Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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29.01.2013 Aufrufe

und arrivierte Filmautoren. PETTER UND PIA WAREN Mitte August London-Touristen, während sich Ingrid an Wochenenden zu Ausflügen zu ihnen gesellte; für den Moment schien im Interesse des Kindes ein trügerischer Waffenstillstand zu herrschen. Was das geplante Treffen mit Rossellini anbelangt, so hing dies von Hitchcocks Terminplänen für die Dreharbeiten ab. Ingrid sagte Hitchcock nur, dass ihr Mann zur Feier ihres Geburtstages mit ihr nach Paris fahren wolle, und dafür stellte er seine ganzen Pläne bereitwillig um. So war das Rossellini-Bergman- Lindström-Treffen zum Lunch im Hotel George V in Paris auf Samstag, 28. August geplant – ein gutes Vorzeichen, sagte Ingrid, denn tags darauf feierte sie ihren 33. Geburtstag. Aber Petter hatte schlechte Nachrichten: er erzählte ihr, dass er während des Sommers von Selznicks Leuten erfahren habe, dass es Schwierigkeiten gebe, mit Rossellini, der mit unnachgiebiger Härte verhandle, zu einem Vertragsabschluss zu kommen. Für Ingrid war das typisches Hollywood-Palaver. Sie wollte mit dem grossen Regisseur einen Film machen, basta. Wenn nicht mit Selznick, dann vielleicht eben mit Samuel Goldwyn oder Howard Hughes oder sonst einem Mogul. "Meine Mutter war manchmal wie ein Zug, der eine Strecke hinunterrast", sagte Pia Jahre später. "Nichts und niemand konnte sie stoppen, wenn sie etwas im Kopf hatte. Sie hatte eine Entschlossenheit aus Stahl." Der Sommer 1948 war eine solche Zeit, als dieser Wille mit nichts zu bremsen war, nicht einmal von Petter. Das Treffen fand dann im George V endlich statt – nicht über Mittag, sondern während einem ausgedehnten Dinner in der Suite von Filmverleiher Ilya Lopert, der netterweise bereits für einen Uebersetzer gesorgt hatte. Rossellini selbst hatte sich für diesen Anlass sorgfältiger vorbereitet, als er je einen Laienschauspieler geführt hatte. Seine Erscheinung war nicht sonderlich bemerkenswert: er trug einen zerknitterten dunkeln Anzug, mindestens zwei Nummern zu gross, was er Ingrid da- 362

mit erklärte, dass er sich in einer permanenten Diätkur befinde. Sie verstehe das, sagte sie lachend. Dann, als herzhaft diniert wurde, verblasste Rossellinis Zurückhaltung zusehends: er erzählte neuerdings die Geschichte von "Terra di Dio", wobei seine dramatischen Gesten und Beschriebe mit tiefgründig philosophischen Exkursen wechselten. "Machen wir den Film – ja oder nein?" fragte er, mit einem plötzlichen Anflug von Schüchterheit, als er geendet hatte. Dann zog er eine Rose aus dem Tischarrangement und begann sie zu entblättern: "Wir machen es – wir machen es nicht – wir machen es – wir machen es nicht . . ." "Es wird mir eine Ehre sein, meinen Teil dazu beizutragen", antwortete Ingrid indem sie einen scharfen Blick von Petter ignorierte, der eben begann, mit Lopert einige finanzielle Fragen zu diskutieren. Weil diese Fragen Rossellini und Ingrid überhaupt nicht interessierten, setzten sie ihre Unterhaltung über Kulinarisches und Weine, über Hitchcock und Jean Renoir, Musik, Kunst und Geschichte fort – alles was in Rosselinis geräumigen und freizügigen Geist einfloss. Sie wiederholte ihre Bewunderung für seine zwei Filme, die sie gesehen hatte, und er erzählte leidenschaftlich mit schwingenden Armen, unter welchen Umständen sie zustande gekommen seien – unter sehr bescheidenen und einfachen Umständen. Er sprach authoritär, von allem und jedem hatte er klare Vorstellungen. Und sein Leben machte Filme, eine neue Art von Filmen, wie er sagte, eine Sprache der visuellen Wahrheit. Obschon Ingrid sagte, sie habe sich schon früher "in ihn verliebt", als sie seine Filme in New York sah, war dieser Abend nun wirklich der Moment der ersten Leidenschaft. Das Arbeitsessen dauerte bis Mitternacht, als Lopert zu Ingrids Geburtstag eine Flasche Champagner entkorkte. Robertos intensiver, dunkler Blick verfolgte sie bis sich alle verabschiedeten; ihre Hand zitterte, als sie seine Glückwünsche entgegennahm und sein Glas das Ihre berührte. 363

mit erklärte, dass er sich in einer permanenten Diätkur befinde.<br />

Sie verstehe das, sagte sie lachend. Dann, <strong>als</strong> herzhaft<br />

diniert wurde, verblasste Rossellinis Zurückhal<strong>tu</strong>ng zusehends:<br />

er erzählte neuerdings die Geschichte von "Terra di Dio", w<strong>ob</strong>ei<br />

seine dramatischen Gesten und Beschriebe mit tiefgründig philosophischen<br />

Exkursen wechselten.<br />

"Machen wir den Film – ja oder nein?" fragte er, mit einem<br />

plötzlichen Anflug von Schüchterheit, <strong>als</strong> er geendet hatte.<br />

Dann zog er eine Rose aus dem Tischarrangement und begann<br />

sie zu entblättern: "Wir machen es – wir machen es nicht<br />

– wir machen es – wir machen es nicht . . ."<br />

"Es wird mir eine Ehre sein, meinen Teil dazu beizutragen",<br />

antwortete <strong>Ingrid</strong> indem sie einen scharfen Blick von<br />

Petter ignorierte, der eben begann, mit Lopert einige finanzielle<br />

Fragen zu diskutieren. Weil diese Fragen Rossellini und <strong>Ingrid</strong><br />

überhaupt nicht interessierten, setzten sie ihre Unterhal<strong>tu</strong>ng<br />

über Kulinarisches und Weine, über Hitchcock und Jean<br />

Renoir, Musik, Kunst und Geschichte fort – alles was in<br />

Rosselinis geräumigen und freizügigen Geist einfloss.<br />

Sie wiederholte ihre Bewunderung für seine zwei Filme,<br />

die sie gesehen hatte, und er erzählte leidenschaftlich mit<br />

schwingenden Armen, unter welchen Umständen sie zustande<br />

gekommen seien – unter sehr bescheidenen und einfachen<br />

Umständen. Er sprach authoritär, von allem und jedem hatte<br />

er klare Vorstellungen. Und sein Leben machte Filme, eine<br />

neue Art von Filmen, wie er sagte, eine Sprache der visuellen<br />

Wahrheit. Obschon <strong>Ingrid</strong> sagte, sie habe sich schon früher "in<br />

ihn verliebt", <strong>als</strong> sie seine Filme in New York sah, war dieser<br />

Abend nun wirklich der Moment der ersten Leidenschaft. Das<br />

Arbeitsessen dauerte bis Mitternacht, <strong>als</strong> Lopert zu <strong>Ingrid</strong>s Geburtstag<br />

eine Flasche Champagner entkorkte. R<strong>ob</strong>ertos intensiver,<br />

dunkler Blick verfolgte sie bis sich alle verabschiedeten;<br />

ihre Hand zitterte, <strong>als</strong> sie seine Glückwünsche entgegennahm<br />

und sein Glas das Ihre berührte.<br />

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