Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
von ingrid.bergman.ch Mehr von diesem Publisher
29.01.2013 Aufrufe

is dahin, mit 96 Sets, über 11'000 Requisiten, Dutzenden von 19.-Jahrhundert-Roben für Ingrid, zweihundert Stuntmen für eine einminütige Nachtszene von einem Zugsunfall und einer Menge Krinolinen, Wagen, und Gaslampen, welche die Film- Magazine zum Bersten brachten. Spektakulär würde er sicher werden, und das war auch das Haupt-Verkaufsargument, denn er war im übrigen ein überladener Schmarren, auf den effektiv niemand stolz sein konnte ausser den Studionäherinnen. Sein Ursprung war nicht einfach – eine wortreiche Edna Ferber-Liebesgeschichte von einer glanzvollen, unehelichen Hexe namens Clio Dulaine (Ingrid), die von Paris zurückkehrt, um sich für das ihrer Familie von der Gesellschaft zugefügte Unrecht, das die vornehmen Kreise entlang der ganzen Ostküste schockierte, zu rächen. Geld ist ihr Gott, Männer sind ihr Mittel zum Zweck. Sie missbraucht ihr Mulattenmädchen (weisse Flora Robson als anstössige Farbige), bellt ihren Diener, einen übellaunigen Zwerg namens Cupido (Jerry Austin), mit ihren Befehlen herum, beutet einen anständigen Mann aus (John Warburton) und akzeptiert schliesslich einen schlaksigen Texaner namens Clint Maroon (Cooper). Aber der Senior-Autor Casey Robinson ("Captain Blood", "Dark Victory", "Kings Row" und "Now, Voyager") konnte die erzählerischen Probleme nicht meistern und die Pappe erträglich oder gar interessant machen. Eine Analyse zeigt, dass der Film auf der Suche nach einem Zusammenhang ist: einmal ist "Saratoga Trunk" ein Thriller, dann ist er auch eine Gesellschaftskomödie, dann ein Liebesfilm und schliesslich ein Westernknüller. Ingrid hatte Selznick um diese Rolle gebeten, zu ihrem Entsetzen aber die letzten zweihundert Seiten der Geschichte erst einen Tag vor Beginn der Aufnahmen gelesen, worauf sie prompt in Tränen ausbrach und in Ruth Roberts Arme fiel. Dass nun brennende Erinnerungen an "Casablanca" in ihr aufstiegen, war eines; aber sie konnte es drehen und wenden wie sie wollte, von ihren bisher sechs amerikanischen Filmen konnte sie gerade auf einen stolz sein: "Dr. Jekyll und Mr. Hyde". 210

Von ihrer Wohnung am Shirley Place, Beverley Hills, fuhr sie nun während 6 Tagen die Woche schweren Herzens nach Burbank zu den Dreharbeiten, die von Ende Februar bis Mitte Mai dahinkrochen. Die Romanze mit Cooper, welcher Art sie auch immer gewesen sein mag, war offensichtlich vorbei, und zum Missvergnügen der Garderobeabteilung nahm Ingrid während der Produktion um elf Pfunde zu. Grössere Büstiers und voluminösere Lagen von Seide mussten in einige ihrer Kleider eingenäht werden, denn sie war in noch keinem Film so schwer, wie in diesem. Als die gereizte, oft hysterische Clio wurde Ingrid in schwere brünette Perücken gezwängt, und die Makeup- Abteilung war angewiesen, ihr dick Eyeliner aufzutragen und die Lippen mit dicker Farbe über die Lippenlinie hinaus nachzuziehen. Manchmal sah es so aus (wie Vivien Leigh einmal Laurence Oliviers groteskes Makeup für "Macbeth" schilderte), als träte auf der Leinwand zuerst ihr Makeup, dann ihr Kostüm und zuletzt sie selbst in Erscheinung, mehr oder weniger unkenntlich unter der Sauce. "Wenn sie weniger das Geld im Auge hätten, das sie für Set, Kostüme und Kosmetik ausgeben können, sondern mehr, wie realistische, glaubhafte menschliche Wesen zu produzieren, wäre vieles besser", sagte sie einige Jahre später. Sie mag dabei wohl an "Saratoga Trunk" gedacht haben. Ihre Rezepte für gute Filme und ihre bittere Kritik an diesen Exzessen haben Jahrzehnte danach noch volle Gültigkeit. Um sich von den Schrecknissen der Produktion dieses teuersten Schlafmittels von Film abzulenken, kaufte Ingrid eine neue 8mm-Filmkamera um ihre Fertigkeit als Amateurfilmerin weiterzuentwickeln, und dokumentierte so alles, was Sam Wood mit den Massenszenen arrangierte (woraus für ihre Freunde – die das Material zu sehen bekamen - leicht erkennbar war, dass sie als Regisseurin einiges besser gemacht hätte). Aber wie gross ihr Kummer auch gewesen sein mag, ihre kollegiale Einstellung blieb in jeder Hinsicht unangetastet. Ingrids Ersatz, Betty Brooks, musste für die komplizierten Belichtungstests massive Überzeitarbeit in Kauf nehmen, wobei sich 211

