Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

fiel der etwas zerstreute Blick in ihrem Antlitz auf und er vermisste auch ihren gewohnten sprudelnden Humor. Hitchcock schrieb ihre auffällige Zerfahrenheit richtigerweise einem emotionalen Aufruhr zu, ohne allerdings dessen Hintergründe zu kennen, bis ihn Ingrid einige Tage später, als sie im Anschluss an eine Script-Studie alleine noch etwas becherten, ins Vertrauen zog. Sie sei in Robert Capa verliebt, sagte sie, als Hitchcock die Gläser kräftig nachfüllte, und obwohl sie Capa diesen Herbst noch in Hollywood erwartete, sah sie keine Hoffnung für die Erfüllung dieser Liebe. Sie fühlte sich als Gefangene ihrer Ehe, ihres Rufs, ja sogar ihres Pflichtgefühls und Anstands; und sie fühlte sich verlassen, weil sich Capa ihr gegenüber nicht zu verpflichten vermochte. Hitchcock, plötzlich ihr sympathischer Freund und mehr denn je zuvor ihr Fantasie- Liebhaber, unterdrückte seine eigenen Gefühle natürlich. Und wie üblich übertrug er sie auf den kommenden Film. Während der folgenden drei Tage bat er Hecht ihm bei der Fokussierung von Ingrids Charakter behilflich zu sein, einer Frau, die durch die Pflicht in eine lieblose Ehe gezwungen wird. Hitchcock bestand darauf, dass die ersten und die letzten Szenen dieses Films ausschliesslich auf das Bedürfnis dieser Frau, Liebesgeständnisse zu erhalten, auszurichten seien, um sie zuletzt sowohl durch ein Bekenntnis, wie auch durch eine Liebesverpflichtung zu erlösen. Aber Hitchcocks vordringliches Anliegen an diesem warmen September-Nachmittag war es, Ingrid an die Schlussszene in "Spellbound" zwischen ihr und Michael Chekhov, der ihren Mentor spielte, zu erinnern. "Es ist sehr traurig, jemanden zu lieben und zu verlieren", rezitierte Hitchcock den Dialog von Dr. Brulov, als er die weinende Dr. Petersen umarmte, die fürchtet, ihren Liebsten für immer zu verlieren. "Aber du wirst bald vergessen und du wirst die Fäden deines Lebens dort wieder aufnehmen, wo sie dir vor kurzem entglitten. Und du wirst hart arbeiten. In harter Arbeit steckt so viel Glück – vielleicht am meisten überhaupt." Das Rezitat hatte nun einen veränderten Sinn. 280

Ingrid erfasste plötzlich, was er sagen wollte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Hitchcock tröstete sie mit denselben Worten, die er für sich selbst sprach: welchen anderen Trost konnten diese beiden Liebenden denn finden, als die Arbeit, die vor ihnen lag. Vielleicht musste sie auf Capa verzichten, aber sie hatte ihre Arbeit, und die band sie an ihn. Nur zu gut wusste Hitchcock allerdings, ja, dass sie bei der Arbeit zwar bei ihm sein würde, nicht aber ihr Herz - oder höchstens vielleicht das Herz einer Tochter oder Freundin. Beide waren sie eine Art verlorene Seelen. An diesem ruhigen Nachmittag sassen sie – als Verbündete in der Verzweiflung – Gin Martinis schlürfend, viel zu viel rauchend und in ihren unausgesprochenen Sympathien füreinander den Mut suchend, der in der tiefsten Art von Liebe zu finden ist, der Zuneigung jenseits des Sex-Dschungels in der Klarheit einer echten Freundschaft. An den Vorproduktions-Sitzungen dieser Woche nahmen Hitchcock, Hecht, Selznick, Bergman und ihr Hauptdarsteller, Cary Grant teil. Die Sitzungen verliefen freundlich, effizient und geschäftlich: noch selten begannen die Arbeiten zu einem Selznick-Film so einvernehmlich. Aber dann, nachdem alle wichtigen Beteiligten am Film verpflichtet waren, verkaufte Selznick ihn als Paket an ein anderes Studio und kassierte dabei den grössten Profit seiner Karriere.*) Am 25. Oktober kam der neue Hitchcock-Hecht-Bergman-Film bei den RKO-Studios vor die Kameras. Gleichentags schrieb Petter einem Anwalt, er trete bezüglich des bevorstehenden Auslaufs von Ingrids Veträgen mit Selznick als Mittelsmann auf. Grund für Petters Brief war der beim Beginn des Hitchcock-Films eingetretene Verzug und die daraus in New York entstandenen Unannehmlichkeiten, wo derAutor Maxwell Anderson inzwischen das Script für "Joan of Lorraine" weitgehend fertiggestellt hatte. Wie er Ingrid 1940 anlässlich ihres Treffens bei Burgess Meredith zuhause ver *) RKO bezahlte Selznick $ 25'000 die Woche für Hitchcock und $ 20'000 für Ingrid; sie beide erhielten ihr normales Salär von Selznick, etwas mehr als 10 % dieser Beträge. 281

