Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

308 gen. Aber wie ein Film im Kasten war, rauschte ich ab nach New York, weil ich mich dort unter wirklichen Menschen fühlte (womit sie Theaterleute meinte). Es war ein anderes Leben. In Hollywood waren es nur Filme, Filme, Filme. Ich meine, ich mag ja die Filme, aber du solltest auch mal Zeit haben, über etwas anderes zu reden – und auch andere Menschen zu treffen. So kam ich eben nach New York und arbeitete am Theater. Aber da gab es noch einen andern Grund für die Reise ostwärts in diesem kalten Winter: Bob Capa, Hollywood überdrüssig, war nach Manhattan zurückgekehrt. Joe amtete als Ingrids Beschützer, aber wo es um Capa ging, konnte er nicht intervenieren, und so war er oft extrem in Sorge darüber, dass die Presse von Ingrids ständigen Abwesenheiten vom Hotel Wind bekommen würde, da sie diesen Winter und Frühling mehrere Nächte pro Woche mit ihrem Liebhaber verbrachte. Ingrid und Bob sassen in den dunkeln Winkeln der Greenwich Village Bars, schlürften Drinks und hörten Jazz; sie kuschelten auf den Balkonen der West Side Kinos herum und schlenderten um vier Uhr morgens die Fifth Avenue hinauf. Irgendwie gelang es ihnen, dem Boulevard zu entkommen, und Ingrid betrachtete das als offenkundiges Zeichen der Zustimmung des Himmels. Sie erlebte die romantischste Episode ihres Lebens, die aber grösstenteils das Produkt ihrer Fantasie war, als durchlebte sie eine unwiderstehliche Rolle im bisher besten Film ihres Lebens. Obwohl Capa sie mochte, zog er seine Freiheit vor und beharrte darauf, keinerlei Ehetauglichkeit zu besitzen: er sehnte sich danach, als freischaffender Fotograph auf der Suche nach Geschichten die Welt zu durchstreifen. Eines nachts, nachdem der Whisky reichlich geflossen war, riet er Ingrid, sich lieber um ihr eigenes Leben zu kümmern. Sie tat das dann auch, doch bis weit gegen Ende 1946 kappte keiner von beiden die Affäre. Nach Monaten vertraute Ingrid dieses unglückselige Gespräch ihrem Freund Hitch an. Sieben Jahre danach, als sie

von Hitch und Hollywood längst getrennt war, machte dieser die Capa-Bergman-Affäre zur Grundlage einer Beziehung zwischen Charakteren, die von James Stewart als einem weltweit agierenden Pressefotographen, und Grace Kelly als einer hübschen Dame der Gesellschaft in "Rear Window" gespielt wurden. (Cornell Woolrichs Kurzgeschichte, an welcher Hitchcock die Rechte gekauft hatte, kannte keine derartige Liebesbeziehung.) AN IHREN BESPRECHUNGEN mit Maxwell Anderson beschrieb der Schriftsteller die faszinierende Struktur seines "Spiels-im-Spiel". Joans Geschichte sollte so inszeniert werden, als würde sie von einer Theatergruppe geprobt, wobei die Rolle der Jungfrau von einer Schauspielerin namens "Mary Grey" gespielt wurde, die interaktiv zwischen historischen Figuren und ihren Theaterkollegen agierte. Dieses interessante Konzept bot Anderson die Möglichkeit, die moralische Substanz explizit herauszuarbeiten und die Frage der Kompromisse zu analysieren – in der im 15. Jahrhundert von Jeanne geführten Schlacht und im aesthetischen Kampf der Schauspieler im 20. Jahrhundert. Der tiefere Sinn von "Joan of Lorraine" wird abschliessend geklärt, indem Mary Grey durch ihr Spiel als Joan erkennt, dass Kompromisse in nebensächlichen weltlichen Dingen (und unter Mitwirkung von nicht sehr liebenswerten Menschen) gemacht werden müssen, wenn am Ende Glaube und Heldentum im Reich des Geistes triumphieren sollen. Ingrid verbrachte dieses Frühjahr auch einige Zeit mit Kay Brown, deren Agentur inzwischen zu einer der bekanntesten und respektiertesten in New York und Hollywood geworden war. Ihr Kundenregister war beeindruckend mit Positionen wie Montgomery Clift, Lillian Hellman, Frederic March, Arthur Miller, Samuel Taylor, nebst den amerikanischen Verpflichtungen von (u.a.) Alec Guinness, John Gielgud, Rex Harrison, Laurence Olivier und Ralph Richardson. Ohne eine Rückfrage bei Petter zu machen schloss sie sich Kays Kundenregister an, obschon die Bedeutung dieser geschäftlichen Beziehung erst viele 309

