Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

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29.01.2013 Aufrufe

354 dass er Partner hätte, die mit ihm in Italien zusammenarbeiteten – kein Wort von Selznick! Es gehe sie nichts an, wer sie seien. Wenn sie die Story ablehne oder zuviel Geld fordere – dann sei das eben das Ende! . . . Er wollte wissen, wie Bergman entlöhnt wurde. Ich sagte ihm, ich wisse das nicht, sie sei aber sehr teuer. Er sagte, sie müsse wissen, dass er ihr keine Hollywood-Gagen bezahlen könne und dass, wenn sie eine unmögliche Summe fordere, es keinen Film gebe." Rossellini hoffte auf eine von drei Möglichkeiten: (a) dass Selznick das ganze Projekt finanzierte; (b) dass Selznick den fertigen Film nur in Amerika vertreiben würde und die Finanzen in Europa aufzubringen wären; oder (c) dass Selznick ihm Vertrags-Schauspieler ausleihen würde. Was immer daraus würde, er hätte keine Absicht, allein für die Schauspieler Riesensummen aufzubringen. "Ich werde alles unterschreiben, was Sie wollen", sagte Rossellini zu Reissar beim Abschied. Diese Zusage fiel ihm sehr leicht, wie alle Beteiligten bald erkennen konnten, denn Rossellini hielt sich grundsätzlich an keinen Vertrag. "Er ist ein temperamentvoller und verantwortungsloser Mensch", schrieb Reissar an Selznick. Was Ingrid betrifft, so hatte er seinen "Traum", einen Film mit ihr zu machen, bei der Abfassung des Telegramms. Von allem Anfang an war es dann Rossellinis Ziel, mit amerikanischem Geld einen Film zu machen – welches Projekt oder mit welchen Darstellern: er wusste es noch nicht. Aber welche Mittel es auch erforderte, er würde sie nehmen. Und er würde sich freuen, seinen ersten Film zum Vehikel für Selznicks Geliebte, Jennifer Jones zu machen. Rossellini stellte nur eine Bedingung: er musste die Mitwirkung seiner Mätresse, Anna Magnani, in einem der auszuhandelnden Filme sicherstellen. Sie sei, wie er beifügte, rasend eifersüchtig, dass er einen Selznick-Vertrag ohne ihre Gegenwart auch nur diskutiere. "Aber er sagte, sie sei eine verrückte Frau", berichtete Reissar, "die erst spät in ihrem Leben zum Erfolg kam (sie war vierzig!) und vom Geschäft nichts verstehe." Ingrid Bergmans Fanbrief

war eine Trumpfkarte, die er nicht erwartet hatte. Am 15. Mai erhielt Ingrid einen langen Brief, in dem ihr Rossellini (wieder mit Hilfe eines Übersetzers) seine Ideen für eine Filmgeschichte umriss. Im Glauben, ein Sript sei zu einengend, benutzte er auch keines. Hier hätte Ingrid die erste Warnlampe aufleuchten müssen, doch sie las fasziniert weiter. Kürzlich kam Rossellini ausserhalb Roms an einem Flüchtlingslager für Frauen aus ganz Zentral- und Osteuropa vorbei. Es gelang ihm, mit einer zu sprechen, einer verfolgten und einsamen Lettin. Daraus entstand die Idee zu einem Film. Sein Konzept war die Geschichte von eben solch einer Frau, die er Karin nannte, zu erzählen, die aus Verzweiflung einen Fischer von den Lipari Inseln heiratet und mit ihm nach Stromboli zieht, jener von einem Vulkan beherrschten Insel. Auf dieser kahlen Insel von Feuer, Asche und verbrannter Erde ist die fremde Frau einsamer als irgendwo . Aber Karin hoffte, in diesem Fremden wenigstens ihren Retter gefunden zu haben und beschliesst, zu bleiben. Bald begreifen sie, dass sie überhaupt keine Gemeinsamkeiten haben. "Der Mann lebt neben ihr her und liebt sie mit wilder Heftigkeit", fuhr Rossellini fort. "Aber selbst der Gott, dem die Insulaner huldigen, ist verschieden von dem Ihren. Wie konnte der strenge Lutherische Gott, zu dem sie zu beten pflegte, dem Vergleich mit all den vielen Heiligen in allen Farben standhalten?" Karin, die inzwischen schwanger ist, versucht sich gegen ihr trockenes, einsames Leben aufzulehnen, aber es gibt kein Entrinnen. In der Absicht, sich in den glühenden Krater zu stürzen, erklimmt sie den Vulkan, bricht aber - Gott um Hilfe anflehend - zusammen. Und damit ist sie gerettet: das erhoffte Wunder geschieht im plötzlichen Frieden, der in ihre Seele einkehrt. In ihrer Selbstaufgabe wendet sie sich endlich ihrem neuen, einfachen Leben zu und dem neuen, das sie bald hervorbringen wird; sie kehrt zum Dorf zurück und akzeptiert ihr neues Leben im Terra di Dio – im Land Gottes. Das war Rossellinis Arbeitstitel. 355

