Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

nie davon betroffen: Ingrid hatte nie diese allgemein bekannte
"Whisky-Stimme", die so oft die Säufer und schweren Raucher
verrät. Vielleicht konnte sie dank ihrer äusserst robusten Konstitution
wirklich stattliche Mengen Alkohol konsumieren, ohne
sich das im Geringsten anmerken zu lassen; sie verpasste auch
keine einzige Arbeitsstunde wegen eines Katzenjammers.
Ingrid war nie eine Alkoholikerin: sie trank nie aus
Sucht oder Zwang, nie vor Arbeitsschluss und sicher litt ihre
Arbeit nie unter ihren Trinkgewohnheiten. Aber ebenso sicher
genoss sie das Cocktail-Ritual am Nachmittag, für welches sie
eine erstaunliche Kapazität hatte, die allerdings zu ihrer Lebenslust
passte. In diesem Zusammenhang ist auch nicht zu
vergessen, dass die Langzeitschäden von Alkohol und Nikotin
in Amerika erst etliche Jahre später erkannt und öffentlich bekanntgemacht
wurden. 1949 waren dies Statussymbole, die
buchstäblich weltweit von den jungen Erwachsenen eifrig gepflegt
wurden. Sie waren die Requisiten der arrivierten Gesellschaft.
Nach den Kostüm-Anproben und Makeuptests war Ingrid
frei, konnte ihre Besorgungen machen, ins Theater gehen,
mit ihren Produzenten (Hitchcock, Bernstein und deren Frauen)
zusammenkommen oder ihre neue Freundin, die englische
Schauspielerin Ann Todd treffen und besser kennenlernen. Ann
hatte auch für Selznick und Hitchcock gearbeitet ("The
Paradine Case", 1947 in Hollywood entstanden) und war nun
die Frau von Regisseur David Lean. Diesen Sommer unternahmen
die beiden Frauen öfters Exkursionen um Gross-
London herum – in die Parks und Museen, Kew Gardens und
zum Greenwich Observatory.
VOR EINIGEN JAHREN hatte der Produzent und Regisseur
Gabriel Pascal, dem George Bernard Shaw die Verfilmung
von "Pygmalion" und "Mayor Barbara" übertragen hatte, Ingrid
angeboten, in Shaws Film "Candida" die Hauptrolle zu
übernehmen. Leider musste das Projekt damals infolge von
Terminschwierigkeiten fallengelassen werden. Jetzt aber erfuhr
357