von Hitch und Hollywood längst getrennt war, machte dieser<br />

die Capa-<strong>Bergman</strong>-Affäre zur Grundlage einer Beziehung zwischen<br />

Charakteren, die von James Stewart <strong>als</strong> einem weltweit<br />

agierenden Pressefotographen, und Grace Kelly <strong>als</strong> einer hübschen<br />

Dame der Gesellschaft in "Rear Window" gespielt wurden.<br />

(Cornell Woolrichs Kurzgeschichte, an welcher Hitchcock<br />

die Rechte gekauft hatte, kannte keine derartige Liebesbeziehung.)<br />

AN IHREN BESPRECHUNGEN mit Maxwell Anderson beschrieb<br />

der Schriftsteller die faszinierende Struk<strong>tu</strong>r seines<br />

"Spiels-im-Spiel". Joans Geschichte sollte so inszeniert werden,<br />

<strong>als</strong> würde sie von einer Theatergruppe gepr<strong>ob</strong>t, w<strong>ob</strong>ei die Rolle<br />

der Jungfrau von einer Schauspielerin namens "Mary Grey"<br />

gespielt wurde, die interaktiv zwischen historischen Figuren<br />

und ihren Theaterkollegen agierte. Dieses interessante Konzept<br />

bot Anderson die Möglichkeit, die moralische Substanz explizit<br />

herauszuarbeiten und die Frage der Kompromisse zu analysieren<br />

– in der im 15. Jahrhundert von Jeanne geführten Schlacht<br />

und im aesthetischen Kampf der Schauspieler im 20. Jahrhundert.<br />

Der tiefere Sinn von "Joan of Lorraine" wird abschliessend<br />

geklärt, indem Mary Grey durch ihr Spiel <strong>als</strong> Joan erkennt,<br />

dass Kompromisse in nebensächlichen weltlichen Dingen (und<br />

unter Mitwirkung von nicht sehr liebenswerten Menschen) gemacht<br />

werden müssen, wenn am Ende Glaube und Helden<strong>tu</strong>m<br />

im Reich des Geistes triumphieren sollen.<br />

<strong>Ingrid</strong> verbrachte dieses Frühjahr auch einige Zeit mit<br />

Kay Brown, deren Agen<strong>tu</strong>r inzwischen zu einer der bekanntesten<br />

und respektiertesten in New York und Hollywood geworden<br />

war. Ihr Kundenregister war beeindruckend mit Positionen wie<br />

Montgomery Clift, Lillian Hellman, Frederic March, Arthur<br />

Miller, Samuel Taylor, nebst den amerikanischen Verpflich<strong>tu</strong>ngen<br />

von (u.a.) Alec Guinness, John Gielgud, Rex Harrison, Laurence<br />

Olivier und Ralph Richardson. Ohne eine Rückfrage bei<br />

Petter zu machen schloss sie sich Kays Kundenregister an, <strong>ob</strong>schon<br />

die Bedeu<strong>tu</strong>ng dieser geschäftlichen Beziehung erst viele<br />

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