Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

ES FIEL ROBERTO NICHT LEICHT, Amalfi zu verlassen, wo er "La Macchina ammazzacattivi" filmte. Magnani besuchte ihn an den Wochenenden, wobei es ihm etwelche Mühe bereitete, ihr zu entkommen. Als die Arrangements für Paris schliesslich vorlagen, sagte er dem Hotelportier: "Ich erwarte ein Telegramm, aber geben Sie es mir nicht, bevor ich Sie darum bitte – verstehen Sie?" Verstanden. Als Roberto jenen Abend mit Leuten seiner Crew dinierte, kam der Portier heran und erklärte mit klarer, pflichteifriger Stimme: "Herr Rossellini, wenn Sie das Telegramm möchten, das ich Ihnen nicht geben soll, bevor Sie mich darum bitten, kann ich es Ihnen jetzt geben." Glücklicherweise hielt sich Magnani etwas abseits vom Tisch auf, weil ansonsten die Teller und Gläser auf dem Tisch möglicherweise nicht überlebt hätten. Ungestüm und oft gewalttätig, wie sie war, hatte sie die fröhliche Gewohnheit, ihn mit einer Portion dampfender Pasta zu krönen, wenn sie vor Eifersucht überschäumte. Roberto, seinerseits weitherum für seine Leidenschaft für Sportwagenrennen bekannt, verfuhr ebenfalls schnell und rücksichtslos mit Frauen. Diesen Sommer jonglierte er wenigstens deren fünf: Anna Magnani, seine Mätresse seit 1944; Marilyn Buferd (Miss America 1946, die in seinem aktuellen Fim spielte; Roswita Schmidt, eine deutsche Nachtclub-Tänzerin, nun vornehmlich Ex-Geliebte aber immer noch für gelegentlichen Zeitvertreib gefragt; eine ungarische Blondine namens Ava; und dann und wann seine von ihm getrennt lebende Frau Marcella de Marchis, zu der er eine auf eigenartige Weise wenigstens emotional treue Beziehung unterhielt. Ingrid wusste von diesem Harem nichts, als sie ihn kennenlernte. ROBERTO ROSSELLINI WAR neun Jahre älter als Ingrid. Am 8. Mai 1906 in Rom geboren, war er der älteste von vier Söhnen eines Architekten, der den Corso und die Barberini Theater in Rom gebaut hatte und seinen Sohn lehrte, mit technischen Gerätschaften herumzubasteln, worunter auch mit Kameras und Projektoren. In einem intellektuellen Umfeld auf- 364

gewachsen, wurde Roberto von seinem Vater sinnlos verwöhnt. Als er eines Abend nachhause zurückgekehrt war, verlangte er von seinem Vater das Geld für den Taxifahrer. "Natürlich", sagte Herr Rossellini, während er nach seiner Brieftasche griff; woher sein Sohn denn komme? "Neapel", antwortete Roberto ohne mit der Wimper zu zucken. Papa lachte und gab ihm das Geld für die 150-Meilen-Fahrt. Der junge Roberto kehrte irgendwann der Schule den Rücken und arbeitete dann in Gelegenheitsjobs im Verlagswesen; jeden freien Moment verbrachte er im Kino. Von Flugzeugen und Rennwagen fasziniert, wurde er in Rom auch als so etwas wie ein moderner Casanova bekannt, wo ihm seine Umgangsformen und sein Charme Zutritt sowohl zur Prominenz wie auch zu zweifelhaften Kreisen verschafften. Unter seinen frühen Liebschaften war ein hübsches französisches Mädchen namens Titi Michelle, der er durch halb Europa folgte, bevor er ihre lautstarke Abfuhr akzeptierte. Nach Meinung gewisser Leute war dies das einzige Mal, dass er "nein" als Antwort verstand. Aber etwas Seltsames geschah, als Roberto mit etwa zwanzig Jahren aus nie völlig geklärten Gründen von seinen Eltern in eine psychiatrische Klinik in der Umgebung von Neapel eingewiesen wurde. Das offizielle Dokument (das für einen erfolglosen Visa-Antrag, den Rossellini 1946 und 1948 für Amerika stellte, in die englische Sprache übersetzt wurde) hielt lediglich fest, dass "seine Eltern ihn von dem, was sie als eine jugendliche Leidenschaft bezeichneten, ablenken wollten, die sie zu jener Zeit als gefährlich und für ihn unvorteilhaft ansahen". Das war ein Meisterstück der Verschleierung, das auf unterschiedlichste Arten interpretiert wurde: Rossellini geriet in eine Bande von drogenabhängigen Jugendlichen; Rossellini trieb Exzesse mit seinem Sportwagenwahn; Rossellini verliebte sich in eine unerwünschte Frau. Erzwungene Asylierung wäre ein starkes Mittel gegen diese Tendenzen gewesen und nichts im Wesen seiner Eltern hätte darauf hingewiesen, dass sie es ihrem Jungen ohne zwingende Notwendigkeit zugemutet hätten. Im Gegenteil, es wurde festgestellt (u.a. von Jenia 365

