Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

veranlasste: "Nun, so sehen Sie Hollywood!"
Zwischen Frankreich und Kalifornien hatte Ingrid zwei
Zwischenhalte eingelegt. Ende März kam sie in New York an,
wo sie einige Theaterstücke sah und Irene Selznick besuchte,
die damals als Produzentin von Tenessee Williams Stück "A
Streetcar Named Desire" grossen Erfolg hatte. Als sie eines
Abends auf dem Weg zum Theater den Broadway entlang eilte,
fiel Ingrid auf einem Filmplakat ein bekannter Name auf. Roberto
Rossellinis "Paisà" war in die amerikanischen Kinos gekommen,
und am folgenden Nachmittag stand Ingrid an der
Kinokasse, um ein Ticket zu kaufen. Sie war einer von etwa
einem halben Dutzend Zuschauern und war nach der Vorstellung
entsetzt über die Indifferenz der Leute.
Einmal mehr war Ingrid gefangen von Rossellinis ungekünstelter
Kraft. 1946, gleich nach "Open City" produziert,
erzählte "Paisà" sechs Geschichten vom Heldentum und der
Würde des einfachen Volks während und nach dem Krieg. Jede
einzelne Szene stellte die Schönheit der Charaktere über jene
der Erscheinung, den Idealismus über den Egoismus. Der Realismus
und die Einfachheit von Rossellinis Geschichten war für
Ingrid – erzogen in der Strenge schwedischer Produktionen
und Hollywoods sorgfältiger Beachtung eines jeden sichtbaren
Details – sowohl ein Tadel wie auch eine Herausforderung zur
Veränderung.
Als sie vor zwei Jahren "Open City" sah, war sie von einer
Szene zu Tränen gerührt, in der Anna Magnani ihren Liebhaber
dazu beschwört, seinen Idealen im Vertrauen auf ihre
Liebe zu ihm treu zu bleiben. Ingrid schilderte Freunden auch
die nachfolgende Szene in lebhaften Farben, in der Magnani
bei der Verfolgung des Polizeiwagens, in dem er abgeführt
wird, erschossen wird. Es war, wie sie sagte, das exakte Gegenteil
des sterilen Endes von "For Whom The Bell Tolls" – genauso
wie der Mut des Widerstandskämpfers und des Priesters
in "Open City" , die Folter und Tod eher in Kauf nahmen, als
ihre Gefährten in Gefahr zu bringen, sich nur auf einer andern
Ebene abspielten als das sentimentale Ende von "The Bells Of
348