Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

Sein Abgang war wohl seiner unwürdig, denn Rossellini hatte dieses Jahr noch Pläne für einen weiteren Film mit Magnani, der so ähnlich wie "Aria di Roma" heissen sollte. "Wir verbrachten Monate mit den Vorbereitungen für die Dreharbeiten des Films", sagte Magnani einem amerikanischen Journalisten, und ihre Aussagen werden durch zeitgenössische italienische Presseausschnitte bestätigt. 380 Die Geschichte lag vor, die Besetzung war bereit, der Vertrag mit dem Produzenten unterzeichnet. Dann, mitten im ganzen Projekt, verschwand Rossellini in die Vereinigten Staaten und zu Ingrid Bergman. Ich verurteile ihn nicht für meine Behandlung als Frau, aber ich nehme ihm meine Beleidigung als Künstlerin übel. Im Gegensatz zu Petter Lindström, auf den in jeder Situation Verlass war, war Roberto Rossellini eine Person mit vielen Gesichtern. Und sehr vieles in seinem Leben und in seiner Beziehung zu Ingrid Bergman wurde im Hinblick auf Rossellinis "Genius" zu wohlwollend dargestellt (wenn nicht gar entschuldigt). Darin liegt einiger Diskussionsstoff. In einem ganz speziellen Moment der italienischen Geschichte machte Rossellini aus einer brutalen Realität eine noble Tugend. Mit bescheidenstem Aufwand an traditioneller Filmtechnologie hatte er "Open City" und "Paisà" produziert und der Filmgeschichte damit ein neues Modewort geschenkt – Neorealismus, als wäre es eine von einem strengen Theoretiker brillant entwickelte Methode. (Der Fanfarenstoss und die grundlegende Theorie waren schon vom Schriftsteller Cesare Zavattini, dem grossen Mitarbeiter von Vittorio de Sicca, beschrieben worden.) Aber es ist festzuhalten, dass Federico Fellini die Story lieferte, den roten Faden für die Figuren des Films und die meisten Dialoge von "Open City". Rossellini, gesegnet mit Darstellern wie Magnani, Fellini und Co., wusste genau, was mit der Kamera zu tun: er tat sehr wenig, wie er sagte. Die Kamera hatte nichts anderes als ein folgsamer Beobachter zu sein.

Nach "Open City" gab's dann Probleme. "Paisà" hatte Momente von echter Grösse und war bestimmt ein wertvoller Tribut an den Triumph des menschlichen Geistes. Aber wenn gute Absichten per se für gute Kunst stünden, wären alle Heiligen Aestheten, und "Paisà" litt an einem Übermass an Ideen und einem Mangel an dem, was man künstlerisches Masshalten nennen könnte. Und dann war "Germania anno zero" (Deutschland im Jahr Null) eine Kriegs-Horrorgeschichte, ein trockenes und gespanntes Abbild der Dekadenz in Berlin und des Kriegsendes, in dem der Glanz des Schreckens mit Tiefgang verwechselt wurde. Magnani war für ihn wieder stark in "Una voce humana" (Eine menschliche Stimme), aber das war eine Eins-zu-eins- Ausgabe des Cocteau-Stücks. Was "Il Miracolo" (Das Wunder) angeht, waren auch seine Qualitäten Magnani zu verdanken, wie auch Fellini (als Autor und Schauspieler) und Tullio Pinelli, der mit Fellini das Script bearbeitete. Für "La macchina ammazzacattivi" (Die Maschine, die die Bösen tötet) gilt: je weniger darüber sprechen, desto besser – wie auch Rossellini wusste, denn er gab den Film auf. Das war es, was die Wissenschafter damals als Roberto Rossellinis Werk bezeichneten, bis zum Zeitpunkt, als er Ingrid traf. Es war bestimmt eine respektable Produktion, aber selbst unter Berücksichtigung seines beachtlichen Lebenswerks, ist die Feststellung wenigstens zulässig, dass Rossellini die herausragende Fantasie eines Fellini oder der lyrische Humanismus eines Vittorio de Sicca fehlte. Es ist etwas Schönes, der Welt ein oder zwei brillante Werke zu schenken, aber vielleicht rechtfertigt das nicht die überschäumende Bewunderung durch seine eifrigsten Jünger.*) *) Rossellinis Spätwerk im Dokumentar-Genre und für das Fernsehen bedarf einer gesonderten Beurteilung, und es ist festzustellen, dass es sich dabei um wertvolle Lehrmittel handelt. In den letzten Jahren seines Lebens erwies er sich als ein erstrangiger Fachlehrer. 381

Nach "Open City" gab's dann Pr<strong>ob</strong>leme. "Paisà" hatte<br />

Momente von echter Grösse und war bestimmt ein wertvoller<br />

Tribut an den Triumph des menschlichen Geistes. Aber wenn<br />

gute Absichten per se für gute Kunst stünden, wären alle Heiligen<br />

Aestheten, und "Paisà" litt an einem Übermass an Ideen<br />

und einem Mangel an dem, was man künstlerisches Masshalten<br />

nennen könnte. Und dann war "Germania anno zero"<br />

(Deutschland im Jahr Null) eine Kriegs-Horrorgeschichte, ein<br />

trockenes und gespanntes Abbild der Dekadenz in Berlin und<br />

des Kriegsendes, in dem der Glanz des Schreckens mit Tiefgang<br />

verwechselt wurde.<br />

Magnani war für ihn wieder stark in "Una voce humana"<br />

(Eine menschliche Stimme), aber das war eine Eins-zu-eins-<br />

Ausgabe des Cocteau-Stücks. Was "Il Miracolo" (Das Wunder)<br />

angeht, waren auch seine Qualitäten Magnani zu verdanken,<br />

wie auch Fellini (<strong>als</strong> Autor und Schauspieler) und Tullio Pinelli,<br />

der mit Fellini das Script bearbeitete. Für "La macchina<br />

ammazzacattivi" (Die Maschine, die die Bösen tötet) gilt: je<br />

weniger darüber sprechen, desto besser – wie auch Rossellini<br />

wusste, denn er gab den Film auf.<br />

Das war es, was die Wissenschafter dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> R<strong>ob</strong>erto<br />

Rossellinis Werk bezeichneten, bis zum Zeitpunkt, <strong>als</strong> er <strong>Ingrid</strong><br />

traf. Es war bestimmt eine respektable Produktion, aber selbst<br />

unter Berücksichtigung seines beachtlichen Lebenswerks, ist<br />

die Feststellung wenigstens zulässig, dass Rossellini die herausragende<br />

Fantasie eines Fellini oder der lyrische Humanismus<br />

eines Vittorio de Sicca fehlte. Es ist etwas Schönes, der<br />

Welt ein oder zwei brillante Werke zu schenken, aber vielleicht<br />

rechtfertigt das nicht die überschäumende Bewunderung durch<br />

seine eifrigsten Jünger.*)<br />

*) Rossellinis Spätwerk im Dokumentar-Genre und für das Fernsehen<br />

bedarf einer gesonderten Beurteilung, und es ist festzustellen, dass<br />

es sich dabei um wertvolle Lehrmittel handelt. In den letzten Jahren<br />

seines Lebens erwies er sich <strong>als</strong> ein erstrangiger Fachlehrer.<br />

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