gewachsen, wurde R<strong>ob</strong>erto von seinem Vater sinnlos verwöhnt.<br />

Als er eines Abend nachhause zurückgekehrt war, verlangte<br />

er von seinem Vater das Geld für den Taxifahrer. "Natürlich",<br />

sagte Herr Rossellini, während er nach seiner Brieftasche<br />

griff; woher sein Sohn denn komme? "Neapel", antwortete<br />

R<strong>ob</strong>erto ohne mit der Wimper zu zucken. Papa lachte und<br />

gab ihm das Geld für die 150-Meilen-Fahrt.<br />

Der junge R<strong>ob</strong>erto kehrte irgendwann der Schule den<br />

Rücken und arbeitete dann in Gelegenheitsj<strong>ob</strong>s im Verlagswesen;<br />

jeden freien Moment verbrachte er im Kino. Von Flugzeugen<br />

und Rennwagen fasziniert, wurde er in Rom auch <strong>als</strong> so<br />

etwas wie ein moderner Casanova bekannt, wo ihm seine Umgangsformen<br />

und sein Charme Zutritt sowohl zur Prominenz<br />

wie auch zu zweifelhaften Kreisen verschafften. Unter seinen<br />

frühen Liebschaften war ein hübsches französisches Mädchen<br />

namens Titi Michelle, der er durch halb Europa folgte, bevor er<br />

ihre lautstarke Abfuhr akzeptierte. Nach Meinung gewisser<br />

Leute war dies das einzige Mal, dass er "nein" <strong>als</strong> Antwort verstand.<br />

Aber etwas Seltsames geschah, <strong>als</strong> R<strong>ob</strong>erto mit etwa<br />

zwanzig Jahren aus nie völlig geklärten Gründen von seinen<br />

Eltern in eine psychiatrische Klinik in der Umgebung von Neapel<br />

eingewiesen wurde. Das offizielle Dokument (das für einen<br />

erfolglosen Visa-Antrag, den Rossellini 1946 und 1948 für<br />

Amerika stellte, in die englische Sprache übersetzt wurde) hielt<br />

lediglich fest, dass "seine Eltern ihn von dem, was sie <strong>als</strong> eine<br />

jugendliche Leidenschaft bezeichneten, ablenken wollten, die<br />

sie zu jener Zeit <strong>als</strong> gefährlich und für ihn unvorteilhaft ansahen".<br />

Das war ein Meisterstück der Verschleierung, das auf<br />

unterschiedlichste Arten interpretiert wurde: Rossellini geriet in<br />

eine Bande von drogenabhängigen Jugendlichen; Rossellini<br />

trieb Exzesse mit seinem Sportwagenwahn; Rossellini verliebte<br />

sich in eine unerwünschte Frau. Erzwungene Asylierung wäre<br />

ein starkes Mittel gegen diese Tendenzen gewesen und nichts<br />

im Wesen seiner Eltern hätte darauf hingewiesen, dass sie es<br />

ihrem Jungen ohne zwingende Notwendigkeit zugemutet hätten.<br />

Im Gegenteil, es wurde festgestellt (u.a. von Jenia<br />

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