Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

Wie der Roman hat auch der Film eine dichte, gleissende Stimmung (alle Szenen der ersten Hälfte wurden bei Nacht und stürmischem Regen gefilmt), aber auch eine gewisse melancholische Wirkung, seinem trägen Fortgang zum Trotz. In finsterer Leidenschaft spielte Boyer Ravic mit perfekter Ironie; er ist wechselweise besitzergreifend, liebevoll, bitter, selbstgefällig und reuig. Ingrid ihrerseits ist seine personifizierte Verhinderung – wirr und verletzlich, fast krankhaft in ihrem Bedürfnis, geliebt zu werden und auch erfinderisch und manipulierbar in ihrem Bemühen, Boyer an sich zu binden. Ihre Sterbeszene ist einmalig eindrücklich: ohne jedes romantische Filmklischee beschränkt sie sich darstellerisch auf unregelmässige Atmung und das Erlöschen ihres Blicks, als ob sie die Grenzen eines fernen Landes erblickte. "Ich liebe dich – ich liebe dich – ich liebe dich", flüstert sie zu Boyer und bittet ihn um einen letzten Kuss; der Moment ihres Todes ist kaum wahrnehmbar. Als der Film schliesslich nach fast zweijährigem editorialem Hickhack in die Kinos kam, erwies sich "Arch of Triumph" als ein gewaltiges Fiasko. Wie üblich wurde Ingrid für die einfühlsame Porträtierung einer verzweifelten Frau gelobt, aber der Film wurde durch die Kritiken geprügelt, das Publikum langweilte sich und sehr bald war Enterprise Pictures (die ihre gesamte 4 Mio $-Investition verloren hatte) nicht mehr mehr als eine Fussnote in der Geschichte Hollywoods. "Unter Lindströms Management machte Ingrid einige schlechte Filme", sagte Milestone, "und einer davon geht auf mein Konto." Boyer formulierte es sehr prägnant, als er einem Freund erklärte, dass der Film anfänglich für vier Stunden schrecklich gewesen sei, dann aber dank sorgfältiger Edition für nur zwei Stunden grauenvoll geworden sei. Nun schien es offenkundig, dass das Nachkriegspublikum keinen Rückblick in die Kriegszeit wünschte; es war auch vom doppelt tragischen Ausgang der Geschichte enttäuscht (ihr Tod, seine Deportation); und es konnte keine neurotische Liebesbeziehung als Symbol für eine Welt am Rande einer Feuersbrunst akzeptieren. Milestones unverbrüchliche Treue zu 316

Remarques verdammten Liebenden – nebst der übermässigen Länge des Films – war letzten Endes genau das, was dem Film den Erfolg versagte. Nichts, wie Ingrid später immer wieder betonte, hätte einen grösseren Kontrast zu "Open City" bieten können. FÜR DIE DREHARBEITEN waren zehn Wochen eingeplant, doch war "Arch of Triumph" nach sechzehn Wochen immer noch vor den Kameras, als so etwas wie eine genervte Hetze einsetzte, alle Szenen mit Ingrid noch zu filmen, bevor sie Ende September nach New York wechselte, um dort mit den Proben zu einer andern Joan zu beginnen. Zur selben Zeit machte sich Petter auf, seine Verwandten in Schweden zu besuchen. Enterprise lud noch zu einer Abschiedsparty für Ingrid, bei welcher Lewis Milestone die zwischen den Lindströms herrschende Spannung auffiel. Milestone bewunderte Petters Hingabe an seine medizinischen Studien. "Aber Lindström hatte einige veraltete europäische Ideen. Wie er es sah, hatte er seinen Namen einem armen Waisenmädchen geschenkt (das diesen, wie Milestone hätte hinzufügen können, nie benutzte), und das ihm nun für den Rest seines Lebens zu Dank verpflichtet war. Er machte dauernd Anspielungen – er war der solide Bürger, der ein armes verlassenes Kind rettete. Er liess sie dies nie vergessen. Aber wie lange kannst du von der Dankbarkeit leben?" Nicht viel länger, wie es schien: einige Tage vor ihren Abreisen verlangte Ingrid nochmals die Scheidung von Petter, und wieder wischte er die Sache vom Tisch. Vielleicht weil die Capa-Affäre so mühsam und aussichtslos war – und weil, woran Petter sie immer erinnerte, sie die Kapazität nicht hatte, ihre geschäftlichen Angelegenheiten selbst zu verwalten – gab sie nach. AM 1. OKTOBER BEZOG INGRID SUITE 2606 im Hampshire House, Central Park South, und vier Tage später spazierte sie glücklich zur ersten Probe für "Joan of Lorraine" 317

