Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

In der strengen schwedischen Filmtradition der 1930er- Jahre erzogen, wurde sie in den Vierzigerjahren durch die anspruchsvolle Hollywood-Routine vom Erfolg gekrönt. Niemand und nichts hatte sie auf Rossellini vorbereitet – ausser vielleicht ihre erste Ehe. War sie während eines Dutzends von Jahren einem diktatorischen Ehemann unterworfen, fand sie sich jetzt in einer ähnlichen Situation. War ihre bisherige Reaktion darauf Flucht, so verharrte sie jetzt an der Stelle, zu der sie von ihrem Schicksal geführt wurde – worüber sich Ingrid Bergman selbst am meisten gewundert haben mag. Über ihre tiefe Frustration während ihrer Jahre in Italien erzählte sie nur, dass sie zwar wieder zu überfuttern begann, von ihren Problemen und ihrem Kummer aber schlank gehalten wurde; "die Spaghetti konnten mir nichts anhaben – ich wurde dünner und dünner". Wohlgemerkt, natürlich, vor und nach ihren Schwangerschaften. Als 1952 die Wintertage länger wurden und der Frühling nahte, war Ingrid ungewöhnlich breit – eine Entwicklung, die ihr einige Sorge bereitete, bis ihr Arzt ihr bestätigte, dass sie Zwillinge erwartete. Die Geburt der Kinder wurde im Juni erwartet, weshalb Ingrid im April einem Gericht in Los Angeles beantragte, ihr Pia während des Sommers zu überlassen, gegen Petters starrhalsige Versicherung, sie aus Angst vor Rossellinis Einfluss nie nach Italien gehen zu lassen. Es sei weder möglich noch sinnvoll, die Neugeborenen für einen Besuch in Kalifornien zurückzulassen, erklärte Ingrid; ausserdem könnten die öffentlichen Reaktionen auf ihre Rückkehr nach Amerika für Pia sehr unangenehm sein. Unter andern Freunden und Kollegen setzte sich David Selznick bei Gericht sehr intensiv für Ingrid ein. Er und Irene hatten Ingrid mehrfach in Rom und Santa Marinella besucht, weshalb er einen typischen, in Länge und Inhalt eindrücklichen Brief an den mit dem Fall betrauten Richter sandte. Ingrid und Roberto seien die aufopferndsten Eltern, behauptete er, während Lindström offensichtlich ein verbittert rachsüchtiger Vater sei, dem es nur darum gehe, Pias Beziehung zu ihrer Mutter zu zerstören. Selznick stellte die rhetorische Frage, wie lange 446

sie denn noch leiden müsse, wie lange noch ausharren in der Rolle der schuldbeladenen Magdalena. Dann fand sich aber ein noch wertvollerer Zeuge für Ingrids Charakter und Robertos heiles Heim in der Person von Richter Thurmond Clarke, der Lindström 1950 die Scheidung gewährte. Er hatte die Rossellinis einmal in Santa Marinella besucht und bestätigte, dass Pia in einer sicheren und liebevollen Umgebung aufgenommen würde: "Ich würde sagen, dass das Verhalten der Rossellinis ihren Kindern gegenüber (Robertino und Renzo, der auf Besuch weilte) liebevoll und aufopfernd ist. Es war, was Sie als 'glückliches Familienleben' bezeichnen würden." Er könnte noch beigefügt haben 'ein fröhlich-chaotisches', wie es sich für Roberto geziemt. Das Hauspersonal in Santa Marinella wurde ergänzt durch sechs Hunde, eine Schar Hühner, die frei ums Haus herum streiften, einige Möven und was immer sich sonst noch an fremden Kreaturen aus der Umgebung des Hauses dazu entschloss, dem Anwesen einen längeren Besuch abzustatten. Petter seinerseits reichte inzwischen eine einundzwanzigseitige eidesstattliche Erklärung ein, mit welcher er den Antrag seiner Frau auf Gewährung des erbetenen Besuchsrechts seiner Tochter zurückwies – und zur Dokumentation seiner moralischen Erniedrigung fügte er gleich noch Ingrids Brief an ihn vom 3. April 1949 hinzu, den sie ihm vom Albergo Luna Convento aus schrieb ("Lieber Petter, es wird dir sehr schwer fallen, dieses zu lesen...."). Die Unterstützung, die Ingrid von Selznick, Clarke und andern erhielt, war nutzlos und ihr Antrag wurde abgelehnt, denn Petter hatte sich noch mit dem psychiatrischen Gutachten eines Psychiaters namens Charles Sturdevant bewaffnet, welches bestätigte, dass eine Reise nach Italien für Pia eine emotionale Gefahr darstellen würde. Was er verschwieg, war Petters Bemerkung zu einem Kollegen, wonach er (Petter) "im Falle einer Anfrage an Pia schon dafür sorgen würde, dass sie eine Reise nach Italien selbst ablehnen würde." 447