<strong>Ingrid</strong> erfasste plötzlich, was er sagen wollte, und ihre<br />

Augen füllten sich mit Tränen. Hitchcock tröstete sie mit denselben<br />

Worten, die er für sich selbst sprach: welchen anderen<br />

Trost konnten diese beiden Liebenden denn finden, <strong>als</strong> die Arbeit,<br />

die vor ihnen lag. Vielleicht musste sie auf Capa verzichten,<br />

aber sie hatte ihre Arbeit, und die band sie an ihn. Nur zu<br />

gut wusste Hitchcock allerdings, ja, dass sie bei der Arbeit<br />

zwar bei ihm sein würde, nicht aber ihr Herz - oder höchstens<br />

vielleicht das Herz einer Tochter oder Freundin. Beide waren<br />

sie eine Art verlorene Seelen. An diesem ruhigen Nachmittag<br />

sassen sie – <strong>als</strong> Verbündete in der Verzweiflung – Gin Martinis<br />

schlürfend, viel zu viel rauchend und in ihren unausgesprochenen<br />

Sympathien füreinander den Mut suchend, der in der tiefsten<br />

Art von Liebe zu finden ist, der Zuneigung jenseits des<br />

Sex-Dschungels in der Klarheit einer echten Freundschaft.<br />

An den Vorproduktions-Sitzungen dieser Woche nahmen<br />

Hitchcock, Hecht, Selznick, <strong>Bergman</strong> und ihr Hauptdarsteller,<br />

Cary Grant teil. Die Sitzungen verliefen freundlich, effizient<br />

und geschäftlich: noch selten begannen die Arbeiten zu einem<br />

Selznick-Film so einvernehmlich. Aber dann, nachdem alle<br />

wichtigen Beteiligten am Film verpflichtet waren, verkaufte<br />

Selznick ihn <strong>als</strong> Paket an ein anderes S<strong>tu</strong>dio und kassierte dabei<br />

den grössten Profit seiner Karriere.*) Am 25. Okt<strong>ob</strong>er kam<br />

der neue Hitchcock-Hecht-<strong>Bergman</strong>-Film bei den RKO-S<strong>tu</strong>dios<br />

vor die Kameras.<br />

Gleichentags schrieb Petter einem Anwalt, er trete bezüglich<br />

des bevorstehenden Auslaufs von <strong>Ingrid</strong>s Veträgen mit<br />

Selznick <strong>als</strong> Mittelsmann auf. Grund für Petters Brief war der<br />

beim Beginn des Hitchcock-Films eingetretene Verzug und die<br />

daraus in New York entstandenen Unannehmlichkeiten, wo<br />

derAutor Maxwell Anderson inzwischen das Script für "Joan of<br />

Lorraine" weitgehend fertiggestellt hatte. Wie er <strong>Ingrid</strong> 1940<br />

anlässlich ihres Treffens bei Burgess Meredith zuhause ver<br />

*) RKO bezahlte Selznick $ 25'000 die Woche für Hitchcock und $ 20'000<br />

für <strong>Ingrid</strong>; sie beide erhielten ihr normales Salär von Selznick, etwas<br />

mehr <strong>als</strong> 10 % dieser Beträge.<br />

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