Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman Ingrid - tu als ob - Ingrid Bergman

ingrid.bergman.ch
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29.01.2013 Aufrufe

Schlussmonolog an Ingrid auf das Publikum damals und heute nur ärgerlich: "Du musst gehen, weil du ich bist und ich du bin, und wohin du gehst, gehe auch ich – verstehst du? – und wenn du bleibst, kann ich nicht gehen, weil wir uns nie trennen können, weil ich nur gehe, wohin du gehst und wenn du gehst, dann bin ich frei zu gehen, obwohl ich bleibe – weil ich du bin und du ich bist." Der Geist gerät ins Torkeln bei dieser Art von Humbug- Mystik, in Zweitklässler-Syllogismus von der Sorte verpackt, mit der Primarschüler ihre Kumpel zu überrumpeln versuchen, so wenig überzeugend, wie das Versprechen eines Politikers, die Steuern senken zu wollen. Abgesehen davon enthält der Text einen gravierenden logischen Fehler: wenn sie er ist und er sie, dann müsste sie eigentlich bleiben und mit ihm umkommen – weil sie er ist! Doch was soll's. Cooper murmelt die Szene herunter, als litte er eher an Gehirnerweichung als an einem gebrochenen Bein. Was Ingrid anbelangt, so war sie in "Walpurgis Night", "A Woman's Face", "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" und "Casablanca" so souverän, dass sie hier ausnahmsweise der Oberfläche von Marias Charakter entlang schlittern konnte. Ohne jede Führung durch das Script, die Regie oder den Co-Star, muss Marias quälende Vergangenheit und die Ungewissheit ihrer Zukunft zum Durcheinander geraten. Bergmans Spiel in diesen Schlüsselszenen wiederspiegelt einen uncharakteristisch oberflächlichen Kummer, der in keiner Relation zur brutalen Wirklichkeit einer Frau steht, die monströsen Verrat überlebt hat. Sie wendet sich ab von ihrem Freund, der Kamera, zupft an ihren geschorenen Locken und umarmt einen Baumstamm, um ihrem Kummer Ausdruck zu geben. Aber selbst die rastlose Folge dieser Szenen kann ihre emotionale Leere nicht verbergen – und niemand empfand das quälender, als Ingrid selbst. Es ist unmöglich, Sam Wood freizusprechen, denn er hatte nicht das Format, seine Darsteller ins tiefere Wasser zu führen; statt dessen verherrlichte der Film den Krieg, den 198

Hemingway verdammte. Ein Film muss die Schrecknisse des Krieges herüberbringen, um den Segen des Friedens spürbar zu machen; "Wem die Stunde schlägt" homogenisiert beides. Ingrids hübsch gestylter Haarschnitt und sorgfältiges Pfannkuchen-Makeup wurden dadurch wirkungslos, und so erschien sie letztlich nordischer als je zuvor – wohl weil sie sich in Maria nicht verlieren konnte. Ihr erster Technicolor-Film zeigt sie hinreissend verwahrlost, wie alle ihre Mitspieler, unter welchen es nicht einen einzigen Spanier hatte. Sam Wood, dem die Szenerie und die Pferde viel wichtiger waren als die Story und die Schauspieler, präsentierte ein Fantasieland, in dem die Glocken des Patriotismus laut aber leer tönten. "Es war alles sehr schwierig", sagte Ingrid Jahre später, "mit Sam Wood, der aufgeregt herumschrie und brüllte. So oft hatte er die Kontrolle über sich völlig verloren – wirklich, ich habe sowas noch nie zuvor erlebt." Die Kritiker äusserten sich respektvoll, aber enttäuscht. Sie bot wirklich gutes Spiel, wurde immerhin festgehalten, aber sie schuf nicht mehr als eine flüchtige Ähnlichlichkeit mit einem echten menschlichen Wesen. Ein Mädchen, das von einer Gang vergewaltigt wurde und Massenmord mitansehen musste, kann nicht wie aus einer Palmolive-Anzeige entflohen in die Szene springen. Ueber Gary Cooper äusserte sich James Agee ganz im Sinne vieler anderer: er sah gut aus, "aber generell etwas blass". Ingrids einzige glücklichen Erinnerungen an den Film hatten einen einzigen Grund. Stunden nachdem sie zum Team gestossen war, war sie über beide Ohren in Gary Cooper verliebt. Immer diskret, sprach Ingrid meistens von seinen schauspielerischen Fähigkeiten. "Er war einer der natürlichsten Schauspieler überhaupt", sagte sie später, "so natürlich, dass du nicht wusstest ob er spielte – du musstest im Script nachsehen, ob er seinen Text sprach oder einfach plauderte. Er war auch sehr scheu und einsilbig, aber auch sehr nett. Und wie hübsch! 199

Hemingway verdammte. Ein Film muss die Schrecknisse des<br />

Krieges herüberbringen, um den Segen des Friedens spürbar<br />

zu machen; "Wem die S<strong>tu</strong>nde schlägt" homogenisiert beides.<br />

<strong>Ingrid</strong>s hübsch gestylter Haarschnitt und sorgfältiges Pfannkuchen-Makeup<br />

wurden dadurch wirkungslos, und so erschien<br />

sie letztlich nordischer <strong>als</strong> je zuvor – wohl weil sie sich in Maria<br />

nicht verlieren konnte. Ihr erster Technicolor-Film zeigt sie<br />

hinreissend verwahrlost, wie alle ihre Mitspieler, unter welchen<br />

es nicht einen einzigen Spanier hatte. Sam Wood, dem die<br />

Szenerie und die Pferde viel wichtiger waren <strong>als</strong> die Story und<br />

die Schauspieler, präsentierte ein Fantasieland, in dem die<br />

Glocken des Patriotismus laut aber leer tönten. "Es war alles<br />

sehr schwierig", sagte <strong>Ingrid</strong> Jahre später, "mit Sam Wood,<br />

der aufgeregt herumschrie und brüllte. So oft hatte er die<br />

Kontrolle über sich völlig verloren – wirklich, ich habe sowas<br />

noch nie zuvor erlebt."<br />

Die Kritiker äusserten sich respektvoll, aber enttäuscht.<br />

Sie bot wirklich gutes Spiel, wurde immerhin festgehalten,<br />

aber sie schuf nicht mehr <strong>als</strong> eine flüchtige Ähnlichlichkeit mit<br />

einem echten menschlichen Wesen. Ein Mädchen, das von<br />

einer Gang vergewaltigt wurde und Massenmord mitansehen<br />

musste, kann nicht wie aus einer Palmolive-Anzeige entflohen<br />

in die Szene springen. Ueber Gary Cooper äusserte sich James<br />

Agee ganz im Sinne vieler anderer: er sah gut aus, "aber generell<br />

etwas blass".<br />

<strong>Ingrid</strong>s einzige glücklichen Erinnerungen an den Film<br />

hatten einen einzigen Grund. S<strong>tu</strong>nden nachdem sie zum Team<br />

gestossen war, war sie über beide Ohren in Gary Cooper verliebt.<br />

Immer diskret, sprach <strong>Ingrid</strong> meistens von seinen<br />

schauspielerischen Fähigkeiten. "Er war einer der natürlichsten<br />

Schauspieler überhaupt", sagte sie später,<br />

"so natürlich, dass du nicht wusstest <strong>ob</strong> er spielte –<br />

du musstest im Script nachsehen, <strong>ob</strong> er seinen Text<br />

sprach oder einfach plauderte. Er war auch sehr scheu<br />

und einsilbig, aber auch sehr nett. Und wie hübsch!<br />

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