Wie der Roman hat auch der Film eine dichte, gleissende<br />

Stimmung (alle Szenen der ersten Hälfte wurden bei Nacht<br />

und stürmischem Regen gefilmt), aber auch eine gewisse melancholische<br />

Wirkung, seinem trägen Fortgang zum Trotz. In<br />

finsterer Leidenschaft spielte Boyer Ravic mit perfekter Ironie;<br />

er ist wechselweise besitzergreifend, liebevoll, bitter, selbstgefällig<br />

und reuig. <strong>Ingrid</strong> ihrerseits ist seine personifizierte Verhinderung<br />

– wirr und verletzlich, fast krankhaft in ihrem Bedürfnis,<br />

geliebt zu werden und auch erfinderisch und manipulierbar<br />

in ihrem Bemühen, Boyer an sich zu binden. Ihre Sterbeszene<br />

ist einmalig eindrücklich: ohne jedes romantische<br />

Filmklischee beschränkt sie sich darstellerisch auf unregelmässige<br />

Atmung und das Erlöschen ihres Blicks, <strong>als</strong> <strong>ob</strong> sie die<br />

Grenzen eines fernen Landes erblickte. "Ich liebe dich – ich<br />

liebe dich – ich liebe dich", flüstert sie zu Boyer und bittet ihn<br />

um einen letzten Kuss; der Moment ihres Todes ist kaum<br />

wahrnehmbar.<br />

Als der Film schliesslich nach fast zweijährigem<br />

editorialem Hickhack in die Kinos kam, erwies sich "Arch of<br />

Triumph" <strong>als</strong> ein gewaltiges Fiasko. Wie üblich wurde <strong>Ingrid</strong><br />

für die einfühlsame Porträtierung einer verzweifelten Frau gel<strong>ob</strong>t,<br />

aber der Film wurde durch die Kritiken geprügelt, das<br />

Publikum langweilte sich und sehr bald war Enterprise Pic<strong>tu</strong>res<br />

(die ihre gesamte 4 Mio $-Investition verloren hatte) nicht<br />

mehr mehr <strong>als</strong> eine Fussnote in der Geschichte Hollywoods.<br />

"Unter Lindströms Management machte <strong>Ingrid</strong> einige schlechte<br />

Filme", sagte Milestone, "und einer davon geht auf mein Konto."<br />

Boyer formulierte es sehr prägnant, <strong>als</strong> er einem Freund<br />

erklärte, dass der Film anfänglich für vier S<strong>tu</strong>nden schrecklich<br />

gewesen sei, dann aber dank sorgfältiger Edition für nur zwei<br />

S<strong>tu</strong>nden grauenvoll geworden sei.<br />

Nun schien es offenkundig, dass das Nachkriegspublikum<br />

keinen Rückblick in die Kriegszeit wünschte; es war auch<br />

vom doppelt tragischen Ausgang der Geschichte enttäuscht<br />

(ihr Tod, seine Deportation); und es konnte keine neurotische<br />

Liebesbeziehung <strong>als</strong> Symbol für eine Welt am Rande einer Feuersbrunst<br />

akzeptieren. Milestones unverbrüchliche Treue zu<br />

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