Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

IHRE RETTUNG, ERZÄHLTE INGRID Irene Selznick jenen Abend am Dinner, könne nur in einem dramatischen Richtungswechsel ihrer Karriere liegen. Sie habe immer intuitiv gespielt, wie Rossellinis Laienspieler, und sie sei immer willens gewesen, in einer Rolle ungeschminkt aufzutreten. War sie nicht genau die Richtige für einen Rossellini-Film? Und könnte ihre Berühmtheit nicht auch ihm helfen, von einem erweiterten internationalen Publikum akzeptiert zu werden? Was Ingrid aber nicht erkennen konnte, war ein kritisches Element in Rossellinis Arbeitsweise, welches niemand klarer definieren konnte als der Regisseur selbst: "Um zu meinen Darstellern zu kommen, begann ich damit, mich mit meinem Kameramann im Zentrum jenes Raumes einzurichten, in dem die folgende Szene geschossen werden sollte. Passanten und Zuschauer begannen sich dann rund um uns herum anzusammeln, sodass ich meine Schauspieler aus der herumstehenden Menge auswählen konnte. Wir passten uns den jeweiligen Umständen an und den Schauspielern, die uns zur Verfügung standen." Und dann folgte der entscheidende Punkt: "Der Dialog und die Intonation wurden durch die Laiendarsteller bestimmt. Ich schloss mein Script nie ab, bevor wir am Drehort angekommen waren." Tatsache war, dass seine Geschichte und sein Script selbst nach den Dreharbeiten noch unvollständig blieben: Rossellini arbeitete in einer Art ispirierter Laune im Synchronisationsraum und am Montagetisch. So machte es auch sein Autor, Federico Fellini, aber in seinen späteren Meisterwerken, kann man sagen, arbeitete Fellini mit einem stärkeren, zielgerichteteren Genius als Rossellini, wie auch mit entschlossenerer Hingabe an die erzählerische Qualität und die Erkenntnis, dass die psychologische oder spirituelle Wahrheit oft geistige Höhenflüge erfordert, die das Publikum in die Bereiche jenseits des reinen Realismus entführen. Aber da war ein besonders wichtiger unter vielen anderen Widersprüchen in Rossellini, wie Ingrid an diesem Dinner von Irene erfuhr (deren Mann seine Verhandlungen mit ihm 350

eben verlängert hatte). Obschon er auf Schauspieler eigentlich verzichten wollte, erkannte Rossellini zusehends, wie sehr er sie benötigte. In dieser Saison war er in Verhandlungen mit David Selznick über die Produktion eines Films, weshalb er dessen Vertrags-Schauspielerin und Mätresse, Jennifer Jones, ein Telegramm sandte: "Gratulation zu ihrer wundervollen Leistung in "Duel in The Sun". Hoffe, bald mit Ihnen arbeiten zu können." Tatsächlich hatte Rossellini "Duel" überhaupt nicht gesehen, und da er an Hollywood-Schauspielerinnen nie interessiert war, hatte er auch keine Ahnung, wer Jennifer Jones war. Aber er hatte findige Berater, wie z.B. seinen Anwalt, einen kultivierten Herrn mit dem stattlichen Namen Ercole Graziadei (Herkules Gottseidank) und eine Agentin mit der ebenso bunten Unterschrift Arabella Le Maître. Während ihre Namen an die Oper des neunzehnten Jahrhunderts erinnerten, waren deren Interessen klar modern. Die Idee, die Selznick und Rossellini diskutierten, war eine neorealistische Version von "Jeanne d'Arc" mit Jennifer Jones in der Titelrolle, die eben den Oscar für ihre Darstellung der Heiligen Bernadette gewonnen hatte und im echten Leben bald die Rolle der zweiten Mrs. Selznick übernehmen sollte. Aber im Hinblick auf Ingrids Film wurde "Joan" über Bord geworfen. Dennoch liessen Produzent und Regisseur die Tür für weitere Projekte offen. Noch während des Dinners erklärte Ingrid Irene, dass sie Rossellini einen einfachen Brief schreiben werde, sobald sie seine Adresse ausfindig gemacht habe. Irene hatte die Adresse und sandte sie Ingrid ein paar Tage später nach Washington. Dort verlieh am 5. April Präsident Truman Ingrid den Women's National Press Club Award für überragendes Bühnen-Schauspiel. Nach einigen Dankesworten erklärte Ingrid – eindeutig inspiriert von Rossellini – unverblümt, dass die Produktion ehrlicher Filme in Amerika durch die Zensur behindert werde (seit "Intermezzo" gab es von Motion Picture Code schreckliche Einsprachen zu allem und jedem), wie auch durch Einsprachen von Regierungsseite (J. Edgar Hoover und sein Umfeld hatten Hitchcock schwer zugesetzt wegen dem Bombenmotiv und den schockierend unmora- 351