war eine Trumpfkarte, die er nicht erwartet hatte.<br />

Am 15. Mai erhielt <strong>Ingrid</strong> einen langen Brief, in dem ihr<br />

Rossellini (wieder mit Hilfe eines Übersetzers) seine Ideen für<br />

eine Filmgeschichte umriss. Im Glauben, ein Sript sei zu einengend,<br />

benutzte er auch keines. Hier hätte <strong>Ingrid</strong> die erste<br />

Warnlampe aufleuchten müssen, doch sie las fasziniert weiter.<br />

Kürzlich kam Rossellini ausserhalb Roms an einem<br />

Flüchtlingslager für Frauen aus ganz Zentral- und Osteuropa<br />

vorbei. Es gelang ihm, mit einer zu sprechen, einer verfolgten<br />

und einsamen Lettin. Daraus entstand die Idee zu einem Film.<br />

Sein Konzept war die Geschichte von eben solch einer<br />

Frau, die er Karin nannte, zu erzählen, die aus Verzweiflung<br />

einen Fischer von den Lipari Inseln heiratet und mit ihm nach<br />

Stromboli zieht, jener von einem Vulkan beherrschten Insel.<br />

Auf dieser kahlen Insel von Feuer, Asche und verbrannter Erde<br />

ist die fremde Frau einsamer <strong>als</strong> irgendwo . Aber Karin hoffte,<br />

in diesem Fremden wenigstens ihren Retter gefunden zu haben<br />

und beschliesst, zu bleiben. Bald begreifen sie, dass sie überhaupt<br />

keine Gemeinsamkeiten haben. "Der Mann lebt neben<br />

ihr her und liebt sie mit wilder Heftigkeit", fuhr Rossellini fort.<br />

"Aber selbst der Gott, dem die Insulaner huldigen, ist verschieden<br />

von dem Ihren. Wie konnte der strenge Lutherische<br />

Gott, zu dem sie zu beten pflegte, dem Vergleich mit all den<br />

vielen Heiligen in allen Farben standhalten?"<br />

Karin, die inzwischen schwanger ist, versucht sich gegen<br />

ihr trockenes, einsames Leben aufzulehnen, aber es gibt<br />

kein Entrinnen. In der Absicht, sich in den glühenden Krater zu<br />

stürzen, erklimmt sie den Vulkan, bricht aber - Gott um Hilfe<br />

anflehend - zusammen. Und damit ist sie gerettet: das erhoffte<br />

Wunder geschieht im plötzlichen Frieden, der in ihre Seele einkehrt.<br />

In ihrer Selbstaufgabe wendet sie sich endlich ihrem<br />

neuen, einfachen Leben zu und dem neuen, das sie bald hervorbringen<br />

wird; sie kehrt zum Dorf zurück und akzeptiert ihr<br />

neues Leben im Terra di Dio – im Land Gottes. Das war Rossellinis<br />

Arbeitstitel.<br />

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