<br />
des Scripts in Choisel eintrafen, betrachtete sie die Angelegenheit<br />
somit <strong>als</strong> eine Erfülling ihrer Theater-Laufbahn. Mit Lars'<br />
Zustimmung sagte <strong>Ingrid</strong> sofort zu, diese zutiefst unsympathische<br />
Rolle zu spielen.<br />
Im Juli begab sie sich nach Dannholmen, wo sie las und<br />
das in Arbeit befindliche Stück s<strong>tu</strong>dierte, täglich auf den sonnenexponierten<br />
Felsen sass und in ihren Gedanken vom Rauschen<br />
des Meeres begleitet wurde. Inzwischen ist die Kunde<br />
vom Aufbegehren gewisser Verwal<strong>tu</strong>ngsräte des Ahmanson<br />
durchgedrungen, denen zufolge <strong>Ingrid</strong> <strong>Bergman</strong>s Name umsatzschädigend<br />
sei – <strong>ob</strong> denn nicht Jessica Tandy die bessere<br />
Wahl wäre? Martin und Quintero blieben fest, der Verwal<strong>tu</strong>ngsrat<br />
fügte sich murrend, und alle erwarteten <strong>Ingrid</strong> <strong>Bergman</strong>s<br />
erstmalige Rückkehr zur Amerikanischen Bühne seit über 20<br />
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AM 3. AUGUST traf sie in Los Angeles ein und stand einem<br />
175-köpfigen Korps der Weltpresse gegenüber. Aus Rücksicht<br />
auf den Umstand, dass sie Isabella in letzter Zeit übermässig<br />
viel Zeit gewidmet hatte und nun auch ihr Zwilling<br />
dringend etwas Zuwendung durch die Mutter benötigte, brachte<br />
sie die kleine <strong>Ingrid</strong> zu einem langen Besuch in Kalifornien<br />
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