eben verlängert hatte). Obschon er auf Schauspieler eigentlich<br />

verzichten wollte, erkannte Rossellini zusehends, wie sehr er<br />

sie benötigte. In dieser Saison war er in Verhandlungen mit<br />

David Selznick über die Produktion eines Films, weshalb er<br />

dessen Vertrags-Schauspielerin und Mätresse, Jennifer Jones,<br />

ein Telegramm sandte: "Gra<strong>tu</strong>lation zu ihrer wundervollen<br />

Leis<strong>tu</strong>ng in "Duel in The Sun". Hoffe, bald mit Ihnen arbeiten<br />

zu können." Tatsächlich hatte Rossellini "Duel" überhaupt nicht<br />

gesehen, und da er an Hollywood-Schauspielerinnen nie interessiert<br />

war, hatte er auch keine Ahnung, wer Jennifer Jones<br />

war. Aber er hatte findige Berater, wie z.B. seinen Anwalt, einen<br />

kultivierten Herrn mit dem stattlichen Namen Ercole<br />

Graziadei (Herkules Gottseidank) und eine Agentin mit der<br />

ebenso bunten Unterschrift Arabella Le Maître. Während ihre<br />

Namen an die Oper des neunzehnten Jahrhunderts erinnerten,<br />

waren deren Interessen klar modern.<br />

Die Idee, die Selznick und Rossellini diskutierten, war<br />

eine neorealistische Version von "Jeanne d'Arc" mit Jennifer<br />

Jones in der Titelrolle, die eben den Oscar für ihre Darstellung<br />

der Heiligen Bernadette gewonnen hatte und im echten Leben<br />

bald die Rolle der zweiten Mrs. Selznick übernehmen sollte.<br />

Aber im Hinblick auf <strong>Ingrid</strong>s Film wurde "Joan" über Bord geworfen.<br />

Dennoch liessen Produzent und Regisseur die Tür für<br />

weitere Projekte offen. Noch während des Dinners erklärte<br />

<strong>Ingrid</strong> Irene, dass sie Rossellini einen einfachen Brief schreiben<br />

werde, s<strong>ob</strong>ald sie seine Adresse ausfindig gemacht habe.<br />

Irene hatte die Adresse und sandte sie <strong>Ingrid</strong> ein paar<br />

Tage später nach Washington. Dort verlieh am 5. April Präsident<br />

Truman <strong>Ingrid</strong> den Women's National Press Club Award<br />

für überragendes Bühnen-Schauspiel. Nach einigen Dankesworten<br />

erklärte <strong>Ingrid</strong> – eindeutig inspiriert von Rossellini –<br />

unverblümt, dass die Produktion ehrlicher Filme in Amerika<br />

durch die Zensur behindert werde (seit "Intermezzo" gab es<br />

von Motion Pic<strong>tu</strong>re Code schreckliche Einsprachen zu allem und<br />

jedem), wie auch durch Einsprachen von Regierungsseite (J.<br />

Edgar Hoover und sein Umfeld hatten Hitchcock schwer zugesetzt<br />

wegen dem Bombenmotiv und den schockierend unmora-<br />

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