In der strengen schwedischen Filmtradition der 1930er-<br />

Jahre erzogen, wurde sie in den Vierzigerjahren durch die anspruchsvolle<br />

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und nichts hatte sie auf Rossellini vorbereitet – ausser vielleicht<br />

ihre erste Ehe. War sie während eines Dutzends von<br />

Jahren einem diktatorischen Ehemann unterworfen, fand sie<br />

sich jetzt in einer ähnlichen Si<strong>tu</strong>ation. War ihre bisherige Reaktion<br />

darauf Flucht, so verharrte sie jetzt an der Stelle, zu<br />

der sie von ihrem Schicksal geführt wurde – worüber sich <strong>Ingrid</strong><br />

<strong>Bergman</strong> selbst am meisten gewundert haben mag. Über<br />

ihre tiefe Frustration während ihrer Jahre in Italien erzählte sie<br />

nur, dass sie zwar wieder zu überfuttern begann, von ihren<br />

Pr<strong>ob</strong>lemen und ihrem Kummer aber schlank gehalten wurde;<br />

"die Spaghetti konnten mir nichts anhaben – ich wurde dünner<br />

und dünner". Wohlgemerkt, natürlich, vor und nach ihren<br />

Schwangerschaften. Als 1952 die Wintertage länger wurden<br />

und der Frühling nahte, war <strong>Ingrid</strong> ungewöhnlich breit – eine<br />

Entwicklung, die ihr einige Sorge bereitete, bis ihr Arzt ihr bestätigte,<br />

dass sie Zwillinge erwartete.<br />

Die Geburt der Kinder wurde im Juni erwartet, weshalb<br />

<strong>Ingrid</strong> im April einem Gericht in Los Angeles beantragte, ihr<br />

Pia während des Sommers zu überlassen, gegen Petters<br />

starrh<strong>als</strong>ige Versicherung, sie aus Angst vor Rossellinis Einfluss<br />

nie nach Italien gehen zu lassen. Es sei weder möglich<br />

noch sinnvoll, die Neugeborenen für einen Besuch in Kalifornien<br />

zurückzulassen, erklärte <strong>Ingrid</strong>; ausserdem könnten die<br />

öffentlichen Reaktionen auf ihre Rückkehr nach Amerika für<br />

Pia sehr unangenehm sein.<br />

Unter andern Freunden und Kollegen setzte sich David<br />

Selznick bei Gericht sehr intensiv für <strong>Ingrid</strong> ein. Er und Irene<br />

hatten <strong>Ingrid</strong> mehrfach in Rom und Santa Marinella besucht,<br />

weshalb er einen typischen, in Länge und Inhalt eindrücklichen<br />

Brief an den mit dem Fall betrauten Richter sandte. <strong>Ingrid</strong> und<br />

R<strong>ob</strong>erto seien die aufopferndsten Eltern, behauptete er, während<br />

Lindström offensichtlich ein verbittert rachsüchtiger Vater<br />

sei, dem es nur darum gehe, Pias Beziehung zu ihrer Mutter<br />

zu zerstören. Selznick stellte die rhetorische Frage, wie lange<br />

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