Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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29.01.2013 Aufrufe

extreme Massnahme unvorstellbar gewesen wäre. Und für Pia, die womöglich Zeitungsberichte mit Bildern von ihrer wie ein gewöhnlicher Verbrecher in Handschellen abgeführten Mutter zu sehen bekommen hätte, wäre das – worin sich auch Petter und Roberto einig waren – viel traumatischer gewesen. Die Presse, soviel war klar, hätte solche Neuigkeiten als die Story des Jahrhunderts ausgeschlachtet. "Das Schlimmste an der ganzen Sache", so Ingrid, "war, dass ich meiner Tochter wehtun musste. Ihr das antun zu müssen, wo sie doch keinerlei Schuld an allem hatte – das machte mich krank. Nichts anderes, was immer in meinem Leben sonst noch passierte, machte mich so kaputt." IN DIESEM JAHR LEBTEN die Leute in Hollywood bereits unter den schlimmsten Verdächtigungen der ganzen Filmgeschichte. Das House Committee on Un-American Activities (HUAC) war am Herumwüten, durchwühlte das Leben der Filmemacher, Autoren, Schauspieler und sogar Kunstprofessoren im Bestreben, auch das geringste Anzeichen von kommunistischem Umtrieb unter "gefährlichen" Künstlern und Intellektuellen im Keime zu ersticken. Wenn verräterische Amerikaner nicht entlarvt würden (so die allgemeine Meinung), würden die Russen in die Häuser schleichen, während die anständigen Amerikaner schliefen, und plötzlich wäre Amerika unter der Kontrolle der Sowjets. Die Verräter seien vermutlich schon an ihren Plänen, wie sie das Gehirn unschuldiger Amerikaner atomisieren könnten: nach Meinung einer sehr aktiven (und fehlgeleiteten) Bürgergruppe, würde Amerika betäubt, sobald es den Kommunisten gelänge, die nationale Wasserversorgung mit Fluorid zu verseuchen. Diese Paranoia, die das Nachkriegs-Amerika erfasste, hatte mehrere Ursachen. Die erste von allen war, dass China 1949 unter kommunistische Herrschaft geriet. Im gleichen Jahr kündigte Moskau die Zündung einer Atombombe an. Kommunistische Truppen bereiteten Anfang 1950 einen Krieg gegen das von Amerika unterstützte Korea vor. Und dann gab 428

es – unglücklicherweise – einige Fälle von Spionage und Verrat an der Heimfront. Dies alles nährte eine schreckliche Verängstigung unter der Bevölkerung. Der Triumph über den Faschismus in Europa und die bisher in diesem Umfang unvorstellbare Machtdemonstration Amerikas durch die beiden Atombomben am Ende des zweiten Weltkriegs bewirkten die unausgesprochene Vorstellung, dass Amerika so etwas wie einen göttlichen Auftrag habe, alles "Reine" im Zusammenhang mit den amerikanischen Wertvorstellungen und Erfolgszielen zu beschützen. Im Juni 1949 zeugten Friede und Prosperität für die Richtigkeit dieser Theorie. Unter solchen Umständen entsteht gerne eine gewisse moralische Selbstgefälligkeit, die an sich ausgefallene und unausgesprochene Vorstellung, Gott sei ein Amerikaner. So verschmelzen Stolz und Paranoia. Alles begann im Oktober 1947, als das HUAC, das unbeaufsichtigt von einem Kongresskommittee amerikanische Intellektuelle nach verdächtigen Aktivitäten auszuforschen begann, sich in zunehmendem Masse der Methoden mittelalterlicher Kreuzritter bediente. 19 Prominente in Hollywood wurden vorgeladen, über ihre Verwicklung in kommunistische Aktivitäten auszusagen. Die erste Gruppe (die als die "Hollywood Ten" bekannt wurde) verweigerte zunächst die Aussage und verlor prompt ihre Jobs, wurde mit Gefängnis bestraft und wegen Missachtung des Kongresses gebüsst. *) Studio- Direktoren verurteilten diese Hexenjagd zuerst, aber nachdem sie mit dem Verlust der finanziellen Unterstützung durch die Ostküsten-Banken bedroht wurden, erwiesen sie sich als Freunde des HUAC. Die innigste Loyalität des Moguls gilt immer dem Kassier. Deshalb auch die Heucheleien über den Kassenerfolg von "Stromboli". In kurzer Folge wurden jene, die verdächtigt waren, über kommunistische Verbindungen zu verfügen – oder gar *) Die "Hollywood Ten": Autoren Alva Bessie, Lester Cole, Ring Lardner Jr., John Howard Lawson, Albert Maltz, Samuel Ornitz, Adrian Scott und Dalton Trumbo; und Regisseure Herbert Biberman und Edward Dmytryk. 429

es – unglücklicherweise – einige Fälle von Spionage und Verrat<br />

an der Heimfront. Dies alles nährte eine schreckliche Verängstigung<br />

unter der Bevölkerung.<br />

Der Triumph über den Faschismus in Europa und die<br />

bisher in diesem Umfang unvorstellbare Machtdemonstration<br />

Amerikas durch die beiden Atombomben am Ende des zweiten<br />

Weltkriegs bewirkten die unausgesprochene Vorstellung, dass<br />

Amerika so etwas wie einen göttlichen Auftrag habe, alles<br />

"Reine" im Zusammenhang mit den amerikanischen Wertvorstellungen<br />

und Erfolgszielen zu beschützen. Im Juni 1949<br />

zeugten Friede und Prosperität für die Richtigkeit dieser Theorie.<br />

Unter solchen Umständen entsteht gerne eine gewisse<br />

moralische Selbstgefälligkeit, die an sich ausgefallene und<br />

unausgesprochene Vorstellung, Gott sei ein Amerikaner. So<br />

verschmelzen Stolz und Paranoia.<br />

Alles begann im Okt<strong>ob</strong>er 1947, <strong>als</strong> das HUAC, das unbeaufsichtigt<br />

von einem Kongresskommittee amerikanische<br />

Intellek<strong>tu</strong>elle nach verdächtigen Aktivitäten auszuforschen<br />

begann, sich in zunehmendem Masse der Methoden mittelalterlicher<br />

Kreuzritter bediente. 19 Prominente in Hollywood<br />

wurden vorgeladen, über ihre Verwicklung in kommunistische<br />

Aktivitäten auszusagen. Die erste Gruppe (die <strong>als</strong> die "Hollywood<br />

Ten" bekannt wurde) verweigerte zunächst die Aussage<br />

und verlor prompt ihre J<strong>ob</strong>s, wurde mit Gefängnis bestraft und<br />

wegen Missach<strong>tu</strong>ng des Kongresses gebüsst. *) S<strong>tu</strong>dio-<br />

Direktoren verurteilten diese Hexenjagd zuerst, aber nachdem<br />

sie mit dem Verlust der finanziellen Unterstützung durch die<br />

Ostküsten-Banken bedroht wurden, erwiesen sie sich <strong>als</strong><br />

Freunde des HUAC. Die innigste Loyalität des Moguls gilt immer<br />

dem Kassier. Deshalb auch die Heucheleien über den<br />

Kassenerfolg von "Stromboli".<br />

In kurzer Folge wurden jene, die verdächtigt waren,<br />

über kommunistische Verbindungen zu verfügen – oder gar<br />

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Die "Hollywood Ten": Autoren Alva Bessie, Lester Cole, Ring Lardner<br />

Jr., John Howard Lawson, Albert Maltz, Samuel Ornitz, Adrian Scott<br />

und Dalton Trumbo; und Regisseure Herbert Biberman und Edward<br />

Dmytryk.<br />

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