is dahin, mit 96 Sets, über 11'000 Requisiten, Dutzenden von<br />

19.-Jahrhundert-R<strong>ob</strong>en für <strong>Ingrid</strong>, zweihundert S<strong>tu</strong>ntmen für<br />

eine einminütige Nachtszene von einem Zugsunfall und einer<br />

Menge Krinolinen, Wagen, und Gaslampen, welche die Film-<br />

Magazine zum Bersten brachten. Spektakulär würde er sicher<br />

werden, und das war auch das Haupt-Verkaufsargument, denn<br />

er war im übrigen ein überladener Schmarren, auf den effektiv<br />

niemand stolz sein konnte ausser den S<strong>tu</strong>dionäherinnen.<br />

Sein Ursprung war nicht einfach – eine wortreiche Edna<br />

Ferber-Liebesgeschichte von einer glanzvollen, unehelichen<br />

Hexe namens Clio Dulaine (<strong>Ingrid</strong>), die von Paris zurückkehrt,<br />

um sich für das ihrer Familie von der Gesellschaft zugefügte<br />

Unrecht, das die vornehmen Kreise entlang der ganzen Ostküste<br />

schockierte, zu rächen. Geld ist ihr Gott, Männer sind ihr<br />

Mittel zum Zweck. Sie missbraucht ihr Mulattenmädchen<br />

(weisse Flora R<strong>ob</strong>son <strong>als</strong> anstössige Farbige), bellt ihren Diener,<br />

einen übellaunigen Zwerg namens Cupido (Jerry Austin),<br />

mit ihren Befehlen herum, beutet einen anständigen Mann aus<br />

(John Warburton) und akzeptiert schliesslich einen schlaksigen<br />

Texaner namens Clint Maroon (Cooper).<br />

Aber der Senior-Autor Casey R<strong>ob</strong>inson ("Captain Blood",<br />

"Dark Victory", "Kings Row" und "Now, Voyager") konnte die<br />

erzählerischen Pr<strong>ob</strong>leme nicht meistern und die Pappe erträglich<br />

oder gar interessant machen. Eine Analyse zeigt, dass der<br />

Film auf der Suche nach einem Zusammenhang ist: einmal ist<br />

"Saratoga Trunk" ein Thriller, dann ist er auch eine Gesellschaftskomödie,<br />

dann ein Liebesfilm und schliesslich ein Westernknüller.<br />

<strong>Ingrid</strong> hatte Selznick um diese Rolle gebeten, zu ihrem<br />

Entsetzen aber die letzten zweihundert Seiten der Geschichte<br />

erst einen Tag vor Beginn der Aufnahmen gelesen, worauf sie<br />

prompt in Tränen ausbrach und in Ruth R<strong>ob</strong>erts Arme fiel.<br />

Dass nun brennende Erinnerungen an "Casablanca" in ihr aufstiegen,<br />

war eines; aber sie konnte es drehen und wenden wie<br />

sie wollte, von ihren bisher sechs amerikanischen Filmen konnte<br />

sie gerade auf einen stolz sein: "Dr. Jekyll und Mr. Hyde".<br />

210

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!